Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.Die süddeutschen Zeitungen. stigen Lebens, er erweiterte die Beilage zu einer Rundschau über die ge-sammte europäische Literatur und förderte manches junge Talent durch wohlwollende, einsichtige Kritik; von den landschaftlichen Vorurtheilen seiner Schwaben befreite er sich aber niemals, und sein Preußenhaß gab in der Redaction fast immer den Ausschlag, weil sie ihr größtes Absatzgebiet, Oesterreich nicht verlieren durfte. Die Zeitung wurde keineswegs, wie man im Norden oft argwöhnte, von Wien her bestochen -- mit solchen Mitteln war dem reichen Hause Cotta nicht beizukommen --: sie brachte viel- mehr selbst große Opfer um die Hofburg bei guter Laune zu halten, zahlte glänzende Honorare an die Federn der k. k. Preßleitung, 4000 Gulden jährlich allein an den alternden Pilat, der nur noch selten schrieb, und nahm gehorsam Alles auf was ihr aus diesen Kreisen zukam. Metternich ward aber von Tag zu Tag mißtrauischer gegen Preußen, zumal der Zollvereins-Demagog Eichhorn blieb ihm unheimlich, und da er selbst die Maske der Freundschaft nicht abnehmen durfte, so ließ er durch seine Leute einen boshaften Federkrieg führen, der viel dazu beitrug das An- sehen des neuen Königs in Süddeutschland zu untergraben. Die giftigen Artikel der Allgemeinen Zeitung "vom Main" flossen meist aus den Fe- dern der beiden Wiener Hofpublicisten Zedlitz und Jarcke; der Bundes- gesandte Graf Dönhoff wußte dies wohl und meinte traurig: so wird es schwer sein, "an ein wahres, aufrichtiges Zusammenwirken von Wien und Berlin glauben zu machen."*) Als die preußische Presse sich zu heben be- gann, ließ Cotta der Hofburg melden, "daß die Allgemeine Zeitung, um bestehen zu können, sich nun ebenfalls auf ein liberales Feld werde stellen müssen". Metternich antwortete mit der verständlichen Drohung: wir werden uns darnach richten.**) Seitdem schillerte die Zeitung noch mehr denn sonst in verschiedenen Farben, nur niemals in schwarz-weißen, und mit vollem Rechte betrachtete die preußische Regierung das mächtigste Blatt des Südens als ihren gefährlichen Feind. In Württemberg erlaubten die Censoren dem wackeren Schwäbischen *) Dönhoff's Bericht, 22. Juni 1842. **) So erzählt Metternich selbst in seiner Weisung an Trauttmansdorff, 14. Febr. 1843. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 13
Die ſüddeutſchen Zeitungen. ſtigen Lebens, er erweiterte die Beilage zu einer Rundſchau über die ge-ſammte europäiſche Literatur und förderte manches junge Talent durch wohlwollende, einſichtige Kritik; von den landſchaftlichen Vorurtheilen ſeiner Schwaben befreite er ſich aber niemals, und ſein Preußenhaß gab in der Redaction faſt immer den Ausſchlag, weil ſie ihr größtes Abſatzgebiet, Oeſterreich nicht verlieren durfte. Die Zeitung wurde keineswegs, wie man im Norden oft argwöhnte, von Wien her beſtochen — mit ſolchen Mitteln war dem reichen Hauſe Cotta nicht beizukommen —: ſie brachte viel- mehr ſelbſt große Opfer um die Hofburg bei guter Laune zu halten, zahlte glänzende Honorare an die Federn der k. k. Preßleitung, 4000 Gulden jährlich allein an den alternden Pilat, der nur noch ſelten ſchrieb, und nahm gehorſam Alles auf was ihr aus dieſen Kreiſen zukam. Metternich ward aber von Tag zu Tag mißtrauiſcher gegen Preußen, zumal der Zollvereins-Demagog Eichhorn blieb ihm unheimlich, und da er ſelbſt die Maske der Freundſchaft nicht abnehmen durfte, ſo ließ er durch ſeine Leute einen boshaften Federkrieg führen, der viel dazu beitrug das An- ſehen des neuen Königs in Süddeutſchland zu untergraben. Die giftigen Artikel der Allgemeinen Zeitung „vom Main“ floſſen meiſt aus den Fe- dern der beiden Wiener Hofpubliciſten Zedlitz und Jarcke; der Bundes- geſandte Graf Dönhoff wußte dies wohl und meinte traurig: ſo wird es ſchwer ſein, „an ein wahres, aufrichtiges Zuſammenwirken von Wien und Berlin glauben zu machen.“*) Als die preußiſche Preſſe ſich zu heben be- gann, ließ Cotta der Hofburg melden, „daß die Allgemeine Zeitung, um beſtehen zu können, ſich nun ebenfalls auf ein liberales Feld werde ſtellen müſſen“. Metternich antwortete mit der verſtändlichen Drohung: wir werden uns darnach richten.**) Seitdem ſchillerte die Zeitung noch mehr denn ſonſt in verſchiedenen Farben, nur niemals in ſchwarz-weißen, und mit vollem Rechte betrachtete die preußiſche Regierung das mächtigſte Blatt des Südens als ihren gefährlichen Feind. In Württemberg erlaubten die Cenſoren dem wackeren Schwäbiſchen *) Dönhoff’s Bericht, 22. Juni 1842. **) So erzählt Metternich ſelbſt in ſeiner Weiſung an Trauttmansdorff, 14. Febr. 1843. v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 13
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Die ſüddeutſchen Zeitungen.
