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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Einführung der Bundesinſpectionen.

Dem alten Könige war kurz vor ſeinem Tode noch einmal recht
deutlich geworden, was von der Opferwilligkeit ſeiner deutſchen Bundes-
genoſſen zu erwarten ſei. Damals (1839) hatte er mit einem Aufwande
von Millionen drei ſeiner Armeecorps auf Kriegsfuß geſetzt um den end-
lichen Abſchluß des ſchmählichen Luxemburgiſchen Streites zu erzwingen,
und bei dieſem Unternehmen, das doch allein der Sicherung des Bundes-
gebietes galt, am Bunde keinerlei Unterſtützung, nicht einmal durch
Worte gefunden. Jetzt mußte ſein Nachfolger, kaum auf den Thron
geſtiegen, ſchon die gleiche Erfahrung machen. Er konnte ſich nicht mehr
darüber täuſchen, daß die kleinen Höfe gern bereit waren ſich durch Preu-
ßens ſtarken Arm aus der Noth retten zu laſſen, aber nicht im mindeſten
beabſichtigten die ſchimpfliche Wehrloſigkeit, welche ein volles Drittel des
tapferſten aller Völker darniederhielt, zu beſeitigen. Trotz Alledem hielt
der neue König ſeine Bundesreformpläne feſt; an der Bildſamkeit dieſer treff-
lichen Bundesverfaſſung wollte er nimmermehr verzweifeln. Am 6. Januar
1841 ſendete er an die Wiener Geſandtſchaft einen Erlaß, worin er beſtimmt
ausſprach, er werde allein vorgehen falls Oeſterreich ſeine Mitwirkung ver-
weigere.*) Dieſe Drohung wirkte für den Augenblick. Auf Preußens
Andrängen beſchloß der Bundestag (29. Juni), daß fortan aller drei
Jahre Bundesinſpectoren ſich von dem Zuſtande der Streitkräfte der ver-
bündeten Staaten überzeugen ſollten,**) und noch im Herbſte 1841 wurde
die erſte Bundesinſpection ins Werk geſetzt.

Alſo doch endlich ein beſcheidener Fortſchritt, denn bisher waren
nur die lächerlichen Truppen der Reſerve-Infanteriediviſion von Bundes-
wegen gemuſtert worden. Der Beſchluß kam unter ſchweren Kämpfen zu
Stande; manche der wohl durchdachten Vorſchläge des Oberſten Radowitz,
der jetzt ſeinen Sitz in der Bundesmilitärcommiſſion wieder eigenommen
hatte, mußten geopfert werden. Oeſterreich zeigte eine wohlbegreifliche
Scheu, ſein aus ſo verſchiedenen Völkerſchaften gemiſchtes Heer dem Ur-
theile von Ausländern zu unterwerfen. Die Mecklenburgiſchen Höfe
hatten ihren Bundesgeſandten Schack bereits angewieſen gegen die Bundes-
inſpection förmliche Verwahrung einzulegen, und gaben erſt nach, als König
Friedrich Wilhelm ſeine Verwandten in Strelitz perſönlich beſucht hatte.
Ihre trotz der Bundesgeſetze gänzlich verwahrloſten Reſerven wollten die
Kleinſtaaten ſchlechterdings nicht muſtern laſſen; Mecklenburg erklärte
entrüſtet: „die jährliche Einberufung der Reſerve wäre eine wahre Landes-
calamität.“***) Auch eine Beſtimmung über die Dauer der jährlichen
Uebungszeit ließ ſich nicht durchſetzen. „Specielle Zeitbeſtimmungen, meinte
Württemberg, würden hier nichts nützen ſondern ſchaden,“ da Alles auf

*) Maltzan’s Berichte, Jan. 1841.
**) Sydow’s Bericht, 24. Juni 1841.
***) Sydow’s Berichte, 13. Mai, 4. Juni 1841.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 7

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/111>, abgerufen am 11.02.2025.