Philosophie der Natur, ist also der einzige, den wir gehen dürfen, wenn sich die Biologie, und mit ihr andere der wichtigsten Fächer des mensch- lichen Wissens ihrer Vollendung nähern sollen. Er ist dornicht, und von unabsehbarer Länge. Aber mögen wir das Ende desselben erreichen, oder nicht; schon unsere Bemühungen, zu diesem Ziele zu gelangen, werden belohnend genug seyn. "Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein "Mensch ist, oder zu seyn vermeinet, sondern die "aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter "die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des "Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern "durch die Nachforschung der Wahrheit vermeh- "ren sich seine Kräfte, worin allein seine immer "wachsende Vollkommenheit besteht. Der Besitz "macht ruhig, träge, stolz -- Wenn Gott in seiner "Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den "einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, ob- "schon mit dem Zusatze, mich immer und ewig "zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu "mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demuth in seine "Linke, und sagte: Vater gieb! Die reine Wahr- "heit ist ja doch nur für dich allein". -- So sprach ein Weiser, und dieser Wahlspruch sey auch der unsrige.
Fünf-
Philosophie der Natur, ist also der einzige, den wir gehen dürfen, wenn sich die Biologie, und mit ihr andere der wichtigsten Fächer des mensch- lichen Wissens ihrer Vollendung nähern sollen. Er ist dornicht, und von unabsehbarer Länge. Aber mögen wir das Ende desselben erreichen, oder nicht; schon unsere Bemühungen, zu diesem Ziele zu gelangen, werden belohnend genug seyn. “Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein „Mensch ist, oder zu seyn vermeinet, sondern die „aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter „die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des „Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern „durch die Nachforschung der Wahrheit vermeh- „ren sich seine Kräfte, worin allein seine immer „wachsende Vollkommenheit besteht. Der Besitz „macht ruhig, träge, stolz — Wenn Gott in seiner „Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den „einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, ob- „schon mit dem Zusatze, mich immer und ewig „zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu „mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demuth in seine „Linke, und sagte: Vater gieb! Die reine Wahr- „heit ist ja doch nur für dich allein”. — So sprach ein Weiser, und dieser Wahlspruch sey auch der unsrige.
Fünf-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0138"n="118"/>
Philosophie der Natur, ist also der einzige, den<lb/>
wir gehen dürfen, wenn sich die Biologie, und<lb/>
mit ihr andere der wichtigsten Fächer des mensch-<lb/>
lichen Wissens ihrer Vollendung nähern sollen.<lb/>
Er ist dornicht, und von unabsehbarer Länge.<lb/>
Aber mögen wir das Ende desselben erreichen,<lb/>
oder nicht; schon unsere Bemühungen, zu diesem<lb/>
Ziele zu gelangen, werden belohnend genug seyn.<lb/>“Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein<lb/>„Mensch ist, oder zu seyn vermeinet, sondern die<lb/>„aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter<lb/>„die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des<lb/>„Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern<lb/>„durch die Nachforschung der Wahrheit vermeh-<lb/>„ren sich seine Kräfte, worin allein seine immer<lb/>„wachsende Vollkommenheit besteht. Der Besitz<lb/>„macht ruhig, träge, stolz — Wenn Gott in seiner<lb/>„Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den<lb/>„einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, ob-<lb/>„schon mit dem Zusatze, mich immer und ewig<lb/>„zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu<lb/>„mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demuth in seine<lb/>„Linke, und sagte: Vater gieb! Die reine Wahr-<lb/>„heit ist ja doch nur für dich allein”. — So sprach<lb/>
ein Weiser, und dieser Wahlspruch sey auch der<lb/>
unsrige.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Fünf-</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[118/0138]
Philosophie der Natur, ist also der einzige, den
wir gehen dürfen, wenn sich die Biologie, und
mit ihr andere der wichtigsten Fächer des mensch-
lichen Wissens ihrer Vollendung nähern sollen.
Er ist dornicht, und von unabsehbarer Länge.
Aber mögen wir das Ende desselben erreichen,
oder nicht; schon unsere Bemühungen, zu diesem
Ziele zu gelangen, werden belohnend genug seyn.
“Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein
„Mensch ist, oder zu seyn vermeinet, sondern die
„aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter
„die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des
„Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern
„durch die Nachforschung der Wahrheit vermeh-
„ren sich seine Kräfte, worin allein seine immer
„wachsende Vollkommenheit besteht. Der Besitz
„macht ruhig, träge, stolz — Wenn Gott in seiner
„Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den
„einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, ob-
„schon mit dem Zusatze, mich immer und ewig
„zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu
„mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demuth in seine
„Linke, und sagte: Vater gieb! Die reine Wahr-
„heit ist ja doch nur für dich allein”. — So sprach
ein Weiser, und dieser Wahlspruch sey auch der
unsrige.
Fünf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/138>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.