gründen äußerten sich die Richter mit einer Unerschrockenheit wie sie dem alten Ruhme dieses Tribunals entsprach; sie erklärten, mit der Ehrfurcht vor dem Könige sei freimüthiger Tadel der bestehenden Einrichtungen wohl vereinbar, und sagten gradezu, einem Schriftsteller dürfe man nicht ver- wehren, die Censur die schlimmste Feindin der Presse zu nennen. Eine Abschrift dieser Urtheilsgründe wurde dem Freigesprochenen, gemäß den Grundsätzen des geheimen Gerichtsverfahrens, nicht mitgetheilt, weil man voraus wußte, daß er Alles sofort veröffentlichen würde. Auch der König verweigerte, trotz der dringenden Bitte Jacoby's, die Erlaubniß dazu; ihm war diese Freisprechung rein unbegreiflich.
Um so nöthiger schien ihm also ein kräftiges Einschreiten der Ver- waltung. In den nämlichen Tagen wurden Ruge's Deutsche Jahrbücher unterdrückt -- fast gleichzeitig in Sachsen und in Preußen, nachher auch noch durch den Bundestag -- weil sie den Liberalismus in Demokratis- mus auflösen, durch Herstellung des absoluten Staates zur Freiheit ge- langen wollten. Nach einer stürmischen Verhandlung genehmigte der säch- sische Landtag dies Verbot. Gleich darauf erhielt die Rheinische Zeitung den Befehl, daß sie vom 1. April an nicht mehr erscheinen dürfe, wegen ihrer Zügellosigkeit in Gesinnung und Ausdruck, ihrer subversiven Richtung gegen Staat und Kirche. Sie unterwarf sich mit den bitteren Worten: "das Unrecht, die falsche Basis der Rheinischen Zeitung war die Begeisterung für das junge Licht, welches nach langem Dunkel die Gipfel der Berge zu röthen begann; aber es war nur das prophetische Leuchten, nicht die Morgen- röthe eines neuen Tages für Deutschland." Im Februar 1843 wurde dann auch noch die den Bildern gewährte Censurfreiheit zurückgenommen. Das Jahr der bedingten Preßfreiheit ging zu Ende, die einflußreichsten Organe des norddeutschen Liberalismus waren allesammt verstummt. Mit tiefem Unwillen nahm die Nation diese Verbote auf. An die unver- brüchlich[e] Stille des alten Regiments hatte man sich schließlich gewöhnt; diese neue Regierung aber forderte das Volk beständig zu freimüthigem, lautem Reden auf und verbot doch Alles was ihr nicht zusagte. Wer konnte das begreifen? Dazu der unausstehliche schulmeisternde Ton dieser Verbote, die den unterdrückten Zeitungen salbungsvoll ihr Sündenregister vorhielten!
Und was am schlimmsten wirkte, der König selbst konnte es nicht lassen, in jede Kleinigkeit des Zeitungstreibens belehrend einzugreifen. Es zeigte sich bald: die dicke Haut, die zum Ertragen der Freiheit gehört, war diesem feinen reizbaren Geiste ganz versagt. Immer wieder beklagte er sich gegen seine Minister über die Königsberger Schandzeitung und ihre Hurenschwester am Rhein. Als ein ostpreußischer Gutsbesitzer Deutsch sich in Sachen des Elbinger Anzeigers beschwerte, da hielt ihm der Monarch in einem eigenhändigen Schreiben seine "schweren Irrthümer" vor: "Gegen Trugbilder zu Felde zu ziehen, welche von einer Partei mißbraucht werden
Unterdrückung der Oppoſitionspreſſe.
gründen äußerten ſich die Richter mit einer Unerſchrockenheit wie ſie dem alten Ruhme dieſes Tribunals entſprach; ſie erklärten, mit der Ehrfurcht vor dem Könige ſei freimüthiger Tadel der beſtehenden Einrichtungen wohl vereinbar, und ſagten gradezu, einem Schriftſteller dürfe man nicht ver- wehren, die Cenſur die ſchlimmſte Feindin der Preſſe zu nennen. Eine Abſchrift dieſer Urtheilsgründe wurde dem Freigeſprochenen, gemäß den Grundſätzen des geheimen Gerichtsverfahrens, nicht mitgetheilt, weil man voraus wußte, daß er Alles ſofort veröffentlichen würde. Auch der König verweigerte, trotz der dringenden Bitte Jacoby’s, die Erlaubniß dazu; ihm war dieſe Freiſprechung rein unbegreiflich.
Um ſo nöthiger ſchien ihm alſo ein kräftiges Einſchreiten der Ver- waltung. In den nämlichen Tagen wurden Ruge’s Deutſche Jahrbücher unterdrückt — faſt gleichzeitig in Sachſen und in Preußen, nachher auch noch durch den Bundestag — weil ſie den Liberalismus in Demokratis- mus auflöſen, durch Herſtellung des abſoluten Staates zur Freiheit ge- langen wollten. Nach einer ſtürmiſchen Verhandlung genehmigte der ſäch- ſiſche Landtag dies Verbot. Gleich darauf erhielt die Rheiniſche Zeitung den Befehl, daß ſie vom 1. April an nicht mehr erſcheinen dürfe, wegen ihrer Zügelloſigkeit in Geſinnung und Ausdruck, ihrer ſubverſiven Richtung gegen Staat und Kirche. Sie unterwarf ſich mit den bitteren Worten: „das Unrecht, die falſche Baſis der Rheiniſchen Zeitung war die Begeiſterung für das junge Licht, welches nach langem Dunkel die Gipfel der Berge zu röthen begann; aber es war nur das prophetiſche Leuchten, nicht die Morgen- röthe eines neuen Tages für Deutſchland.“ Im Februar 1843 wurde dann auch noch die den Bildern gewährte Cenſurfreiheit zurückgenommen. Das Jahr der bedingten Preßfreiheit ging zu Ende, die einflußreichſten Organe des norddeutſchen Liberalismus waren alleſammt verſtummt. Mit tiefem Unwillen nahm die Nation dieſe Verbote auf. An die unver- brüchlich[e] Stille des alten Regiments hatte man ſich ſchließlich gewöhnt; dieſe neue Regierung aber forderte das Volk beſtändig zu freimüthigem, lautem Reden auf und verbot doch Alles was ihr nicht zuſagte. Wer konnte das begreifen? Dazu der unausſtehliche ſchulmeiſternde Ton dieſer Verbote, die den unterdrückten Zeitungen ſalbungsvoll ihr Sündenregiſter vorhielten!
