Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

zenreichs eine verneinende Beantwortung jener
Frage zu bauen. Die Vermehrung der Thier-
pflanzen durch Sprossen, sagen diese, geschieht
freylich ohne vorhergegangene Paarung, wie die
Analogie der Pflanzen beweist. Aber bey allen
Organismen, die sich durch Saamenkörner oder
Eyer fortpflanzen, ist die Befruchtung ein noth-
wendiges Erforderniss zur Bildung dieser Keime.
Sollte sie es also nicht auch bey den Thierpflan-
zen, Pilzen, Wasserfäden und Tangen seyn?

Dieser Meinung lassen sich indess wichtige
Gründe entgegensetzen. Man kann erstens
fragen: ob es so ganz ausgemacht ist, dass sich
nicht auch auf den höhern Stufen des Thier-
und Pflanzenreichs Körper finden, welche ohne
vorhergegangene Paarung fruchtbare Eyer oder
Saamenkörner erzeugen? Wir haben schon oben
bemerkt, dass manche Insekten, und besonders
die Blattläuse, mehrere Generationen hindurch
fruchtbare Eyer oder lebendige Junge gebähren
und dass es eine ganz unbewiesene Hypothese
ist, wenn man bey diesen Thieren einer einzi-
gen Paarung das Vermögen zuschreibt, alle fol-
gende Generationen zu befruchten. Wir können
noch hinzusetzen, dass es sehr zweifelhaft ist,
ob nicht sogar einzelne Arten der höhern, mit
einem artikulirten Skelett versehenen Thierclas-
sen der Begattung zur Fortpflanzung entbehren

kön-
T 4

zenreichs eine verneinende Beantwortung jener
Frage zu bauen. Die Vermehrung der Thier-
pflanzen durch Sprossen, sagen diese, geschieht
freylich ohne vorhergegangene Paarung, wie die
Analogie der Pflanzen beweist. Aber bey allen
Organismen, die sich durch Saamenkörner oder
Eyer fortpflanzen, ist die Befruchtung ein noth-
wendiges Erforderniſs zur Bildung dieser Keime.
Sollte sie es also nicht auch bey den Thierpflan-
zen, Pilzen, Wasserfäden und Tangen seyn?

Dieser Meinung lassen sich indeſs wichtige
Gründe entgegensetzen. Man kann erstens
fragen: ob es so ganz ausgemacht ist, daſs sich
nicht auch auf den höhern Stufen des Thier-
und Pflanzenreichs Körper finden, welche ohne
vorhergegangene Paarung fruchtbare Eyer oder
Saamenkörner erzeugen? Wir haben schon oben
bemerkt, daſs manche Insekten, und besonders
die Blattläuse, mehrere Generationen hindurch
fruchtbare Eyer oder lebendige Junge gebähren
und daſs es eine ganz unbewiesene Hypothese
ist, wenn man bey diesen Thieren einer einzi-
gen Paarung das Vermögen zuschreibt, alle fol-
gende Generationen zu befruchten. Wir können
noch hinzusetzen, daſs es sehr zweifelhaft ist,
ob nicht sogar einzelne Arten der höhern, mit
einem artikulirten Skelett versehenen Thierclas-
sen der Begattung zur Fortpflanzung entbehren

kön-
T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0305" n="295"/>
zenreichs eine verneinende Beantwortung jener<lb/>
Frage zu bauen. Die Vermehrung der Thier-<lb/>
pflanzen durch Sprossen, sagen diese, geschieht<lb/>
freylich ohne vorhergegangene Paarung, wie die<lb/>
Analogie der Pflanzen beweist. Aber bey allen<lb/>
Organismen, die sich durch Saamenkörner oder<lb/>
Eyer fortpflanzen, ist die Befruchtung ein noth-<lb/>
wendiges Erforderni&#x017F;s zur Bildung dieser Keime.<lb/>
Sollte sie es also nicht auch bey den Thierpflan-<lb/>
zen, Pilzen, Wasserfäden und Tangen seyn?</p><lb/>
              <p>Dieser Meinung lassen sich inde&#x017F;s wichtige<lb/>
Gründe entgegensetzen. Man kann <hi rendition="#g">erstens</hi><lb/>
fragen: ob es so ganz ausgemacht ist, da&#x017F;s sich<lb/>
nicht auch auf den höhern Stufen des Thier-<lb/>
und Pflanzenreichs Körper finden, welche ohne<lb/>
vorhergegangene Paarung fruchtbare Eyer oder<lb/>
Saamenkörner erzeugen? Wir haben schon oben<lb/>
bemerkt, da&#x017F;s manche Insekten, und besonders<lb/>
die Blattläuse, mehrere Generationen hindurch<lb/>
fruchtbare Eyer oder lebendige Junge gebähren<lb/>
und da&#x017F;s es eine ganz unbewiesene Hypothese<lb/>
ist, wenn man bey diesen Thieren einer einzi-<lb/>
gen Paarung das Vermögen zuschreibt, alle fol-<lb/>
gende Generationen zu befruchten. Wir können<lb/>
noch hinzusetzen, da&#x017F;s es sehr zweifelhaft ist,<lb/>
ob nicht sogar einzelne Arten der höhern, mit<lb/>
einem artikulirten Skelett versehenen Thierclas-<lb/>
sen der Begattung zur Fortpflanzung entbehren<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 4</fw><fw place="bottom" type="catch">kön-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0305] zenreichs eine verneinende Beantwortung jener Frage zu bauen. Die Vermehrung der Thier- pflanzen durch Sprossen, sagen diese, geschieht freylich ohne vorhergegangene Paarung, wie die Analogie der Pflanzen beweist. Aber bey allen Organismen, die sich durch Saamenkörner oder Eyer fortpflanzen, ist die Befruchtung ein noth- wendiges Erforderniſs zur Bildung dieser Keime. Sollte sie es also nicht auch bey den Thierpflan- zen, Pilzen, Wasserfäden und Tangen seyn? Dieser Meinung lassen sich indeſs wichtige Gründe entgegensetzen. Man kann erstens fragen: ob es so ganz ausgemacht ist, daſs sich nicht auch auf den höhern Stufen des Thier- und Pflanzenreichs Körper finden, welche ohne vorhergegangene Paarung fruchtbare Eyer oder Saamenkörner erzeugen? Wir haben schon oben bemerkt, daſs manche Insekten, und besonders die Blattläuse, mehrere Generationen hindurch fruchtbare Eyer oder lebendige Junge gebähren und daſs es eine ganz unbewiesene Hypothese ist, wenn man bey diesen Thieren einer einzi- gen Paarung das Vermögen zuschreibt, alle fol- gende Generationen zu befruchten. Wir können noch hinzusetzen, daſs es sehr zweifelhaft ist, ob nicht sogar einzelne Arten der höhern, mit einem artikulirten Skelett versehenen Thierclas- sen der Begattung zur Fortpflanzung entbehren kön- T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/305
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/305>, abgerufen am 22.11.2024.