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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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So sprechen alle jene Aerzte, die sich vorzugs-
weise rationelle Empiriker nennen, und es lässt
sich ihnen nichts entgegensetzen, wenn ihre Kunst,
wie sie behaupten, wirklich auf reiner Erfahrung
beruhet -- Lasst uns unpartheyisch untersuchen,
was an dieser Behauptung Wahres ist!

Es giebt zwey Wege für den praktischen Arzt,
den der Empirie, und den des Dogmatismus.

Medicinische Empirie nenne ich die Kunst, ei-
nen gegenwärtigen individuellen Fall einem andern,
zuvor beobachteten, in welchem gewisse Arzneyen
die Gesundheit wieder herstellten, anzupassen.

Ihre Theorie besteht in einer Sammlung getreu-
er Beobachtungen über die Wirkungen der Arzney-
mittel in den verschiedenen Krankheiten, und in
einer genauen Bestimmung der Kennzeichen dieser
Krankheiten.

Mit völliger Gewissheit kann der Empiriker
nur dann die Wirkung, welche ein gewisses Arz-
neymittel hervorbringen wird, vorherwissen, wenn
der gegenwärtige Fall mit dem schon sonst beobach-
teten in allen Stücken übereinstimmt. Sobald diese
Uebereinstimmung nicht statt findet, muss er über
den Erfolg seiner Bemühungen mehr oder weniger
in Ungewissheit seyn. Hier giebt es für ihn nur
zwey Auswege:

1) Der
Prax. med. L. I. C. XI. L. II. C. II), und De Haen
(L. c. T. XII. C. IV).

So sprechen alle jene Aerzte, die sich vorzugs-
weise rationelle Empiriker nennen, und es läſst
sich ihnen nichts entgegensetzen, wenn ihre Kunst,
wie sie behaupten, wirklich auf reiner Erfahrung
beruhet — Laſst uns unpartheyisch untersuchen,
was an dieser Behauptung Wahres ist!

Es giebt zwey Wege für den praktischen Arzt,
den der Empirie, und den des Dogmatismus.

Medicinische Empirie nenne ich die Kunst, ei-
nen gegenwärtigen individuellen Fall einem andern,
zuvor beobachteten, in welchem gewisse Arzneyen
die Gesundheit wieder herstellten, anzupassen.

Ihre Theorie besteht in einer Sammlung getreu-
er Beobachtungen über die Wirkungen der Arzney-
mittel in den verschiedenen Krankheiten, und in
einer genauen Bestimmung der Kennzeichen dieser
Krankheiten.

Mit völliger Gewiſsheit kann der Empiriker
nur dann die Wirkung, welche ein gewisses Arz-
neymittel hervorbringen wird, vorherwissen, wenn
der gegenwärtige Fall mit dem schon sonst beobach-
teten in allen Stücken übereinstimmt. Sobald diese
Uebereinstimmung nicht statt findet, muſs er über
den Erfolg seiner Bemühungen mehr oder weniger
in Ungewiſsheit seyn. Hier giebt es für ihn nur
zwey Auswege:

1) Der
Prax. med. L. I. C. XI. L. II. C. II), und De Haen
(L. c. T. XII. C. IV).
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[122/0142] So sprechen alle jene Aerzte, die sich vorzugs- weise rationelle Empiriker nennen, und es läſst sich ihnen nichts entgegensetzen, wenn ihre Kunst, wie sie behaupten, wirklich auf reiner Erfahrung beruhet — Laſst uns unpartheyisch untersuchen, was an dieser Behauptung Wahres ist! Es giebt zwey Wege für den praktischen Arzt, den der Empirie, und den des Dogmatismus. Medicinische Empirie nenne ich die Kunst, ei- nen gegenwärtigen individuellen Fall einem andern, zuvor beobachteten, in welchem gewisse Arzneyen die Gesundheit wieder herstellten, anzupassen. Ihre Theorie besteht in einer Sammlung getreu- er Beobachtungen über die Wirkungen der Arzney- mittel in den verschiedenen Krankheiten, und in einer genauen Bestimmung der Kennzeichen dieser Krankheiten. Mit völliger Gewiſsheit kann der Empiriker nur dann die Wirkung, welche ein gewisses Arz- neymittel hervorbringen wird, vorherwissen, wenn der gegenwärtige Fall mit dem schon sonst beobach- teten in allen Stücken übereinstimmt. Sobald diese Uebereinstimmung nicht statt findet, muſs er über den Erfolg seiner Bemühungen mehr oder weniger in Ungewiſsheit seyn. Hier giebt es für ihn nur zwey Auswege: 1) Der (e) (e) Prax. med. L. I. C. XI. L. II. C. II), und De Haen (L. c. T. XII. C. IV).

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/142>, abgerufen am 10.05.2024.