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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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unser Erkenntnissvermögen nicht überschreiten
kann, und uns nicht mit Hoffnungen schmeichelt,
um uns früh oder spät desto empfindlicher zu
täuschen.

Wäre eine Beantwortung der obigen Frage
a priori möglich, so würde sich eine von den fol-
genden drey Voraussetzungen müssen deduciren
lassen.

1) Lebenskraft ist nur da, wo lebens-
fähige Materie ist;
die letztere ist ein Pro-
dukt von Kräften der leblosen Natur; sobald
sie gebildet ist, verbindet sich mit ihr Lebens-
kraft, und diese Verbindung weckt die Lebens-
kraft aus ihrem Schlummer.
2) Lebensfähige Materie ist nur da, wo
Lebenskraft ist;
jene ist ein Produkt von
dieser, und keine Kräfte der leblosen Natur
vermögen lebensfähige Materie hervorzubringen.
3) Lebensfähige Materie und Lebens-
kraft sind wechselseitig durch einan-
der.
Von Anbeginn des allgemeinen Organis-
mus umschlang beyde ein unauflösliches Band.
Lebenskraft war nie ohne lebensfähige Materie,
und diese nie ohne jene.

Wir werden aus jeder dieser Voraussetzungen
die Folgerungen entwickeln, die sich aus ihnen
herleiten lassen, und so uns die Aufgaben verschaf-

fen,

unser Erkenntniſsvermögen nicht überschreiten
kann, und uns nicht mit Hoffnungen schmeichelt,
um uns früh oder spät desto empfindlicher zu
täuschen.

Wäre eine Beantwortung der obigen Frage
a priori möglich, so würde sich eine von den fol-
genden drey Voraussetzungen müssen deduciren
lassen.

1) Lebenskraft ist nur da, wo lebens-
fähige Materie ist;
die letztere ist ein Pro-
dukt von Kräften der leblosen Natur; sobald
sie gebildet ist, verbindet sich mit ihr Lebens-
kraft, und diese Verbindung weckt die Lebens-
kraft aus ihrem Schlummer.
2) Lebensfähige Materie ist nur da, wo
Lebenskraft ist;
jene ist ein Produkt von
dieser, und keine Kräfte der leblosen Natur
vermögen lebensfähige Materie hervorzubringen.
3) Lebensfähige Materie und Lebens-
kraft sind wechselseitig durch einan-
der.
Von Anbeginn des allgemeinen Organis-
mus umschlang beyde ein unauflösliches Band.
Lebenskraft war nie ohne lebensfähige Materie,
und diese nie ohne jene.

Wir werden aus jeder dieser Voraussetzungen
die Folgerungen entwickeln, die sich aus ihnen
herleiten lassen, und so uns die Aufgaben verschaf-

fen,
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[82/0102] unser Erkenntniſsvermögen nicht überschreiten kann, und uns nicht mit Hoffnungen schmeichelt, um uns früh oder spät desto empfindlicher zu täuschen. Wäre eine Beantwortung der obigen Frage a priori möglich, so würde sich eine von den fol- genden drey Voraussetzungen müssen deduciren lassen. 1) Lebenskraft ist nur da, wo lebens- fähige Materie ist; die letztere ist ein Pro- dukt von Kräften der leblosen Natur; sobald sie gebildet ist, verbindet sich mit ihr Lebens- kraft, und diese Verbindung weckt die Lebens- kraft aus ihrem Schlummer. 2) Lebensfähige Materie ist nur da, wo Lebenskraft ist; jene ist ein Produkt von dieser, und keine Kräfte der leblosen Natur vermögen lebensfähige Materie hervorzubringen. 3) Lebensfähige Materie und Lebens- kraft sind wechselseitig durch einan- der. Von Anbeginn des allgemeinen Organis- mus umschlang beyde ein unauflösliches Band. Lebenskraft war nie ohne lebensfähige Materie, und diese nie ohne jene. Wir werden aus jeder dieser Voraussetzungen die Folgerungen entwickeln, die sich aus ihnen herleiten lassen, und so uns die Aufgaben verschaf- fen,

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/102>, abgerufen am 11.12.2024.