folger der Apostel, ihr Amt als das wahrhaft katholische ansah, und gern war er bereit, die Hälfte der Kosten, ein Kapital von 15,000 L für dies anglikanische Bisthum zu zahlen, wenn nur die englische Kirche der preu- ßischen "eine schwesterliche Stellung" gestatten wolle.
Mit diesen Aufträgen wurde Bunsen im Sommer 1841, als die orientalische Verwicklung eben zu Ende ging, nach London gesendet, und kühner noch als einst auf dem Capitole erhoben sich jetzt die Hoffnungen des diplomatischen Theologen. Er sah die Arche der Kirche schon auf ihrem Ararat gelandet, die Christenheit im katholischen Apostolate wieder vereinigt, das jüdische Volk in seiner Heimath für den christlichen Glauben gewonnen und dadurch der Anfang gemacht zur Herstellung Israels -- und das Alles durch die jugendliche Kraft der evangelischen Kirche, denn "der Tod der beiden alten Kirchen", so sagte er mit gewohnter Zuversicht, "ist nirgends sichtbarer als im gelobten Lande". Der König selbst hielt für nöthig diese überschwänglichen Erwartungen etwas zu dämpfen; er meinte, für jetzt wäre es genug, wenn die Evangelischen den Türken gegen- über sich durch ein sichtbares Oberhaupt deckten, wenn eine evangelisch- deutsche Zunge sich im Oriente zusammenfände und diese evangelische Kirche vielleicht den Mittelpunkt bildete für die Juden-Christen. Palmer- ston aber empfing Bunsen's Vorschläge zunächst mit Befremden. Als echter Brite witterte er böse Hintergedanken, da so plötzlich Irus kam den Krösus zu beschenken; denn so stark der confessionelle Ehrgeiz des Königs, ebenso schwach war der nationale. Nur die Machtstellung der evangelischen Gesammtheit lag ihm am Herzen, für seine preußische Landes- kirche forderte er gar nichts. Er ergab sich darein, daß die englische Staatskirche die in Preußen ordinirten Geistlichen nicht anerkannte, wäh- rend die preußische Kirche die anglikanische Ordination unbedenklich als rechtsgiltig ansah; nur für sich persönlich als den Mitstifter forderte er das Recht, abwechselnd mit der Königin von England den Bischof von Jerusalem zu ernennen.
Eine so überaus bescheidene schwesterliche Stellung konnte selbst der Erzbischof von Canterbury, der anfangs mit pharisäischem Dünkel über "die minder vollkommenen Einrichtungen" des festländischen Protestantis- mus sprach, der deutschen evangelischen Kirche unmöglich versagen; waren doch zwei Deutsche, Nicolaysen und Pieritz, die ersten Bahnbrecher der Judenmission in Palästina und auch sonst überall in Vorderasien deutsch- evangelische Missionäre thätig. Zum Glück eiferten Pusey, Newman, alle die fanatischen Kryptokatholiken unter den Anglikanern lebhaft wider die Pläne des Königs, und eben dieser Zorn der verhaßten Puseyiten-Partei ließ der öffentlichen Meinung die Annäherung an das ungläubige Deutsch- land minder verdächtig erscheinen.
Im November 1841 wurde der erste evangelische Bischof von Jeru- salem durch den Erzbischof von Canterbury geweiht, ein Breslauer Jude,
V. 2. Die Kriegsgefahr.
folger der Apoſtel, ihr Amt als das wahrhaft katholiſche anſah, und gern war er bereit, die Hälfte der Koſten, ein Kapital von 15,000 ₤ für dies anglikaniſche Bisthum zu zahlen, wenn nur die engliſche Kirche der preu- ßiſchen „eine ſchweſterliche Stellung“ geſtatten wolle.
Mit dieſen Aufträgen wurde Bunſen im Sommer 1841, als die orientaliſche Verwicklung eben zu Ende ging, nach London geſendet, und kühner noch als einſt auf dem Capitole erhoben ſich jetzt die Hoffnungen des diplomatiſchen Theologen. Er ſah die Arche der Kirche ſchon auf ihrem Ararat gelandet, die Chriſtenheit im katholiſchen Apoſtolate wieder vereinigt, das jüdiſche Volk in ſeiner Heimath für den chriſtlichen Glauben gewonnen und dadurch der Anfang gemacht zur Herſtellung Israels — und das Alles durch die jugendliche Kraft der evangeliſchen Kirche, denn „der Tod der beiden alten Kirchen“, ſo ſagte er mit gewohnter Zuverſicht, „iſt nirgends ſichtbarer als im gelobten Lande“. Der König ſelbſt hielt für nöthig dieſe überſchwänglichen Erwartungen etwas zu dämpfen; er meinte, für jetzt wäre es genug, wenn die Evangeliſchen den Türken gegen- über ſich durch ein ſichtbares Oberhaupt deckten, wenn eine evangeliſch- deutſche Zunge ſich im Oriente zuſammenfände und dieſe evangeliſche Kirche vielleicht den Mittelpunkt bildete für die Juden-Chriſten. Palmer- ſton aber empfing Bunſen’s Vorſchläge zunächſt mit Befremden. Als echter Brite witterte er böſe Hintergedanken, da ſo plötzlich Irus kam den Kröſus zu beſchenken; denn ſo ſtark der confeſſionelle Ehrgeiz des Königs, ebenſo ſchwach war der nationale. Nur die Machtſtellung der evangeliſchen Geſammtheit lag ihm am Herzen, für ſeine preußiſche Landes- kirche forderte er gar nichts. Er ergab ſich darein, daß die engliſche Staatskirche die in Preußen ordinirten Geiſtlichen nicht anerkannte, wäh- rend die preußiſche Kirche die anglikaniſche Ordination unbedenklich als rechtsgiltig anſah; nur für ſich perſönlich als den Mitſtifter forderte er das Recht, abwechſelnd mit der Königin von England den Biſchof von Jeruſalem zu ernennen.
Eine ſo überaus beſcheidene ſchweſterliche Stellung konnte ſelbſt der Erzbiſchof von Canterbury, der anfangs mit phariſäiſchem Dünkel über „die minder vollkommenen Einrichtungen“ des feſtländiſchen Proteſtantis- mus ſprach, der deutſchen evangeliſchen Kirche unmöglich verſagen; waren doch zwei Deutſche, Nicolayſen und Pieritz, die erſten Bahnbrecher der Judenmiſſion in Paläſtina und auch ſonſt überall in Vorderaſien deutſch- evangeliſche Miſſionäre thätig. Zum Glück eiferten Puſey, Newman, alle die fanatiſchen Kryptokatholiken unter den Anglikanern lebhaft wider die Pläne des Königs, und eben dieſer Zorn der verhaßten Puſeyiten-Partei ließ der öffentlichen Meinung die Annäherung an das ungläubige Deutſch- land minder verdächtig erſcheinen.
Im November 1841 wurde der erſte evangeliſche Biſchof von Jeru- ſalem durch den Erzbiſchof von Canterbury geweiht, ein Breslauer Jude,
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V. 2. Die Kriegsgefahr.
folger der Apoſtel, ihr Amt als das wahrhaft katholiſche anſah, und gern
war er bereit, die Hälfte der Koſten, ein Kapital von 15,000 ₤ für dies
anglikaniſche Bisthum zu zahlen, wenn nur die engliſche Kirche der preu-
ßiſchen „eine ſchweſterliche Stellung“ geſtatten wolle.
Mit dieſen Aufträgen wurde Bunſen im Sommer 1841, als die
orientaliſche Verwicklung eben zu Ende ging, nach London geſendet, und
kühner noch als einſt auf dem Capitole erhoben ſich jetzt die Hoffnungen
des diplomatiſchen Theologen. Er ſah die Arche der Kirche ſchon auf
ihrem Ararat gelandet, die Chriſtenheit im katholiſchen Apoſtolate wieder
vereinigt, das jüdiſche Volk in ſeiner Heimath für den chriſtlichen Glauben
gewonnen und dadurch der Anfang gemacht zur Herſtellung Israels —
und das Alles durch die jugendliche Kraft der evangeliſchen Kirche, denn
„der Tod der beiden alten Kirchen“, ſo ſagte er mit gewohnter Zuverſicht,
„iſt nirgends ſichtbarer als im gelobten Lande“. Der König ſelbſt hielt
für nöthig dieſe überſchwänglichen Erwartungen etwas zu dämpfen; er
meinte, für jetzt wäre es genug, wenn die Evangeliſchen den Türken gegen-
über ſich durch ein ſichtbares Oberhaupt deckten, wenn eine evangeliſch-
deutſche Zunge ſich im Oriente zuſammenfände und dieſe evangeliſche
Kirche vielleicht den Mittelpunkt bildete für die Juden-Chriſten. Palmer-
ſton aber empfing Bunſen’s Vorſchläge zunächſt mit Befremden. Als
echter Brite witterte er böſe Hintergedanken, da ſo plötzlich Irus kam
den Kröſus zu beſchenken; denn ſo ſtark der confeſſionelle Ehrgeiz des
Königs, ebenſo ſchwach war der nationale. Nur die Machtſtellung der
evangeliſchen Geſammtheit lag ihm am Herzen, für ſeine preußiſche Landes-
kirche forderte er gar nichts. Er ergab ſich darein, daß die engliſche
Staatskirche die in Preußen ordinirten Geiſtlichen nicht anerkannte, wäh-
rend die preußiſche Kirche die anglikaniſche Ordination unbedenklich als
rechtsgiltig anſah; nur für ſich perſönlich als den Mitſtifter forderte er
das Recht, abwechſelnd mit der Königin von England den Biſchof von
Jeruſalem zu ernennen.
Eine ſo überaus beſcheidene ſchweſterliche Stellung konnte ſelbſt der
Erzbiſchof von Canterbury, der anfangs mit phariſäiſchem Dünkel über
„die minder vollkommenen Einrichtungen“ des feſtländiſchen Proteſtantis-
mus ſprach, der deutſchen evangeliſchen Kirche unmöglich verſagen; waren
doch zwei Deutſche, Nicolayſen und Pieritz, die erſten Bahnbrecher der
Judenmiſſion in Paläſtina und auch ſonſt überall in Vorderaſien deutſch-
evangeliſche Miſſionäre thätig. Zum Glück eiferten Puſey, Newman, alle
die fanatiſchen Kryptokatholiken unter den Anglikanern lebhaft wider die
Pläne des Königs, und eben dieſer Zorn der verhaßten Puſeyiten-Partei
ließ der öffentlichen Meinung die Annäherung an das ungläubige Deutſch-
land minder verdächtig erſcheinen.
Im November 1841 wurde der erſte evangeliſche Biſchof von Jeru-
ſalem durch den Erzbiſchof von Canterbury geweiht, ein Breslauer Jude,
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/136>, abgerufen am 28.11.2024.
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