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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Anschluß Luxemburgs.
Schmuggel blühte. Nun entstand wieder ein geordneter Verkehr, das
fleißige betriebsame Völkchen begann wieder zu hoffen und knüpfte bald
einen Geschäftsverkehr mit den östlichen Nachbarn an, der sich zum Er-
staunen der Luxemburger selbst als gesund und einträglich erwies. Nicht
lange, so empfing das Großherzogthum mehr als eine halbe Million Franken
jährlich aus den Kassen des Zollvereins, eine Summe, die über die be-
scheidene Consumtion des Ländchens sehr weit hinausging. Gleichwohl
dankte Niemand den Deutschen für solche Wohlthaten. Die Luxemburger
wollten nicht vergessen, wie kläglich der Deutsche Bund sie während der
Revolutionsjahre preisgegeben hatte, sie haßten die Preußen, die Be-
schirmer der Bundesfestung, als ihre natürlichen Feinde. Der Großherzog
that auch gar nichts um das Land dem deutschen Leben zu befreunden.
Rechtspflege, Verwaltung, Geldwesen blieben belgisch-französisch, sogar die
Amtssprache blieb französisch in dem grunddeutschen Lande -- lediglich zur
Bequemlichkeit der verwälschten Beamten, die sämmtlich auf französischen
oder belgischen Hochschulen ihre Lehrzeit verlebt hatten und dann daheim
Alles aufboten um die alten ehrlichen Ortsnamen Klerf und Siebenbrunn
in Clervaux und Septfontaines zu verwandeln. Also mästete sich fortan
an Deutschlands mächtigem Stamme die ekelhafte Schmarotzerpflanze der
Nation luxembourgeoise, ein Blendlingsvolk ohne Vaterland und darum
ohne Ehre. --

Mittlerweile eröffnete sich dem Zollvereine ganz unerwartet eine
glänzende Aussicht. Der hannoversche Steuerverein, der ihn bisher
vom Deutschen Meere absperrte, drohte zu zerfallen. Der Steuerverein
hatte anfangs dem großen Zollvereine mancherlei Feindseligkeit erwiesen
und namentlich seine preußischen Enclaven sehr gehässig behandelt. Doch
seit man sich im Jahre 1837 über ein Zollcartell geeinigt, lebten die beiden
Vereine in leidlicher Freundschaft, wenngleich Hannover die Grenzbewachung
ziemlich saumselig durchführte; und Preußen beschloß zunächst ruhig ab-
zuwarten, ob nicht das beinahe ringsum von Zollvereinslanden umklam-
merte Welfenreich freiwillig die Vereinigung beantragen würde. Darauf
war freilich kaum zu hoffen. Die mäßigen Finanzzölle des Steuervereins
brachten reichlichen Ertrag, wohlfeile englische Fabrikwaaren überschwemmten
das Land. Daß dieser übermächtige fremde Wettbewerb die hannoversche
Industrie ganz darniederhielt, war dem alten Welfenkönige nur willkommen;
er liebte die Fabriken nicht, und wie er selbst zum Frühstück sein englisches
Mutton-Chop verspeiste, so fand er es auch hocherfreulich, wenn seine
Hannoveraner sich bemühten die Lebensweise künstlicher Engländer zu führen.
Sein Volk huldigte derselben Meinung und pflegte den armen Hunger-
leidern im Zollvereine mitleidig vorzuwerfen, wie viel mehr Bordeauxwein,
Cigarren und Kaffee man, Dank den niedrigen Zöllen, im Steuervereine
verzehre. Diese stolze Behauptung beruhte freilich auf zweifelhaften
Schätzungen -- denn nachdem Braunschweig späterhin dem Zollvereine

Anſchluß Luxemburgs.
Schmuggel blühte. Nun entſtand wieder ein geordneter Verkehr, das
fleißige betriebſame Völkchen begann wieder zu hoffen und knüpfte bald
einen Geſchäftsverkehr mit den öſtlichen Nachbarn an, der ſich zum Er-
ſtaunen der Luxemburger ſelbſt als geſund und einträglich erwies. Nicht
lange, ſo empfing das Großherzogthum mehr als eine halbe Million Franken
jährlich aus den Kaſſen des Zollvereins, eine Summe, die über die be-
ſcheidene Conſumtion des Ländchens ſehr weit hinausging. Gleichwohl
dankte Niemand den Deutſchen für ſolche Wohlthaten. Die Luxemburger
wollten nicht vergeſſen, wie kläglich der Deutſche Bund ſie während der
Revolutionsjahre preisgegeben hatte, ſie haßten die Preußen, die Be-
ſchirmer der Bundesfeſtung, als ihre natürlichen Feinde. Der Großherzog
that auch gar nichts um das Land dem deutſchen Leben zu befreunden.
Rechtspflege, Verwaltung, Geldweſen blieben belgiſch-franzöſiſch, ſogar die
Amtsſprache blieb franzöſiſch in dem grunddeutſchen Lande — lediglich zur
Bequemlichkeit der verwälſchten Beamten, die ſämmtlich auf franzöſiſchen
oder belgiſchen Hochſchulen ihre Lehrzeit verlebt hatten und dann daheim
Alles aufboten um die alten ehrlichen Ortsnamen Klerf und Siebenbrunn
in Clervaux und Septfontaines zu verwandeln. Alſo mäſtete ſich fortan
an Deutſchlands mächtigem Stamme die ekelhafte Schmarotzerpflanze der
Nation luxembourgeoise, ein Blendlingsvolk ohne Vaterland und darum
ohne Ehre. —

