orten begrüßten sich die Badener mit den Gesinnungsgenossen aus Nassau und Hessen. Auf einem dieser Rheingaufeste stimmte Hoffmann von Fallers- leben, der Unvermeidliche sein "Willkommen Vater Itzstein" an -- ein Lied, das rasch die Runde durch Süddeutschland machte, weil es die red- selige Gesinnungstüchtigkeit der Zeit so gar unschuldig wiedergab:
Laßt uns öffentlich besprechen Voller Männermuth Unsre Leiden und Gebrechen, So wie Er es thut! Vaterland, freue Dich! Deine Nacht wird immer heller. Itzstein unser Stern Leuchtet nah und fern!
Bei dem Jubelfeste der badischen Verfassung 1843 beging die Regierung die unbegreifliche Thorheit sich aller amtlichen Theilnahme zu enthalten, und die Feier gestaltete sich zu einem lärmenden Triumphe der Opposition. Vater Itzstein vertheilte seine Festredner über alle Städte des Landes; er selbst ging nach Griesbach, wo vor fünfundzwanzig Jahren das Grund- gesetz unterschrieben worden war, und die Bauern begrüßten ihn überall festlich als den Schirmherrn des Landesrechts. Alle die Weihereden, die nachher Mathy in einem umfänglichen Bande gesammelt herausgab, alle die Hochrufe auf die geliebte Verfassung klangen wie ein drohendes Schlacht- geschrei gegen Blittersdorff.
Zu allem Unheil wurde der politische Streit auch noch durch einen widerwärtigen Hofskandal vergiftet. Der berüchtigte carlistische Agent Moritz v. Haber, ein verlorener Sohn des Hofbankhauses Salomon Haber, war kürzlich heimgekehrt, nachdem er sich lange im Auslande, bald als Jude bald als Katholik bald als Protestant umhergetrieben, und hatte zum all- gemeinen Erstaunen rasch das Vertrauen der stolzen, geistvollen Groß- herzogin Sophie gewonnen; er half ihr die zerrütteten Vermögensverhält- nisse ihres unglücklichen Bruders, des Prinzen von Wasa zu ordnen. Er stand in Verbindung mit dem Hause Rothschild und mit Benazet, dem verrufenen Pächter der Spielbank von Baden-Baden; auch mit Blitters- dorff verkehrte er vertraulich, da der Minister gewagte Geldgeschäfte liebte. Der Großherzog aber und seine Brüder betrachteten den verschmitzten Abenteurer mit erklärlichem Mißtrauen; das Zerwürfniß am Hofe ward bald offenkundig, die klatschsüchtige Residenz erzählte sich Wunder von Haber's Verworfenheit und seinen reaktionären Plänen. Man nannte ihn die Geißel des Landes. Die Gesellschaft in Baden-Baden schloß ihn von ihren Festlichkeiten aus, und als Haber deßhalb einen Leutnant v. Göler forderte, entschied das Ehrengericht, mit einem solchen Manne könne ein Offizier sich nicht schlagen. Da trat ein vornehmer Russe für Haber ein, und in dem Duelle, das nun folgte, fanden Göler und sein russischer Gegner beide den Tod. Diese Nachricht entflammte die Wuth des Volkes,
Itzſtein. Welcker. Haber.
orten begrüßten ſich die Badener mit den Geſinnungsgenoſſen aus Naſſau und Heſſen. Auf einem dieſer Rheingaufeſte ſtimmte Hoffmann von Fallers- leben, der Unvermeidliche ſein „Willkommen Vater Itzſtein“ an — ein Lied, das raſch die Runde durch Süddeutſchland machte, weil es die red- ſelige Geſinnungstüchtigkeit der Zeit ſo gar unſchuldig wiedergab:
Laßt uns öffentlich beſprechen Voller Männermuth Unſre Leiden und Gebrechen, So wie Er es thut! Vaterland, freue Dich! Deine Nacht wird immer heller. Itzſtein unſer Stern Leuchtet nah und fern!
Bei dem Jubelfeſte der badiſchen Verfaſſung 1843 beging die Regierung die unbegreifliche Thorheit ſich aller amtlichen Theilnahme zu enthalten, und die Feier geſtaltete ſich zu einem lärmenden Triumphe der Oppoſition. Vater Itzſtein vertheilte ſeine Feſtredner über alle Städte des Landes; er ſelbſt ging nach Griesbach, wo vor fünfundzwanzig Jahren das Grund- geſetz unterſchrieben worden war, und die Bauern begrüßten ihn überall feſtlich als den Schirmherrn des Landesrechts. Alle die Weihereden, die nachher Mathy in einem umfänglichen Bande geſammelt herausgab, alle die Hochrufe auf die geliebte Verfaſſung klangen wie ein drohendes Schlacht- geſchrei gegen Blittersdorff.
