irgendwie zerschlagen, und arbeitete insgeheim für seinen Vetter. Im Frühjahr 1846 erschien der coburgische Freier Leopold -- ganz zufällig -- am Londoner Hofe und besuchte sodann -- wieder ganz zufällig -- mit seinem Vater die coburgischen Verwandten in Lissabon; zur selben Zeit unternahm Herzog Ernst von Coburg -- wieder zufällig -- eine Reise nach Spanien. Dem Bürgerkönige war es doch nicht zu verargen, daß er, ohnehin keine gläubige Seele, an so viele coburgische Zufälle nicht recht glauben wollte und sich nun auch seinerseits aller Zusagen entbunden hielt.
Die gehoffte bourbonische Heirath ward aber durch die spanischen Parteihändel sehr erschwert. Seit dem Sturze der Carlisten war das Land in die beiden Heerlager der Progressisten und der Moderados zer- theilt. Espartero, der Führer der Progressisten, bekannte seine englische Gesinnung unverhohlen; er hatte die Garden aufgelöst -- was der Ober- präsident Schön seinem Freunde Boyen als leuchtendes Vorbild liberaler Gesinnungstüchtigkeit anpries -- er hatte die Königin Mutter Marie Christine persönlich gedemüthigt, sie der Regentschaft beraubt und eine Zeit lang nach Frankreich vertrieben. Als Marie Christine dann aus dem Exile heimkehrte, blieb sie den Progressisten feind und hielt sich, wenn auch nicht unbedingt, zu der französisch gesinnten Partei, dem Ge- neral Narvaez und seinen Moderados. Unter den drei bourbonischen Prinzen aber, welche allein auf die Hand Isabella's hoffen konnten, wurde der eine, ein neapolitanischer Bruder der Königin Mutter, bald als unmöglich aufgegeben. So blieben nur noch zwei spanische Infanten: der ältere, der beschränkt bigotte Herzog Franz von Cadix war ein fa- natischer Moderado, der jüngere Bruder, Herzog Heinrich von Sevilla, hatte sich sehr tief in progressistische Umtriebe eingelassen und sich durch seine radicale Frechheit mit beiden Königinnen gänzlich überworfen. Be- greiflich also, daß der Bürgerkönig den französisch gesinnten Moderado Franz begünstigte.*)
So begann denn am Madrider Hofe ein wilder Parteikampf; die beiden Gesandten Bresson und Bulwer, beide gleich hitzig und gleich zank- süchtig, befehdeten einander mit allen erdenklichen schlechten Künsten. Und nun ward plötzlich noch ein dritter Faden in diesen verfitzten diploma- tischen Knäuel eingeflochten -- durch Lord Palmerston, der soeben in das Cabinet eingetreten war. Wenn der Lord ruhig rechnete, so mußte er die coburgische Candidatur unterstützen, die für England doch vielleicht vortheilhaft werden konnte. Körperlich war der frische, kräftige Coburger den beiden traurigen spanischen Infanten weit überlegen. Darum entschloß sich Marie Christine in einem Anfall mütterlicher Zärtlichkeit, ihre fran- zösischen Neigungen zu überwinden; sie schrieb selbst an den Herzog von
*) Die Erzählung des Herzogs Ernst stimmt hier ganz überein mit einem offen- bar zuverlässigen Berichte, welcher dem preußischen Auswärtigen Amte am 25. Nov. 1846 von einem Madrider Agenten erstattet wurde.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 45
Franzöſiſche und engliſche Heirathscandidaten.
irgendwie zerſchlagen, und arbeitete insgeheim für ſeinen Vetter. Im Frühjahr 1846 erſchien der coburgiſche Freier Leopold — ganz zufällig — am Londoner Hofe und beſuchte ſodann — wieder ganz zufällig — mit ſeinem Vater die coburgiſchen Verwandten in Liſſabon; zur ſelben Zeit unternahm Herzog Ernſt von Coburg — wieder zufällig — eine Reiſe nach Spanien. Dem Bürgerkönige war es doch nicht zu verargen, daß er, ohnehin keine gläubige Seele, an ſo viele coburgiſche Zufälle nicht recht glauben wollte und ſich nun auch ſeinerſeits aller Zuſagen entbunden hielt.