Mittlerweile eröffnete ſich dem Zollvereine ganz unerwartet eine
glänzende Ausſicht. Der hannoverſche Steuerverein, der ihn bisher
vom Deutſchen Meere abſperrte, drohte zu zerfallen. Der Steuerverein
hatte anfangs dem großen Zollvereine mancherlei Feindſeligkeit erwieſen
und namentlich ſeine preußiſchen Enclaven ſehr gehäſſig behandelt. Doch
ſeit man ſich im Jahre 1837 über ein Zollcartell geeinigt, lebten die beiden
Vereine in leidlicher Freundſchaft, wenngleich Hannover die Grenzbewachung
ziemlich ſaumſelig durchführte; und Preußen beſchloß zunächſt ruhig ab-
zuwarten, ob nicht das beinahe ringsum von Zollvereinslanden umklam-
merte Welfenreich freiwillig die Vereinigung beantragen würde. Darauf
war freilich kaum zu hoffen. Die mäßigen Finanzzölle des Steuervereins
brachten reichlichen Ertrag, wohlfeile engliſche Fabrikwaaren überſchwemmten
das Land. Daß dieſer übermächtige fremde Wettbewerb die hannoverſche
Induſtrie ganz darniederhielt, war dem alten Welfenkönige nur willkommen;
er liebte die Fabriken nicht, und wie er ſelbſt zum Frühſtück ſein engliſches
Mutton-Chop verſpeiſte, ſo fand er es auch hocherfreulich, wenn ſeine
Hannoveraner ſich bemühten die Lebensweiſe künſtlicher Engländer zu führen.
Sein Volk huldigte derſelben Meinung und pflegte den armen Hunger-
leidern im Zollvereine mitleidig vorzuwerfen, wie viel mehr Bordeauxwein,
Cigarren und Kaffee man, Dank den niedrigen Zöllen, im Steuervereine
verzehre. Dieſe ſtolze Behauptung beruhte freilich auf zweifelhaften
Schätzungen — denn nachdem Braunſchweig ſpäterhin dem Zollvereine

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[441/0455] Anſchluß Luxemburgs. Schmuggel blühte. Nun entſtand wieder ein geordneter Verkehr, das fleißige betriebſame Völkchen begann wieder zu hoffen und knüpfte bald einen Geſchäftsverkehr mit den öſtlichen Nachbarn an, der ſich zum Er- ſtaunen der Luxemburger ſelbſt als geſund und einträglich erwies. Nicht lange, ſo empfing das Großherzogthum mehr als eine halbe Million Franken jährlich aus den Kaſſen des Zollvereins, eine Summe, die über die be- ſcheidene Conſumtion des Ländchens ſehr weit hinausging. Gleichwohl dankte Niemand den Deutſchen für ſolche Wohlthaten. Die Luxemburger wollten nicht vergeſſen, wie kläglich der Deutſche Bund ſie während der Revolutionsjahre preisgegeben hatte, ſie haßten die Preußen, die Be- ſchirmer der Bundesfeſtung, als ihre natürlichen Feinde. Der Großherzog that auch gar nichts um das Land dem deutſchen Leben zu befreunden. Rechtspflege, Verwaltung, Geldweſen blieben belgiſch-franzöſiſch, ſogar die Amtsſprache blieb franzöſiſch in dem grunddeutſchen Lande — lediglich zur Bequemlichkeit der verwälſchten Beamten, die ſämmtlich auf franzöſiſchen oder belgiſchen Hochſchulen ihre Lehrzeit verlebt hatten und dann daheim Alles aufboten um die alten ehrlichen Ortsnamen Klerf und Siebenbrunn in Clervaux und Septfontaines zu verwandeln. Alſo mäſtete ſich fortan an Deutſchlands mächtigem Stamme die ekelhafte Schmarotzerpflanze der Nation luxembourgeoise, ein Blendlingsvolk ohne Vaterland und darum ohne Ehre. — Mittlerweile eröffnete ſich dem Zollvereine ganz unerwartet eine glänzende Ausſicht. Der hannoverſche Steuerverein, der ihn bisher vom Deutſchen Meere abſperrte, drohte zu zerfallen. Der Steuerverein hatte anfangs dem großen Zollvereine mancherlei Feindſeligkeit erwieſen und namentlich ſeine preußiſchen Enclaven ſehr gehäſſig behandelt. Doch ſeit man ſich im Jahre 1837 über ein Zollcartell geeinigt, lebten die beiden Vereine in leidlicher Freundſchaft, wenngleich Hannover die Grenzbewachung ziemlich ſaumſelig durchführte; und Preußen beſchloß zunächſt ruhig ab- zuwarten, ob nicht das beinahe ringsum von Zollvereinslanden umklam- merte Welfenreich freiwillig die Vereinigung beantragen würde. Darauf war freilich kaum zu hoffen. Die mäßigen Finanzzölle des Steuervereins brachten reichlichen Ertrag, wohlfeile engliſche Fabrikwaaren überſchwemmten das Land. Daß dieſer übermächtige fremde Wettbewerb die hannoverſche Induſtrie ganz darniederhielt, war dem alten Welfenkönige nur willkommen; er liebte die Fabriken nicht, und wie er ſelbſt zum Frühſtück ſein engliſches Mutton-Chop verſpeiſte, ſo fand er es auch hocherfreulich, wenn ſeine Hannoveraner ſich bemühten die Lebensweiſe künſtlicher Engländer zu führen. Sein Volk huldigte derſelben Meinung und pflegte den armen Hunger- leidern im Zollvereine mitleidig vorzuwerfen, wie viel mehr Bordeauxwein, Cigarren und Kaffee man, Dank den niedrigen Zöllen, im Steuervereine verzehre. Dieſe ſtolze Behauptung beruhte freilich auf zweifelhaften Schätzungen — denn nachdem Braunſchweig ſpäterhin dem Zollvereine

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/455>, abgerufen am 22.11.2024.