Zu allem Unheil wurde der politiſche Streit auch noch durch einen widerwärtigen Hofſkandal vergiftet. Der berüchtigte carliſtiſche Agent Moritz v. Haber, ein verlorener Sohn des Hofbankhauſes Salomon Haber, war kürzlich heimgekehrt, nachdem er ſich lange im Auslande, bald als Jude bald als Katholik bald als Proteſtant umhergetrieben, und hatte zum all- gemeinen Erſtaunen raſch das Vertrauen der ſtolzen, geiſtvollen Groß- herzogin Sophie gewonnen; er half ihr die zerrütteten Vermögensverhält- niſſe ihres unglücklichen Bruders, des Prinzen von Waſa zu ordnen. Er ſtand in Verbindung mit dem Hauſe Rothſchild und mit Benazet, dem verrufenen Pächter der Spielbank von Baden-Baden; auch mit Blitters- dorff verkehrte er vertraulich, da der Miniſter gewagte Geldgeſchäfte liebte. Der Großherzog aber und ſeine Brüder betrachteten den verſchmitzten Abenteurer mit erklärlichem Mißtrauen; das Zerwürfniß am Hofe ward bald offenkundig, die klatſchſüchtige Reſidenz erzählte ſich Wunder von Haber’s Verworfenheit und ſeinen reaktionären Plänen. Man nannte ihn die Geißel des Landes. Die Geſellſchaft in Baden-Baden ſchloß ihn von ihren Feſtlichkeiten aus, und als Haber deßhalb einen Leutnant v. Göler forderte, entſchied das Ehrengericht, mit einem ſolchen Manne könne ein Offizier ſich nicht ſchlagen. Da trat ein vornehmer Ruſſe für Haber ein, und in dem Duelle, das nun folgte, fanden Göler und ſein ruſſiſcher Gegner beide den Tod. Dieſe Nachricht entflammte die Wuth des Volkes,
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Itzſtein. Welcker. Haber.
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und Heſſen. Auf einem dieſer Rheingaufeſte ſtimmte Hoffmann von Fallers-
leben, der Unvermeidliche ſein „Willkommen Vater Itzſtein“ an — ein
Lied, das raſch die Runde durch Süddeutſchland machte, weil es die red-
ſelige Geſinnungstüchtigkeit der Zeit ſo gar unſchuldig wiedergab:
Laßt uns öffentlich beſprechen
Voller Männermuth
Unſre Leiden und Gebrechen,
So wie Er es thut!
Vaterland, freue Dich!
Deine Nacht wird immer heller.
Itzſtein unſer Stern
Leuchtet nah und fern!
Bei dem Jubelfeſte der badiſchen Verfaſſung 1843 beging die Regierung
die unbegreifliche Thorheit ſich aller amtlichen Theilnahme zu enthalten,
und die Feier geſtaltete ſich zu einem lärmenden Triumphe der Oppoſition.
Vater Itzſtein vertheilte ſeine Feſtredner über alle Städte des Landes; er
ſelbſt ging nach Griesbach, wo vor fünfundzwanzig Jahren das Grund-
geſetz unterſchrieben worden war, und die Bauern begrüßten ihn überall
feſtlich als den Schirmherrn des Landesrechts. Alle die Weihereden, die
nachher Mathy in einem umfänglichen Bande geſammelt herausgab, alle
die Hochrufe auf die geliebte Verfaſſung klangen wie ein drohendes Schlacht-
geſchrei gegen Blittersdorff.
Zu allem Unheil wurde der politiſche Streit auch noch durch einen
widerwärtigen Hofſkandal vergiftet. Der berüchtigte carliſtiſche Agent Moritz
v. Haber, ein verlorener Sohn des Hofbankhauſes Salomon Haber, war
kürzlich heimgekehrt, nachdem er ſich lange im Auslande, bald als Jude
bald als Katholik bald als Proteſtant umhergetrieben, und hatte zum all-
gemeinen Erſtaunen raſch das Vertrauen der ſtolzen, geiſtvollen Groß-
herzogin Sophie gewonnen; er half ihr die zerrütteten Vermögensverhält-
niſſe ihres unglücklichen Bruders, des Prinzen von Waſa zu ordnen. Er
ſtand in Verbindung mit dem Hauſe Rothſchild und mit Benazet, dem
verrufenen Pächter der Spielbank von Baden-Baden; auch mit Blitters-
dorff verkehrte er vertraulich, da der Miniſter gewagte Geldgeſchäfte liebte.
Der Großherzog aber und ſeine Brüder betrachteten den verſchmitzten
Abenteurer mit erklärlichem Mißtrauen; das Zerwürfniß am Hofe ward
bald offenkundig, die klatſchſüchtige Reſidenz erzählte ſich Wunder von
Haber’s Verworfenheit und ſeinen reaktionären Plänen. Man nannte
ihn die Geißel des Landes. Die Geſellſchaft in Baden-Baden ſchloß ihn
von ihren Feſtlichkeiten aus, und als Haber deßhalb einen Leutnant v. Göler
forderte, entſchied das Ehrengericht, mit einem ſolchen Manne könne ein
Offizier ſich nicht ſchlagen. Da trat ein vornehmer Ruſſe für Haber ein,
und in dem Duelle, das nun folgte, fanden Göler und ſein ruſſiſcher
Gegner beide den Tod. Dieſe Nachricht entflammte die Wuth des Volkes,
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/345>, abgerufen am 21.11.2024.
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