Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

ben. Wäre diese Meinung gegründet, warum
hätte dann das nordwestliche Europa weit mehr
mit dem nordwestlichen, als dem nordöstlichen
Amerika an Pflanzen gemein (r)? An jedem
Orte der Erde, wo die bildenden Kräfte der Na-
tur wirken konnten, haben diese Autochtonen
hervorgebracht, lebende Körper,

-- -- -- qui rupto robore nati,
Compositive luto, nullos habuere parentes.

Da, wo ein gleiches Clima, eine gleiche Mi-
schung des Bodens, des Wassers und der Ath-
mosphäre, und eine ähnliche geographische Lage
statt fand, waren auch diese Autochtonen sich
gleich, und die Arten, die sich aus ihnen ent-
wickelten, blieben sich ebenfalls gleich, so lange
sich die Einwirkungen, denen sie ausgesetzt wa-
ren, nicht veränderten. Welche Thiere und
Pflanzen eines Landes Nachkommen solcher Au-
tochtonen sind, und welche von eingewanderten
Fremdlingen herstammen, lässt sich indess schwer-
lich bestimmen.

Aber wie sind die mannichfaltigen Formen der
lebenden Natur entstanden? Waren sie alle un-
mittelbare Geburten der Erde (gegeneis)? Gin-
gen sie, gleich der Aphrodite des Fabellandes,
aus dem Schaume des Meers hervor? Oder wur-
den blos die einfachern Zoophyten auf diese

Wei-
(r) Biol. Bd. 2. S. 93. 501.

ben. Wäre diese Meinung gegründet, warum
hätte dann das nordwestliche Europa weit mehr
mit dem nordwestlichen, als dem nordöstlichen
Amerika an Pflanzen gemein (r)? An jedem
Orte der Erde, wo die bildenden Kräfte der Na-
tur wirken konnten, haben diese Autochtonen
hervorgebracht, lebende Körper,

— — — qui rupto robore nati,
Compositive luto, nullos habuere parentes.

Da, wo ein gleiches Clima, eine gleiche Mi-
schung des Bodens, des Wassers und der Ath-
mosphäre, und eine ähnliche geographische Lage
statt fand, waren auch diese Autochtonen sich
gleich, und die Arten, die sich aus ihnen ent-
wickelten, blieben sich ebenfalls gleich, so lange
sich die Einwirkungen, denen sie ausgesetzt wa-
ren, nicht veränderten. Welche Thiere und
Pflanzen eines Landes Nachkommen solcher Au-
tochtonen sind, und welche von eingewanderten
Fremdlingen herstammen, läſst sich indeſs schwer-
lich bestimmen.

Aber wie sind die mannichfaltigen Formen der
lebenden Natur entstanden? Waren sie alle un-
mittelbare Geburten der Erde (γηγενεῖς)? Gin-
gen sie, gleich der Aphrodite des Fabellandes,
aus dem Schaume des Meers hervor? Oder wur-
den blos die einfachern Zoophyten auf diese

Wei-
(r) Biol. Bd. 2. S. 93. 501.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0234" n="224"/>
ben. Wäre diese Meinung gegründet, warum<lb/>
hätte dann das nordwestliche Europa weit mehr<lb/>
mit dem nordwestlichen, als dem nordöstlichen<lb/>
Amerika an Pflanzen gemein <note place="foot" n="(r)">Biol. Bd. 2. S. 93. 501.</note>? An jedem<lb/>
Orte der Erde, wo die bildenden Kräfte der Na-<lb/>
tur wirken konnten, haben diese Autochtonen<lb/>
hervorgebracht, lebende Körper,</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014; qui rupto robore nati,</l><lb/>
              <l>Compositive luto, nullos habuere parentes.</l>
            </lg><lb/>
            <p>Da, wo ein gleiches Clima, eine gleiche Mi-<lb/>
schung des Bodens, des Wassers und der Ath-<lb/>
mosphäre, und eine ähnliche geographische Lage<lb/>
statt fand, waren auch diese Autochtonen sich<lb/>
gleich, und die Arten, die sich aus ihnen ent-<lb/>
wickelten, blieben sich ebenfalls gleich, so lange<lb/>
sich die Einwirkungen, denen sie ausgesetzt wa-<lb/>
ren, nicht veränderten. Welche Thiere und<lb/>
Pflanzen eines Landes Nachkommen solcher Au-<lb/>
tochtonen sind, und welche von eingewanderten<lb/>
Fremdlingen herstammen, lä&#x017F;st sich inde&#x017F;s schwer-<lb/>
lich bestimmen.</p><lb/>
            <p>Aber wie sind die mannichfaltigen Formen der<lb/>
lebenden Natur entstanden? Waren sie alle un-<lb/>
mittelbare Geburten der Erde (&#x03B3;&#x03B7;&#x03B3;&#x03B5;&#x03BD;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03C2;)? Gin-<lb/>
gen sie, gleich der Aphrodite des Fabellandes,<lb/>
aus dem Schaume des Meers hervor? Oder wur-<lb/>
den blos die einfachern Zoophyten auf diese<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0234] ben. Wäre diese Meinung gegründet, warum hätte dann das nordwestliche Europa weit mehr mit dem nordwestlichen, als dem nordöstlichen Amerika an Pflanzen gemein (r)? An jedem Orte der Erde, wo die bildenden Kräfte der Na- tur wirken konnten, haben diese Autochtonen hervorgebracht, lebende Körper, — — — qui rupto robore nati, Compositive luto, nullos habuere parentes. Da, wo ein gleiches Clima, eine gleiche Mi- schung des Bodens, des Wassers und der Ath- mosphäre, und eine ähnliche geographische Lage statt fand, waren auch diese Autochtonen sich gleich, und die Arten, die sich aus ihnen ent- wickelten, blieben sich ebenfalls gleich, so lange sich die Einwirkungen, denen sie ausgesetzt wa- ren, nicht veränderten. Welche Thiere und Pflanzen eines Landes Nachkommen solcher Au- tochtonen sind, und welche von eingewanderten Fremdlingen herstammen, läſst sich indeſs schwer- lich bestimmen. Aber wie sind die mannichfaltigen Formen der lebenden Natur entstanden? Waren sie alle un- mittelbare Geburten der Erde (γηγενεῖς)? Gin- gen sie, gleich der Aphrodite des Fabellandes, aus dem Schaume des Meers hervor? Oder wur- den blos die einfachern Zoophyten auf diese Wei- (r) Biol. Bd. 2. S. 93. 501.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/234
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/234>, abgerufen am 21.11.2024.