"zu den Bestimmungsgründen der Materie, als "Materie. Also ist alle Materie als solche leblos". Man sieht, dass diese Erklärung einerley mit der oben erwähnten Jakobschen, und also denselben Einwürfen ausgesetzt ist, die wir gegen die letz- tere gemacht haben. Blos von uns selber können wir mit völliger Gewissheit behaupten, dass wir uns aus einem innern Princip zum Handeln bestim- men, nicht aber von irgend einem andern, ausser uns befindlichen Wesen. Nun ist jedes Thier und jede Pflanze den Einwirkungen unserer Willkühr, also zufälligen und veränderlichen Einflüssen aus- gesetzt, und doch lehrt die Erfahrung, dass, trotz der Veränderlichkeit dieser Einwirkungen, jene Körper in der ihnen eigenen Thätigkeit unverändert beharren. Der Stempel der Eigenthümlichkeit ist also jenen Körpern zu tief eingedrückt, als dass sie sich der leblosen Natur beygesellen liessen. Wir müssten sie folglich mit einem neuen Namen bele- gen, und als Mittelglieder zwischen uns, dem ein- zigen Wesen im Universum, das wir lebend nen- nen dürften, und der leblosen Natur ansehen. Und was wäre hiermit gewonnen? Die Naturlehre wür- de sicher nicht dabey gewinnen, und der schlichte Menschenverstand sich dagegen empören.
Nicht weniger unrichtig erklärt Schmid(q) das Leben, als die Wirksamkeit der Materie
nach
(q) Physiologie B. 2. S. 274 u. 371.
„zu den Bestimmungsgründen der Materie, als „Materie. Also ist alle Materie als solche leblos”. Man sieht, daſs diese Erklärung einerley mit der oben erwähnten Jakobschen, und also denselben Einwürfen ausgesetzt ist, die wir gegen die letz- tere gemacht haben. Blos von uns selber können wir mit völliger Gewiſsheit behaupten, daſs wir uns aus einem innern Princip zum Handeln bestim- men, nicht aber von irgend einem andern, ausser uns befindlichen Wesen. Nun ist jedes Thier und jede Pflanze den Einwirkungen unserer Willkühr, also zufälligen und veränderlichen Einflüssen aus- gesetzt, und doch lehrt die Erfahrung, daſs, trotz der Veränderlichkeit dieser Einwirkungen, jene Körper in der ihnen eigenen Thätigkeit unverändert beharren. Der Stempel der Eigenthümlichkeit ist also jenen Körpern zu tief eingedrückt, als daſs sie sich der leblosen Natur beygesellen lieſsen. Wir müſsten sie folglich mit einem neuen Namen bele- gen, und als Mittelglieder zwischen uns, dem ein- zigen Wesen im Universum, das wir lebend nen- nen dürften, und der leblosen Natur ansehen. Und was wäre hiermit gewonnen? Die Naturlehre wür- de sicher nicht dabey gewinnen, und der schlichte Menschenverstand sich dagegen empören.
Nicht weniger unrichtig erklärt Schmid(q) das Leben, als die Wirksamkeit der Materie
nach
(q) Physiologie B. 2. S. 274 u. 371.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0060"n="40"/>„zu den Bestimmungsgründen der Materie, als<lb/>„Materie. Also ist alle Materie als solche leblos”.<lb/>
Man sieht, daſs diese Erklärung einerley mit der<lb/>
oben erwähnten <hirendition="#k">Jakob</hi>schen, und also denselben<lb/>
Einwürfen ausgesetzt ist, die wir gegen die letz-<lb/>
tere gemacht haben. Blos von uns selber können<lb/>
wir mit völliger Gewiſsheit behaupten, daſs wir<lb/>
uns aus einem innern Princip zum Handeln bestim-<lb/>
men, nicht aber von irgend einem andern, ausser<lb/>
uns befindlichen Wesen. Nun ist jedes Thier und<lb/>
jede Pflanze den Einwirkungen unserer Willkühr,<lb/>
also zufälligen und veränderlichen Einflüssen aus-<lb/>
gesetzt, und doch lehrt die Erfahrung, daſs, trotz<lb/>
der Veränderlichkeit dieser Einwirkungen, jene<lb/>
Körper in der ihnen eigenen Thätigkeit unverändert<lb/>
beharren. Der Stempel der Eigenthümlichkeit ist<lb/>
also jenen Körpern zu tief eingedrückt, als daſs<lb/>
sie sich der leblosen Natur beygesellen lieſsen. Wir<lb/>
müſsten sie folglich mit einem neuen Namen bele-<lb/>
gen, und als Mittelglieder zwischen uns, dem ein-<lb/>
zigen Wesen im Universum, das wir lebend nen-<lb/>
nen dürften, und der leblosen Natur ansehen. Und<lb/>
was wäre hiermit gewonnen? Die Naturlehre wür-<lb/>
de sicher nicht dabey gewinnen, und der schlichte<lb/>
Menschenverstand sich dagegen empören.</p><lb/><p>Nicht weniger unrichtig erklärt <hirendition="#k">Schmid</hi><noteplace="foot"n="(q)">Physiologie B. 2. S. 274 u. 371.</note> das<lb/>
Leben, als <hirendition="#g">die Wirksamkeit der Materie</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#g">nach</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[40/0060]
„zu den Bestimmungsgründen der Materie, als
„Materie. Also ist alle Materie als solche leblos”.
Man sieht, daſs diese Erklärung einerley mit der
oben erwähnten Jakobschen, und also denselben
Einwürfen ausgesetzt ist, die wir gegen die letz-
tere gemacht haben. Blos von uns selber können
wir mit völliger Gewiſsheit behaupten, daſs wir
uns aus einem innern Princip zum Handeln bestim-
men, nicht aber von irgend einem andern, ausser
uns befindlichen Wesen. Nun ist jedes Thier und
jede Pflanze den Einwirkungen unserer Willkühr,
also zufälligen und veränderlichen Einflüssen aus-
gesetzt, und doch lehrt die Erfahrung, daſs, trotz
der Veränderlichkeit dieser Einwirkungen, jene
Körper in der ihnen eigenen Thätigkeit unverändert
beharren. Der Stempel der Eigenthümlichkeit ist
also jenen Körpern zu tief eingedrückt, als daſs
sie sich der leblosen Natur beygesellen lieſsen. Wir
müſsten sie folglich mit einem neuen Namen bele-
gen, und als Mittelglieder zwischen uns, dem ein-
zigen Wesen im Universum, das wir lebend nen-
nen dürften, und der leblosen Natur ansehen. Und
was wäre hiermit gewonnen? Die Naturlehre wür-
de sicher nicht dabey gewinnen, und der schlichte
Menschenverstand sich dagegen empören.
Nicht weniger unrichtig erklärt Schmid (q) das
Leben, als die Wirksamkeit der Materie
nach
(q) Physiologie B. 2. S. 274 u. 371.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/60>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.