tionsvermögen derselben von dem der Thiere und Zoophyten merklich unterscheidet. Bey den Pflan- zen findet also eigentlich gar keine Reproduktion statt, sondern blos ein vermehrtes Wachsthum des übrigen Organismus, indem das Wachsthum einzelner Theile desselben unterdrückt ist, und so schliessen sich jene Organismen von dieser Sei- te an die höhern Thierclassen an, indem sie von der andern Seite an die Zoophyten gränzen.
Nennen wir das Wachsthum fester oder flüs- siger Theile, auf dessen Unterdrückung ein ande- res in andern Theilen folgt, das ursprüngli- che, und dieses das vicariirende, so lässt sich das obige Gesetz kürzer auf die Art aus- drücken, dass die Hemmung eines jeden ursprünglichen Wachsthums ein vica- riirendes nach sich zieht, und wir kön- nen nach den bisherigen Erfahrungen noch hinzu- fügen, dass das Produkt des vicariiren- den Wachsthums dem des ursprüngli- chen bey den flüssigen Theilen meist ähnlich, bey den festen aber meist un- ähnlich ist. Durch diesen Zusatz unterschei- det sich das obige Gesetz von dem Gesetze des Antagonismus (§. 6.), von welchem es sonst eine blosse Folgerung seyn würde. Es ist einleuch- tend, dass wenn zwey Organe bey ihrem Wachs- thume einen Antagonismus gegen einander äus-
sern,
tionsvermögen derselben von dem der Thiere und Zoophyten merklich unterscheidet. Bey den Pflan- zen findet also eigentlich gar keine Reproduktion statt, sondern blos ein vermehrtes Wachsthum des übrigen Organismus, indem das Wachsthum einzelner Theile desselben unterdrückt ist, und so schliessen sich jene Organismen von dieser Sei- te an die höhern Thierclassen an, indem sie von der andern Seite an die Zoophyten gränzen.
Nennen wir das Wachsthum fester oder flüs- siger Theile, auf dessen Unterdrückung ein ande- res in andern Theilen folgt, das ursprüngli- che, und dieses das vicariirende, so läſst sich das obige Gesetz kürzer auf die Art aus- drücken, daſs die Hemmung eines jeden ursprünglichen Wachsthums ein vica- riirendes nach sich zieht, und wir kön- nen nach den bisherigen Erfahrungen noch hinzu- fügen, daſs das Produkt des vicariiren- den Wachsthums dem des ursprüngli- chen bey den flüssigen Theilen meist ähnlich, bey den festen aber meist un- ähnlich ist. Durch diesen Zusatz unterschei- det sich das obige Gesetz von dem Gesetze des Antagonismus (§. 6.), von welchem es sonst eine bloſse Folgerung seyn würde. Es ist einleuch- tend, daſs wenn zwey Organe bey ihrem Wachs- thume einen Antagonismus gegen einander äus-
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tionsvermögen derselben von dem der Thiere und
Zoophyten merklich unterscheidet. Bey den Pflan-
zen findet also eigentlich gar keine Reproduktion
statt, sondern blos ein vermehrtes Wachsthum
des übrigen Organismus, indem das Wachsthum
einzelner Theile desselben unterdrückt ist, und
so schliessen sich jene Organismen von dieser Sei-
te an die höhern Thierclassen an, indem sie von
der andern Seite an die Zoophyten gränzen.
Nennen wir das Wachsthum fester oder flüs-
siger Theile, auf dessen Unterdrückung ein ande-
res in andern Theilen folgt, das ursprüngli-
che, und dieses das vicariirende, so läſst
sich das obige Gesetz kürzer auf die Art aus-
drücken, daſs die Hemmung eines jeden
ursprünglichen Wachsthums ein vica-
riirendes nach sich zieht, und wir kön-
nen nach den bisherigen Erfahrungen noch hinzu-
fügen, daſs das Produkt des vicariiren-
den Wachsthums dem des ursprüngli-
chen bey den flüssigen Theilen meist
ähnlich, bey den festen aber meist un-
ähnlich ist. Durch diesen Zusatz unterschei-
det sich das obige Gesetz von dem Gesetze des
Antagonismus (§. 6.), von welchem es sonst eine
bloſse Folgerung seyn würde. Es ist einleuch-
tend, daſs wenn zwey Organe bey ihrem Wachs-
thume einen Antagonismus gegen einander äus-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/538>, abgerufen am 22.11.2024.
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