Und was am ſchlimmſten wirkte, der König ſelbſt konnte es nicht laſſen, in jede Kleinigkeit des Zeitungstreibens belehrend einzugreifen. Es zeigte ſich bald: die dicke Haut, die zum Ertragen der Freiheit gehört, war dieſem feinen reizbaren Geiſte ganz verſagt. Immer wieder beklagte er ſich gegen ſeine Miniſter über die Königsberger Schandzeitung und ihre Hurenſchweſter am Rhein. Als ein oſtpreußiſcher Gutsbeſitzer Deutſch ſich in Sachen des Elbinger Anzeigers beſchwerte, da hielt ihm der Monarch in einem eigenhändigen Schreiben ſeine „ſchweren Irrthümer“ vor: „Gegen Trugbilder zu Felde zu ziehen, welche von einer Partei mißbraucht werden
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[207/0221]
Unterdrückung der Oppoſitionspreſſe.
gründen äußerten ſich die Richter mit einer Unerſchrockenheit wie ſie dem
alten Ruhme dieſes Tribunals entſprach; ſie erklärten, mit der Ehrfurcht
vor dem Könige ſei freimüthiger Tadel der beſtehenden Einrichtungen wohl
vereinbar, und ſagten gradezu, einem Schriftſteller dürfe man nicht ver-
wehren, die Cenſur die ſchlimmſte Feindin der Preſſe zu nennen. Eine
Abſchrift dieſer Urtheilsgründe wurde dem Freigeſprochenen, gemäß den
Grundſätzen des geheimen Gerichtsverfahrens, nicht mitgetheilt, weil man
voraus wußte, daß er Alles ſofort veröffentlichen würde. Auch der König
verweigerte, trotz der dringenden Bitte Jacoby’s, die Erlaubniß dazu; ihm
war dieſe Freiſprechung rein unbegreiflich.
Um ſo nöthiger ſchien ihm alſo ein kräftiges Einſchreiten der Ver-
waltung. In den nämlichen Tagen wurden Ruge’s Deutſche Jahrbücher
unterdrückt — faſt gleichzeitig in Sachſen und in Preußen, nachher auch
noch durch den Bundestag — weil ſie den Liberalismus in Demokratis-
mus auflöſen, durch Herſtellung des abſoluten Staates zur Freiheit ge-
langen wollten. Nach einer ſtürmiſchen Verhandlung genehmigte der ſäch-
ſiſche Landtag dies Verbot. Gleich darauf erhielt die Rheiniſche Zeitung
den Befehl, daß ſie vom 1. April an nicht mehr erſcheinen dürfe, wegen
ihrer Zügelloſigkeit in Geſinnung und Ausdruck, ihrer ſubverſiven Richtung
gegen Staat und Kirche. Sie unterwarf ſich mit den bitteren Worten: „das
Unrecht, die falſche Baſis der Rheiniſchen Zeitung war die Begeiſterung für
das junge Licht, welches nach langem Dunkel die Gipfel der Berge zu röthen
begann; aber es war nur das prophetiſche Leuchten, nicht die Morgen-
röthe eines neuen Tages für Deutſchland.“ Im Februar 1843 wurde
dann auch noch die den Bildern gewährte Cenſurfreiheit zurückgenommen.
Das Jahr der bedingten Preßfreiheit ging zu Ende, die einflußreichſten
Organe des norddeutſchen Liberalismus waren alleſammt verſtummt.
Mit tiefem Unwillen nahm die Nation dieſe Verbote auf. An die unver-
brüchliche Stille des alten Regiments hatte man ſich ſchließlich gewöhnt;
dieſe neue Regierung aber forderte das Volk beſtändig zu freimüthigem,
lautem Reden auf und verbot doch Alles was ihr nicht zuſagte. Wer
konnte das begreifen? Dazu der unausſtehliche ſchulmeiſternde Ton dieſer
Verbote, die den unterdrückten Zeitungen ſalbungsvoll ihr Sündenregiſter
vorhielten!
Und was am ſchlimmſten wirkte, der König ſelbſt konnte es nicht
laſſen, in jede Kleinigkeit des Zeitungstreibens belehrend einzugreifen.
Es zeigte ſich bald: die dicke Haut, die zum Ertragen der Freiheit gehört,
war dieſem feinen reizbaren Geiſte ganz verſagt. Immer wieder beklagte
er ſich gegen ſeine Miniſter über die Königsberger Schandzeitung und ihre
Hurenſchweſter am Rhein. Als ein oſtpreußiſcher Gutsbeſitzer Deutſch ſich
in Sachen des Elbinger Anzeigers beſchwerte, da hielt ihm der Monarch
in einem eigenhändigen Schreiben ſeine „ſchweren Irrthümer“ vor: „Gegen
Trugbilder zu Felde zu ziehen, welche von einer Partei mißbraucht werden
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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