Die gehoffte bourboniſche Heirath ward aber durch die ſpaniſchen Parteihändel ſehr erſchwert. Seit dem Sturze der Carliſten war das Land in die beiden Heerlager der Progreſſiſten und der Moderados zer- theilt. Espartero, der Führer der Progreſſiſten, bekannte ſeine engliſche Geſinnung unverhohlen; er hatte die Garden aufgelöſt — was der Ober- präſident Schön ſeinem Freunde Boyen als leuchtendes Vorbild liberaler Geſinnungstüchtigkeit anpries — er hatte die Königin Mutter Marie Chriſtine perſönlich gedemüthigt, ſie der Regentſchaft beraubt und eine Zeit lang nach Frankreich vertrieben. Als Marie Chriſtine dann aus dem Exile heimkehrte, blieb ſie den Progreſſiſten feind und hielt ſich, wenn auch nicht unbedingt, zu der franzöſiſch geſinnten Partei, dem Ge- neral Narvaez und ſeinen Moderados. Unter den drei bourboniſchen Prinzen aber, welche allein auf die Hand Iſabella’s hoffen konnten, wurde der eine, ein neapolitaniſcher Bruder der Königin Mutter, bald als unmöglich aufgegeben. So blieben nur noch zwei ſpaniſche Infanten: der ältere, der beſchränkt bigotte Herzog Franz von Cadix war ein fa- natiſcher Moderado, der jüngere Bruder, Herzog Heinrich von Sevilla, hatte ſich ſehr tief in progreſſiſtiſche Umtriebe eingelaſſen und ſich durch ſeine radicale Frechheit mit beiden Königinnen gänzlich überworfen. Be- greiflich alſo, daß der Bürgerkönig den franzöſiſch geſinnten Moderado Franz begünſtigte.*)
So begann denn am Madrider Hofe ein wilder Parteikampf; die beiden Geſandten Breſſon und Bulwer, beide gleich hitzig und gleich zank- ſüchtig, befehdeten einander mit allen erdenklichen ſchlechten Künſten. Und nun ward plötzlich noch ein dritter Faden in dieſen verfitzten diploma- tiſchen Knäuel eingeflochten — durch Lord Palmerſton, der ſoeben in das Cabinet eingetreten war. Wenn der Lord ruhig rechnete, ſo mußte er die coburgiſche Candidatur unterſtützen, die für England doch vielleicht vortheilhaft werden konnte. Körperlich war der friſche, kräftige Coburger den beiden traurigen ſpaniſchen Infanten weit überlegen. Darum entſchloß ſich Marie Chriſtine in einem Anfall mütterlicher Zärtlichkeit, ihre fran- zöſiſchen Neigungen zu überwinden; ſie ſchrieb ſelbſt an den Herzog von
*) Die Erzählung des Herzogs Ernſt ſtimmt hier ganz überein mit einem offen- bar zuverläſſigen Berichte, welcher dem preußiſchen Auswärtigen Amte am 25. Nov. 1846 von einem Madrider Agenten erſtattet wurde.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 45
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Franzöſiſche und engliſche Heirathscandidaten.
irgendwie zerſchlagen, und arbeitete insgeheim für ſeinen Vetter. Im
Frühjahr 1846 erſchien der coburgiſche Freier Leopold — ganz zufällig
— am Londoner Hofe und beſuchte ſodann — wieder ganz zufällig —
mit ſeinem Vater die coburgiſchen Verwandten in Liſſabon; zur ſelben
Zeit unternahm Herzog Ernſt von Coburg — wieder zufällig — eine Reiſe
nach Spanien. Dem Bürgerkönige war es doch nicht zu verargen, daß
er, ohnehin keine gläubige Seele, an ſo viele coburgiſche Zufälle nicht recht
glauben wollte und ſich nun auch ſeinerſeits aller Zuſagen entbunden hielt.
Die gehoffte bourboniſche Heirath ward aber durch die ſpaniſchen
Parteihändel ſehr erſchwert. Seit dem Sturze der Carliſten war das
Land in die beiden Heerlager der Progreſſiſten und der Moderados zer-
theilt. Espartero, der Führer der Progreſſiſten, bekannte ſeine engliſche
Geſinnung unverhohlen; er hatte die Garden aufgelöſt — was der Ober-
präſident Schön ſeinem Freunde Boyen als leuchtendes Vorbild liberaler
Geſinnungstüchtigkeit anpries — er hatte die Königin Mutter Marie
Chriſtine perſönlich gedemüthigt, ſie der Regentſchaft beraubt und eine
Zeit lang nach Frankreich vertrieben. Als Marie Chriſtine dann aus
dem Exile heimkehrte, blieb ſie den Progreſſiſten feind und hielt ſich,
wenn auch nicht unbedingt, zu der franzöſiſch geſinnten Partei, dem Ge-
neral Narvaez und ſeinen Moderados. Unter den drei bourboniſchen
Prinzen aber, welche allein auf die Hand Iſabella’s hoffen konnten,
wurde der eine, ein neapolitaniſcher Bruder der Königin Mutter, bald
als unmöglich aufgegeben. So blieben nur noch zwei ſpaniſche Infanten:
der ältere, der beſchränkt bigotte Herzog Franz von Cadix war ein fa-
natiſcher Moderado, der jüngere Bruder, Herzog Heinrich von Sevilla,
hatte ſich ſehr tief in progreſſiſtiſche Umtriebe eingelaſſen und ſich durch
ſeine radicale Frechheit mit beiden Königinnen gänzlich überworfen. Be-
greiflich alſo, daß der Bürgerkönig den franzöſiſch geſinnten Moderado
Franz begünſtigte. *)
So begann denn am Madrider Hofe ein wilder Parteikampf; die
beiden Geſandten Breſſon und Bulwer, beide gleich hitzig und gleich zank-
ſüchtig, befehdeten einander mit allen erdenklichen ſchlechten Künſten. Und
nun ward plötzlich noch ein dritter Faden in dieſen verfitzten diploma-
tiſchen Knäuel eingeflochten — durch Lord Palmerſton, der ſoeben in das
Cabinet eingetreten war. Wenn der Lord ruhig rechnete, ſo mußte er
die coburgiſche Candidatur unterſtützen, die für England doch vielleicht
vortheilhaft werden konnte. Körperlich war der friſche, kräftige Coburger
den beiden traurigen ſpaniſchen Infanten weit überlegen. Darum entſchloß
ſich Marie Chriſtine in einem Anfall mütterlicher Zärtlichkeit, ihre fran-
zöſiſchen Neigungen zu überwinden; ſie ſchrieb ſelbſt an den Herzog von
*) Die Erzählung des Herzogs Ernſt ſtimmt hier ganz überein mit einem offen-
bar zuverläſſigen Berichte, welcher dem preußiſchen Auswärtigen Amte am 25. Nov. 1846
von einem Madrider Agenten erſtattet wurde.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 45
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/719>, abgerufen am 25.11.2024.
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