Treuer, Gottlieb Samuel: Die Unveränderliche Tugend Des weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herren Anthon Ulrichs, Hertzoges zu Braunschweig und Lüneburg. Helmstedt, [1714].wäre / wenn es nicht von denen Glorwürdigsten Thaten dieses Herren ausgebreitet würde / so könnte es der Hohe Mund einer Grossen Fürstin allein bestättigen / welche mitten in Franckreich an der Seite des Großen Ludewigs nicht auffhöret eine Mutter der Teutschen Nation zu seyn: Denn SIE ließ dieses grosse Wort von Ihm hören: Wenn Verdienste und Wünsche gelten sollten / so würde der Hertzog einer der Größten Monarchen seyn. Und gewiß / es wird fast kein Stück seyn / das zur Größe eines Printzen dienen kan / darinnen dieser Fürst nicht ein Merckmahl seiner Größe abgelegt. Seine Thaten weisen es aus, und ich solte hier billig den Anfang ihrer Erzehlung machen / wenn ich das Ende derselben absehen könte: ich solte von der zartesten Kindheit biß in die höheste Stuffe des menschlichen Alters zeigen / daß die Natur an Hertzog Anthon Ulrichen denen letztern Zeiten ein Wunder ihrer Vollkommenbeiten aufstellen wollen / wenn ich nicht merckte / daß ich ein Werck auf mir nähme / das meinen Kräfften zu schwer ist. Es sind hier keine bessere Redner / als die Thaten selbst / und keine grössere Zeugen / als so viele Länder / welche entweder lüstern wurden / unter der Regierung eines solchen Herren zu stehen, oder sich glücklich schätzten / wenn ihre Regenten dem unsrigen in einigen Stücken gleich waren. Es ist mir auch jetzo ohnmöglich / so vieles auf einmal zu begreiffen / da mein Geist mit der letztern That unsers Fürsten allein beschäfftiget ist, und so viel zu bewundern findet / daß er die erstaunten Gedancken nicht auf die verflossene Zeiten richten kan. Die unterthänigste Liebe zu meinem ehemahls Gnädigsten Herren reisset mich zu der Erwegung seines Abschiedes: denn sie kan die Stelle nicht verlassen / so ihr am schmertzhafftesten ist. Sie zittert / wenn nur die Gedancken dem Glantze der letztern Zeiten etwas nahe kommen / und sie befürchtet / das zu berühren / was so viele Thränen gekostet. Sie siehet das hohe Alter ihres erblaßten Fürsten / als einen schönen Abend an / bey dem die Sonne grösser / als sonst / schöner als am hellen Mittage aussiehet / aber sie hat nicht solche Krafft / sie eilet zum Untergange. Wir erschrecken nicht eher / als wenn wir hören / daß ein Großer Fürst gestorben und die Cedern eines Libanons gefallen. Wir fangen alsdenn erst an die unumschrenckte Gewalt des Todes zu betrachten / wenn sie deren nicht verschonet / die der Himmel uns als Götter zu halten befohlen. Bey Gemeinen Sterblichen deucht es uns kein wunder / wenn sie fort müssen / und da gedencken wir kaum daran / daß die Reihe an uns kommen werde / weil wir sie in dergleichen Personen schon so offt vorbey gehen sehen. Allein ein solcher tödtlicher Blitz / der in die Fürstlichen Palläste schlägt / trifft auch unser Hertz / und es scheinet uns alsdenn jede Sache zu einem Propheten zu werden / und ein Wort zuzuruffen / welches die über die Sterne erhobene Königin in Preußen zu denen Thränen der Umstehenden sagte: Es ist Zeit zu sterben! Wir werden alsdenn wehmühtig / unsere Schmertzen treten ins Gesicht / und preßen uns wegen unsers Abscheues über das befürchtete Verhängniß Thränen aus / die über der Leiche eines andern zu fließen scheinen / da sie doch nur aus Mitleyden gegen uns vergossen werden. Niemand faße die Meinung / daß wir unter dergleichen Gedancken unsern erblaßten Hertzog angesehen / und solche Thränen im Geist bey seinem wäre / wenn es nicht von denen Glorwürdigsten Thaten dieses