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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
des heiligen Vaters empfing. *) Währenddem erschien in dem Heerlager
der Ultramontanen zu Würzburg eine von Hermann Müller verfaßte ano-
nyme Schrift: Die Kölnische Kirche im Mai 1841 -- ein wüthendes Libell,
das in Preußen wegen seiner frechen Schmähungen sofort verboten und
gleichwohl auf Schleichwegen dem Könige in die Hände gespielt wurde.
Der päpstliche Machtbefehl war offenbar gesetzwidrig, da Gregor nicht
einmal für nöthig gehalten hatte den so grenzenlos nachgiebigen Monarchen
vorher zu benachrichtigen. Der König versagte also dem Domherrn Iven
die Anerkennung; aber eingeschüchtert durch die Drohungen der Cleri-
calen ließ er zugleich durch Brühl in Rom vertraulich aussprechen: unter
Vorbehalt seiner landesherrlichen Rechte wolle er Iven's Amtsführung
stillschweigend dulden! So wankte er von einem schwächlichen Zugeständ-
niß zum andern. **)

Inzwischen hatte schon ein neuer Vermittler in die Unterhandlungen
eingegriffen: König Ludwig von Baiern. Der Wittelsbacher wünschte jetzt
aufrichtig die Aussöhnung, weil er den Berliner Schwager auf seine
Weise liebte und bei der noch immer drohenden Kriegsgefahr jede Schwä-
chung Preußens für bedenklich hielt, vornehmlich aber weil er durch seine
eigene Politik die bairischen Liberalen und Protestanten tief verstimmt hatte
und durch das Friedenswerk ihren Groll zu beschwichtigen hoffte; nur
sollten auch sein getreuer Minister Abel und die Ultramontanen an der
Ausgleichung ihre Freude haben. Er empfahl seinem Schwager den
Bischof Geissel von Speier, den er unter seinen Landesbischöfen besonders
hoch schätzte, zum Coadjutor für das Erzbisthum und sagte: einen stärkeren
Beweis seiner Freundschaft könnte er ihm unmöglich geben, als indem
er ihm einen solchen Mann abträte. Den nämlichen Vorschlag hatte er,
allem Anschein nach, schon vorher in Rom vertraulich aussprechen lassen;
denn Geissel war jener letzte Candidat, den sich die Curie im Stillen vor-
behielt, schon im März deutete Capaccini, in einem Gespräche mit Brühl,
vorsichtig auf diesen Namen hin. König Friedrich Wilhelm ging auf den
Rath ein, ***) und als Graf Brühl im Juli zum dritten male nach Rom
reiste, nahm er den Weg über München um dort das Nähere zu be-
sprechen. Darauf forderte König Ludwig den Bischof Geissel in einem
schmeichelhaften Briefe auf, sich zur Annahme der Coadjutor-Stelle bereit
zu erklären. Abel unterstützte die Bitten des Monarchen und sagte mit
seiner gewohnten fanatischen Plumpheit rund heraus, was die Jesuiten
von dem künftigen Kölnischen Oberhirten erwarteten. "Sie sollen", so
schrieb er, "indem Sie die katholische Kirche Preußens wieder in ihr gutes
Recht einsetzen, durch die von da ausgehende, unabwendbare Rückwirkung

*) Lambruschini an Brühl, 21. Mai; Breve des Papstes an Iven, 21. Mai 1841.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni; Cabinetsordre an Eichhorn, 7. Juli;
Brühl's Bericht, 21. Juli 1841.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni 1841.

V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
des heiligen Vaters empfing. *) Währenddem erſchien in dem Heerlager
der Ultramontanen zu Würzburg eine von Hermann Müller verfaßte ano-
nyme Schrift: Die Kölniſche Kirche im Mai 1841 — ein wüthendes Libell,
das in Preußen wegen ſeiner frechen Schmähungen ſofort verboten und
gleichwohl auf Schleichwegen dem Könige in die Hände geſpielt wurde.
Der päpſtliche Machtbefehl war offenbar geſetzwidrig, da Gregor nicht
einmal für nöthig gehalten hatte den ſo grenzenlos nachgiebigen Monarchen
vorher zu benachrichtigen. Der König verſagte alſo dem Domherrn Iven
die Anerkennung; aber eingeſchüchtert durch die Drohungen der Cleri-
calen ließ er zugleich durch Brühl in Rom vertraulich ausſprechen: unter
Vorbehalt ſeiner landesherrlichen Rechte wolle er Iven’s Amtsführung
ſtillſchweigend dulden! So wankte er von einem ſchwächlichen Zugeſtänd-
niß zum andern. **)

