wegfallen. Erstens nehmlich sind in allen Organen die verschiedenen Grundtheile so innig mit einan- der verbunden, dass in den meisten keine Abson- derung der letztern möglich ist. Das Hirn- und Nervenmark ist allenthalben mit Zellgewebe und Gefässen, der Muskel mit Zellgewebe, Gefässen, Nerven und Fett, und das Zellgewebe mit Gefässen und Fett durchwebt und umgeben. Bey Versuchen über das Hirn- und Nervenmark wird es also in den meisten Fällen ungewiss seyn, ob die Resulta- te derselben ihnen, und nicht vielmehr dem Zell- gewebe und den Gefässen, die man in ihnen an- trifft, zugeschrieben werden müssen. Dieselbe Bewandniss wird es mit Versuchen an den Muskeln und am Zellgewebe haben. Hier müssen wir also zu Schlüssen unsere Zuflucht nehmen, die uns aber meist nur Wahrscheinlichkeit, selten Gewiss- heit verschaffen können. Eine zweyte Schwürig- keit bey diesen Untersuchungen macht der Um- stand, dass wir von manchen Organen die Grund- theile noch nicht kennen. Wir wissen z. B. nicht mit Gewissheit, ob der Uterus und die Iris aus Zellgewebe oder Muskelfasern bestehen. Ja, bey einer grossen Anzahl lebender Organismen reichen nicht einmal unsere Sinne hin, um hierüber zu entscheiden. Wer z. B. vermag zu bestimmen, ob der Körper des zarten Polypen aus Muskelfasern, oder aus Zellgewebe zusammengesetzt ist?
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wegfallen. Erstens nehmlich sind in allen Organen die verschiedenen Grundtheile so innig mit einan- der verbunden, daſs in den meisten keine Abson- derung der letztern möglich ist. Das Hirn- und Nervenmark ist allenthalben mit Zellgewebe und Gefäſsen, der Muskel mit Zellgewebe, Gefäſsen, Nerven und Fett, und das Zellgewebe mit Gefäſsen und Fett durchwebt und umgeben. Bey Versuchen über das Hirn- und Nervenmark wird es also in den meisten Fällen ungewiſs seyn, ob die Resulta- te derselben ihnen, und nicht vielmehr dem Zell- gewebe und den Gefäſsen, die man in ihnen an- trifft, zugeschrieben werden müssen. Dieselbe Bewandniſs wird es mit Versuchen an den Muskeln und am Zellgewebe haben. Hier müssen wir also zu Schlüssen unsere Zuflucht nehmen, die uns aber meist nur Wahrscheinlichkeit, selten Gewiſs- heit verschaffen können. Eine zweyte Schwürig- keit bey diesen Untersuchungen macht der Um- stand, daſs wir von manchen Organen die Grund- theile noch nicht kennen. Wir wissen z. B. nicht mit Gewiſsheit, ob der Uterus und die Iris aus Zellgewebe oder Muskelfasern bestehen. Ja, bey einer groſsen Anzahl lebender Organismen reichen nicht einmal unsere Sinne hin, um hierüber zu entscheiden. Wer z. B. vermag zu bestimmen, ob der Körper des zarten Polypen aus Muskelfasern, oder aus Zellgewebe zusammengesetzt ist?
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wegfallen. Erstens nehmlich sind in allen Organen
die verschiedenen Grundtheile so innig mit einan-
der verbunden, daſs in den meisten keine Abson-
derung der letztern möglich ist. Das Hirn- und
Nervenmark ist allenthalben mit Zellgewebe und
Gefäſsen, der Muskel mit Zellgewebe, Gefäſsen,
Nerven und Fett, und das Zellgewebe mit Gefäſsen
und Fett durchwebt und umgeben. Bey Versuchen
über das Hirn- und Nervenmark wird es also in
den meisten Fällen ungewiſs seyn, ob die Resulta-
te derselben ihnen, und nicht vielmehr dem Zell-
gewebe und den Gefäſsen, die man in ihnen an-
trifft, zugeschrieben werden müssen. Dieselbe
Bewandniſs wird es mit Versuchen an den Muskeln
und am Zellgewebe haben. Hier müssen wir also
zu Schlüssen unsere Zuflucht nehmen, die uns
aber meist nur Wahrscheinlichkeit, selten Gewiſs-
heit verschaffen können. Eine zweyte Schwürig-
keit bey diesen Untersuchungen macht der Um-
stand, daſs wir von manchen Organen die Grund-
theile noch nicht kennen. Wir wissen z. B. nicht
mit Gewiſsheit, ob der Uterus und die Iris aus
Zellgewebe oder Muskelfasern bestehen. Ja, bey
einer groſsen Anzahl lebender Organismen reichen
nicht einmal unsere Sinne hin, um hierüber zu
entscheiden. Wer z. B. vermag zu bestimmen, ob
der Körper des zarten Polypen aus Muskelfasern,
oder aus Zellgewebe zusammengesetzt ist?
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/132>, abgerufen am 04.12.2024.
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