Herren ausgebreitet würde / so könnte es der Hohe Mund einer Grossen Fürstin allein bestättigen / welche mitten in Franckreich an der Seite des Großen Ludewigs nicht auffhöret eine Mutter der Teutschen Nation zu seyn: Denn SIE ließ dieses grosse Wort von Ihm hören: Wenn Verdienste und Wünsche gelten sollten / so würde der Hertzog einer der Größten Monarchen seyn. Und gewiß / es wird fast kein Stück seyn / das zur Größe eines Printzen dienen kan / darinnen dieser Fürst nicht ein Merckmahl seiner Größe abgelegt. Seine Thaten weisen es aus, und ich solte hier billig den Anfang ihrer Erzehlung machen / wenn ich das Ende derselben absehen könte: ich solte von der zartesten Kindheit biß in die höheste Stuffe des menschlichen Alters zeigen / daß die Natur an Hertzog Anthon Ulrichen denen letztern Zeiten ein Wunder ihrer Vollkommenbeiten aufstellen wollen / wenn ich nicht merckte / daß ich ein Werck auf mir nähme / das meinen Kräfften zu schwer ist. Es sind hier keine bessere Redner / als die Thaten selbst / und keine grössere Zeugen / als so viele Länder / welche entweder lüstern wurden / unter der Regierung eines solchen Herren zu stehen, oder sich glücklich schätzten / wenn ihre Regenten dem unsrigen in einigen Stücken gleich waren. Es ist mir auch jetzo ohnmöglich / so vieles auf einmal zu begreiffen / da mein Geist mit der letztern That unsers Fürsten allein beschäfftiget ist, und so viel zu bewundern findet / daß er die erstaunten Gedancken nicht auf die verflossene Zeiten richten kan. Die unterthänigste Liebe zu meinem ehemahls Gnädigsten Herren reisset mich zu der Erwegung seines Abschiedes: denn sie kan die Stelle nicht verlassen / so ihr am schmertzhafftesten ist. Sie zittert / wenn nur die Gedancken dem Glantze der letztern Zeiten etwas nahe kommen / und sie befürchtet / das zu berühren / was so viele Thränen gekostet. Sie siehet das hohe Alter ihres erblaßten Fürsten / als einen schönen Abend an / bey dem die Sonne grösser / als sonst / schöner als am hellen Mittage aussiehet / aber sie hat nicht solche Krafft / sie eilet zum Untergange. Wir erschrecken nicht eher / als wenn wir hören / daß ein Großer Fürst gestorben und die Cedern eines Libanons gefallen. Wir fangen alsdenn erst an die unumschrenckte Gewalt des Todes zu betrachten / wenn sie deren nicht verschonet / die der Himmel uns als Götter zu halten befohlen. Bey Gemeinen Sterblichen deucht es uns kein wunder / wenn sie fort müssen / und da gedencken wir kaum daran / daß die Reihe an uns kommen werde / weil wir sie in dergleichen Personen schon so offt vorbey gehen sehen. Allein ein solcher tödtlicher Blitz / der in die Fürstlichen Palläste schlägt / trifft auch unser Hertz / und es scheinet uns alsdenn jede Sache zu einem Propheten zu werden / und ein Wort zuzuruffen / welches die über die Sterne erhobene Königin in Preußen zu denen Thränen der Umstehenden sagte: Es ist Zeit zu sterben! Wir werden alsdenn wehmühtig / unsere Schmertzen treten ins Gesicht / und preßen uns wegen unsers Abscheues über das befürchtete Verhängniß Thränen aus / die über der Leiche eines andern zu fließen scheinen / da sie doch nur aus Mitleyden gegen uns vergossen werden. Niemand faße die Meinung / daß wir unter dergleichen Gedancken unsern erblaßten Hertzog angesehen / und solche Thränen im Geist bey seinem <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0008" n="8"/> wäre / wenn es nicht von denen Glorwürdigsten Thaten dieses Herren ausgebreitet würde / so könnte es der Hohe Mund einer Grossen Fürstin allein bestättigen / welche mitten in Franckreich an der Seite des Großen Ludewigs nicht auffhöret eine Mutter der Teutschen Nation zu seyn: Denn SIE ließ dieses grosse Wort von Ihm hören: Wenn Verdienste und Wünsche gelten sollten / so würde der Hertzog einer der Größten Monarchen seyn.