Inzwiſchen hatte ſchon ein neuer Vermittler in die Unterhandlungen
eingegriffen: König Ludwig von Baiern. Der Wittelsbacher wünſchte jetzt
aufrichtig die Ausſöhnung, weil er den Berliner Schwager auf ſeine
Weiſe liebte und bei der noch immer drohenden Kriegsgefahr jede Schwä-
chung Preußens für bedenklich hielt, vornehmlich aber weil er durch ſeine
eigene Politik die bairiſchen Liberalen und Proteſtanten tief verſtimmt hatte
und durch das Friedenswerk ihren Groll zu beſchwichtigen hoffte; nur
ſollten auch ſein getreuer Miniſter Abel und die Ultramontanen an der
Ausgleichung ihre Freude haben. Er empfahl ſeinem Schwager den
Biſchof Geiſſel von Speier, den er unter ſeinen Landesbiſchöfen beſonders
hoch ſchätzte, zum Coadjutor für das Erzbisthum und ſagte: einen ſtärkeren
Beweis ſeiner Freundſchaft könnte er ihm unmöglich geben, als indem
er ihm einen ſolchen Mann abträte. Den nämlichen Vorſchlag hatte er,
allem Anſchein nach, ſchon vorher in Rom vertraulich ausſprechen laſſen;
denn Geiſſel war jener letzte Candidat, den ſich die Curie im Stillen vor-
behielt, ſchon im März deutete Capaccini, in einem Geſpräche mit Brühl,
vorſichtig auf dieſen Namen hin. König Friedrich Wilhelm ging auf den
Rath ein, ***) und als Graf Brühl im Juli zum dritten male nach Rom
reiſte, nahm er den Weg über München um dort das Nähere zu be-
ſprechen. Darauf forderte König Ludwig den Biſchof Geiſſel in einem
ſchmeichelhaften Briefe auf, ſich zur Annahme der Coadjutor-Stelle bereit
zu erklären. Abel unterſtützte die Bitten des Monarchen und ſagte mit
ſeiner gewohnten fanatiſchen Plumpheit rund heraus, was die Jeſuiten
von dem künftigen Kölniſchen Oberhirten erwarteten. „Sie ſollen“, ſo
ſchrieb er, „indem Sie die katholiſche Kirche Preußens wieder in ihr gutes
Recht einſetzen, durch die von da ausgehende, unabwendbare Rückwirkung

*) Lambruschini an Brühl, 21. Mai; Breve des Papſtes an Iven, 21. Mai 1841.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni; Cabinetsordre an Eichhorn, 7. Juli;
Brühl’s Bericht, 21. Juli 1841.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni 1841.
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[286/0300] V. 4. Die Parteiung in der Kirche. des heiligen Vaters empfing. *) Währenddem erſchien in dem Heerlager der Ultramontanen zu Würzburg eine von Hermann Müller verfaßte ano- nyme Schrift: Die Kölniſche Kirche im Mai 1841 — ein wüthendes Libell, das in Preußen wegen ſeiner frechen Schmähungen ſofort verboten und gleichwohl auf Schleichwegen dem Könige in die Hände geſpielt wurde. Der päpſtliche Machtbefehl war offenbar geſetzwidrig, da Gregor nicht einmal für nöthig gehalten hatte den ſo grenzenlos nachgiebigen Monarchen vorher zu benachrichtigen. Der König verſagte alſo dem Domherrn Iven die Anerkennung; aber eingeſchüchtert durch die Drohungen der Cleri- calen ließ er zugleich durch Brühl in Rom vertraulich ausſprechen: unter Vorbehalt ſeiner landesherrlichen Rechte wolle er Iven’s Amtsführung ſtillſchweigend dulden! So wankte er von einem ſchwächlichen Zugeſtänd- niß zum andern. **) Inzwiſchen hatte ſchon ein neuer Vermittler in die Unterhandlungen eingegriffen: König Ludwig von Baiern. Der Wittelsbacher wünſchte jetzt aufrichtig die Ausſöhnung, weil er den Berliner Schwager auf ſeine Weiſe liebte und bei der noch immer drohenden Kriegsgefahr jede Schwä- chung Preußens für bedenklich hielt, vornehmlich aber weil er durch ſeine eigene Politik die bairiſchen Liberalen und Proteſtanten tief verſtimmt hatte und durch das Friedenswerk ihren Groll zu beſchwichtigen hoffte; nur ſollten auch ſein getreuer Miniſter Abel und die Ultramontanen an der Ausgleichung ihre Freude haben. Er empfahl ſeinem Schwager den Biſchof Geiſſel von Speier, den er unter ſeinen Landesbiſchöfen beſonders hoch ſchätzte, zum Coadjutor für das Erzbisthum und ſagte: einen ſtärkeren Beweis ſeiner Freundſchaft könnte er ihm unmöglich geben, als indem er ihm einen ſolchen Mann abträte. Den nämlichen Vorſchlag hatte er, allem Anſchein nach, ſchon vorher in Rom vertraulich ausſprechen laſſen; denn Geiſſel war jener letzte Candidat, den ſich die Curie im Stillen vor- behielt, ſchon im März deutete Capaccini, in einem Geſpräche mit Brühl, vorſichtig auf dieſen Namen hin. König Friedrich Wilhelm ging auf den Rath ein, ***) und als Graf Brühl im Juli zum dritten male nach Rom reiſte, nahm er den Weg über München um dort das Nähere zu be- ſprechen. Darauf forderte König Ludwig den Biſchof Geiſſel in einem ſchmeichelhaften Briefe auf, ſich zur Annahme der Coadjutor-Stelle bereit zu erklären. Abel unterſtützte die Bitten des Monarchen und ſagte mit ſeiner gewohnten fanatiſchen Plumpheit rund heraus, was die Jeſuiten von dem künftigen Kölniſchen Oberhirten erwarteten. „Sie ſollen“, ſo ſchrieb er, „indem Sie die katholiſche Kirche Preußens wieder in ihr gutes Recht einſetzen, durch die von da ausgehende, unabwendbare Rückwirkung *) Lambruschini an Brühl, 21. Mai; Breve des Papſtes an Iven, 21. Mai 1841. **) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni; Cabinetsordre an Eichhorn, 7. Juli; Brühl’s Bericht, 21. Juli 1841. ***) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni 1841.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/300>, abgerufen am 24.11.2024.