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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Preußens Vertheidigungspläne.
wider die Krone.*) In Wahrheit verbarg ſich hinter dieſem vielgeſchäftigen
Treiben nur die Angſt. Der greiſe Staatskanzler wollte ſchlechterdings
nicht an die Möglichkeit eines europäiſchen Krieges glauben, weil er ſeinem
morſchen Reiche nicht mehr die Kraft zutraute ſolchen Gefahren zu wider-
ſtehen; er beabſichtigte von vornherein, die dem Sultan verheißene Unter-
ſtützung nur durch die Abſendung einiger Kriegsſchiffe, nimmermehr durch
Landtruppen zu leiſten, und zeigte eine ſorgloſe Sicherheit, welche Graf
Maltzan ganz unbegreiflich fand, da ja bekanntlich alle Rüſtungen in
Oeſterreich nur ſchwer und langſam zu Stande kämen.**) Endlich gingen
dem Preußen die Augen auf. Am 11. Sept. geſtand er ſeinem Monarchen:
wir ſind Alle von Metternich betrogen, Alle „in der poſſierlichſten Weiſe
hineingefallen“; der Fürſt hat uns nur in Königswart hingehalten, weil
er nicht nach Wien gehen, unliebſame Erörterungen mit ſeinem überſpar-
ſamen, den gefährlichen Vierbund verabſcheuenden Nebenbuhler Kolowrat
vermeiden will.***) So ſtand es in der That. Metternich regierte Oeſter-
reich nicht, er konnte auf die Unterſtützung des Triumvirats nicht zählen;
alle die verroſteten Räder der unförmlichen Staatsmaſchine knarrten und
knirſchten.

Wie hochbedenklich mußten einem ſolchen Hofe die immerhin etwas
herzhafteren preußiſchen Vertheidigungspläne erſcheinen. Schon am 25.
Auguſt erklärte Maltzan, ſein Monarch halte für nöthig, daß die beiden
deutſchen Großmächte ſich über die gemeinſame Abwehr verſtändigten und
dann die kleinen Höfe zur Mitwirkung aufforderten. Preußen könne binnen
acht Wochen 200,000 Mann am Rhein verſammeln; wie viele Truppen
denke Oeſterreich in Vorarlberg aufzuſtellen? Dort ſtanden augenblick-
lich kaum 1000 Mann. Metternich antwortete „aufs höchſte entzückt“
mit einigen allgemeinen Redensarten.†) So ging es weiter, viele Wochen
hindurch, ohne jedes Ergebniß. Noch in den erſten Octobertagen ſprach
der Oeſterreicher von bewaffneter Neutralität und ſchrieb an Neumann
in London: eben weil Frankreich rüſtet dürfen die vier Mächte nicht
rüſten. Maltzan ſagte entſetzt: Welche Logik! Und Preußen iſt Frank-
reichs Nachbar! Er faßte ſich ein Herz und ſchrieb nach Berlin: „Heute
tauſchen Oeſterreich und Preußen ihre Rollen. Der Geiſt des kaiſerlichen
Cabinets iſt weſentlich friedlich. Preußen dagegen, ſtark durch ſeine phy-
ſiſche und ſittliche Kraft, überbietet Oeſterreich und iſt offenbar berufen,
die Bewegungen der beiden Großmächte und Deutſchlands ſowohl hervor-
zurufen als zu leiten.“††) Nach neuem lebhaftem Andrängen des preu-
ßiſchen Hofes ſendete Metternich am 9. Oct. an König Friedrich Wilhelm

*) Metternich an Münch 9. Sept.; an Apponyi 20. Aug. 1840.
**) Maltzan’s Berichte, 8. 26. 29. Aug. 1840.
***) Maltzan’s Bericht, 11. Sept. 1840.
†) Maltzan’s Bericht, 25. Aug. Metternich an Min. Werther, 26. Aug. 1840.
††) Maltzan’s Berichte, 3. 5. Oct. 1840.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/105>, abgerufen am 11.02.2025.