</p> <p>Und gewiß / es wird fast kein Stück seyn / das zur Größe eines Printzen dienen kan / darinnen dieser Fürst nicht ein Merckmahl seiner Größe abgelegt. Seine Thaten weisen es aus, und ich solte hier billig den Anfang ihrer Erzehlung machen / wenn ich das Ende derselben absehen könte: ich solte von der zartesten Kindheit biß in die höheste Stuffe des menschlichen Alters zeigen / daß die Natur an Hertzog Anthon Ulrichen denen letztern Zeiten ein Wunder ihrer Vollkommenbeiten aufstellen wollen / wenn ich nicht merckte / daß ich ein Werck auf mir nähme / das meinen Kräfften zu schwer ist. Es sind hier keine bessere Redner / als die Thaten selbst / und keine grössere Zeugen / als so viele Länder / welche entweder lüstern wurden / unter der Regierung eines solchen Herren zu stehen, oder sich glücklich schätzten / wenn ihre Regenten dem unsrigen in einigen Stücken gleich waren. Es ist mir auch jetzo ohnmöglich / so vieles auf einmal zu begreiffen / da mein Geist mit der letztern That unsers Fürsten allein beschäfftiget ist, und so viel zu bewundern findet / daß er die erstaunten Gedancken nicht auf die verflossene Zeiten richten kan.</p> <p>Die unterthänigste Liebe zu meinem ehemahls Gnädigsten Herren reisset mich zu der Erwegung seines Abschiedes: denn sie kan die Stelle nicht verlassen / so ihr am schmertzhafftesten ist. Sie zittert / wenn nur die Gedancken dem Glantze der letztern Zeiten etwas nahe kommen / und sie befürchtet / das zu berühren / was so viele Thränen gekostet. Sie siehet das hohe Alter ihres erblaßten Fürsten / als einen schönen Abend an / bey dem die Sonne grösser / als sonst / schöner als am hellen Mittage aussiehet / aber sie hat nicht solche Krafft / sie eilet zum Untergange.</p> <p>Wir erschrecken nicht eher / als wenn wir hören / daß ein Großer Fürst gestorben und die Cedern eines Libanons gefallen. Wir fangen alsdenn erst an die unumschrenckte Gewalt des Todes zu betrachten / wenn sie deren nicht verschonet / die der Himmel uns als Götter zu halten befohlen. Bey Gemeinen Sterblichen deucht es uns kein wunder / wenn sie fort müssen / und da gedencken wir kaum daran / daß die Reihe an uns kommen werde / weil wir sie in dergleichen Personen schon so offt vorbey gehen sehen. Allein ein solcher tödtlicher Blitz / der in die Fürstlichen Palläste schlägt / trifft auch unser Hertz / und es scheinet uns alsdenn jede Sache zu einem Propheten zu werden / und ein Wort zuzuruffen / welches die über die Sterne erhobene Königin in Preußen zu denen Thränen der Umstehenden sagte: Es ist Zeit zu sterben! Wir werden alsdenn wehmühtig / unsere Schmertzen treten ins Gesicht / und preßen uns wegen unsers Abscheues über das befürchtete Verhängniß Thränen aus / die über der Leiche eines andern zu fließen scheinen / da sie doch nur aus Mitleyden gegen uns vergossen werden.</p> <p>Niemand faße die Meinung / daß wir unter dergleichen Gedancken unsern erblaßten Hertzog angesehen / und solche Thränen im Geist bey seinem </p> </body> </text> </TEI> [8/0008]
wäre / wenn es nicht von denen Glorwürdigsten Thaten dieses Herren ausgebreitet würde / so könnte es der Hohe Mund einer Grossen Fürstin allein bestättigen / welche mitten in Franckreich an der Seite des Großen Ludewigs nicht auffhöret eine Mutter der Teutschen Nation zu seyn: Denn SIE ließ dieses grosse Wort von Ihm hören: Wenn Verdienste und Wünsche gelten sollten / so würde der Hertzog einer der Größten Monarchen seyn.