ſtigen Lebens, er erweiterte die Beilage zu einer Rundſchau über die ge-
ſammte europäiſche Literatur und förderte manches junge Talent durch
wohlwollende, einſichtige Kritik; von den landſchaftlichen Vorurtheilen ſeiner
Schwaben befreite er ſich aber niemals, und ſein Preußenhaß gab in der
Redaction faſt immer den Ausſchlag, weil ſie ihr größtes Abſatzgebiet,
Oeſterreich nicht verlieren durfte. Die Zeitung wurde keineswegs, wie
man im Norden oft argwöhnte, von Wien her beſtochen — mit ſolchen
Mitteln war dem reichen Hauſe Cotta nicht beizukommen —: ſie brachte viel-
mehr ſelbſt große Opfer um die Hofburg bei guter Laune zu halten, zahlte
glänzende Honorare an die Federn der k. k. Preßleitung, 4000 Gulden
jährlich allein an den alternden Pilat, der nur noch ſelten ſchrieb, und
nahm gehorſam Alles auf was ihr aus dieſen Kreiſen zukam. Metternich
ward aber von Tag zu Tag mißtrauiſcher gegen Preußen, zumal der
Zollvereins-Demagog Eichhorn blieb ihm unheimlich, und da er ſelbſt
die Maske der Freundſchaft nicht abnehmen durfte, ſo ließ er durch ſeine
Leute einen boshaften Federkrieg führen, der viel dazu beitrug das An-
ſehen des neuen Königs in Süddeutſchland zu untergraben. Die giftigen
Artikel der Allgemeinen Zeitung „vom Main“ floſſen meiſt aus den Fe-
dern der beiden Wiener Hofpubliciſten Zedlitz und Jarcke; der Bundes-
geſandte Graf Dönhoff wußte dies wohl und meinte traurig: ſo wird es
ſchwer ſein, „an ein wahres, aufrichtiges Zuſammenwirken von Wien und
Berlin glauben zu machen.“ *) Als die preußiſche Preſſe ſich zu heben be-
gann, ließ Cotta der Hofburg melden, „daß die Allgemeine Zeitung, um
beſtehen zu können, ſich nun ebenfalls auf ein liberales Feld werde ſtellen
müſſen“. Metternich antwortete mit der verſtändlichen Drohung: wir
werden uns darnach richten. **) Seitdem ſchillerte die Zeitung noch mehr
denn ſonſt in verſchiedenen Farben, nur niemals in ſchwarz-weißen, und
mit vollem Rechte betrachtete die preußiſche Regierung das mächtigſte Blatt
des Südens als ihren gefährlichen Feind.
In Württemberg erlaubten die Cenſoren dem wackeren Schwäbiſchen
Merkur faſt nur über wirthſchaftliche Landesangelegenheiten frei zu reden.
Auch Karl Weil, ein gewandter liberaler Publiciſt, der in Stuttgart erſt den
Deutſchen Curier, dann die Conſtitutionellen Jahrbücher herausgab und ſich
vornehmlich der bedrückten Hannoveraner mit Eifer annahm, erlangte kein
rechtes Anſehen, weil ſeine Beziehungen zum Hofe Ludwig Philipp’s mit
gutem Grunde beargwöhnt wurden. Baden endlich, das gelobte Land der
liberalen Muſterverfaſſung, ward jetzt auch das Land der Muſter-Cenſur,
wie K. Mathy im Landtage treffend ſagte. Die badiſchen Cenſoren wurden
geradezu angewieſen, mißliebigen Blättern durch das Streichen der neueſten
Nachrichten die Kundſchaft zu entziehen; unter ihnen that ſich der Mannheimer
*) Dönhoff’s Bericht, 22. Juni 1842.
**) So erzählt Metternich ſelbſt in ſeiner Weiſung an Trauttmansdorff, 14. Febr.
1843.
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