Und gewiß / es wird fast kein Stück seyn / das zur Größe eines Printzen dienen kan / darinnen dieser Fürst nicht ein Merckmahl seiner Größe abgelegt. Seine Thaten weisen es aus, und ich solte hier billig den Anfang ihrer Erzehlung machen / wenn ich das Ende derselben absehen könte: ich solte von der zartesten Kindheit biß in die höheste Stuffe des menschlichen Alters zeigen / daß die Natur an Hertzog Anthon Ulrichen denen letztern Zeiten ein Wunder ihrer Vollkommenbeiten aufstellen wollen / wenn ich nicht merckte / daß ich ein Werck auf mir nähme / das meinen Kräfften zu schwer ist. Es sind hier keine bessere Redner / als die Thaten selbst / und keine grössere Zeugen / als so viele Länder / welche entweder lüstern wurden / unter der Regierung eines solchen Herren zu stehen, oder sich glücklich schätzten / wenn ihre Regenten dem unsrigen in einigen Stücken gleich waren. Es ist mir auch jetzo ohnmöglich / so vieles auf einmal zu begreiffen / da mein Geist mit der letztern That unsers Fürsten allein beschäfftiget ist, und so viel zu bewundern findet / daß er die erstaunten Gedancken nicht auf die verflossene Zeiten richten kan.
Die unterthänigste Liebe zu meinem ehemahls Gnädigsten Herren reisset mich zu der Erwegung seines Abschiedes: denn sie kan die Stelle nicht verlassen / so ihr am schmertzhafftesten ist. Sie zittert / wenn nur die Gedancken dem Glantze der letztern Zeiten etwas nahe kommen / und sie befürchtet / das zu berühren / was so viele Thränen gekostet. Sie siehet das hohe Alter ihres erblaßten Fürsten / als einen schönen Abend an / bey dem die Sonne grösser / als sonst / schöner als am hellen Mittage aussiehet / aber sie hat nicht solche Krafft / sie eilet zum Untergange.
Wir erschrecken nicht eher / als wenn wir hören / daß ein Großer Fürst gestorben und die Cedern eines Libanons gefallen. Wir fangen alsdenn erst an die unumschrenckte Gewalt des Todes zu betrachten / wenn sie deren nicht verschonet / die der Himmel uns als Götter zu halten befohlen. Bey Gemeinen Sterblichen deucht es uns kein wunder / wenn sie fort müssen / und da gedencken wir kaum daran / daß die Reihe an uns kommen werde / weil wir sie in dergleichen Personen schon so offt vorbey gehen sehen. Allein ein solcher tödtlicher Blitz / der in die Fürstlichen Palläste schlägt / trifft auch unser Hertz / und es scheinet uns alsdenn jede Sache zu einem Propheten zu werden / und ein Wort zuzuruffen / welches die über die Sterne erhobene Königin in Preußen zu denen Thränen der Umstehenden sagte: Es ist Zeit zu sterben! Wir werden alsdenn wehmühtig / unsere Schmertzen treten ins Gesicht / und preßen uns wegen unsers Abscheues über das befürchtete Verhängniß Thränen aus / die über der Leiche eines andern zu fließen scheinen / da sie doch nur aus Mitleyden gegen uns vergossen werden.
Niemand faße die Meinung / daß wir unter dergleichen Gedancken unsern erblaßten Hertzog angesehen / und solche Thränen im Geist bey seinem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss. Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |