Aus den Gesetzen des 9ten und 11ten § zo- gen wir den Schluss, dass Fortpflanzung des Geschlechts, Wachsthum und Reproduktion Wir- kungen einer und derselben, nur auf verschie- dene Art sich äussernden Kraft sind. Hieraus folgt weiter, dass Fortpflanzung des Geschlechts ein fortgesetztes Wachsthum ist, und dass wir jeden lebenden Körper mit seinen Nachkommen als einen einzigen Organismus betrachten kön- nen, dessen Stamm abstirbt, so wie sich seine äussersten Zweige entwickeln.
Ist dieser Gesichtspunkt der richtige, so müssen die allgemeinern Gesetze des Wachs- thums auch die der Erzeugung seyn, und so verhält es sich wirklich. Diese allgemeinern Gesetze waren das der Sympathie und das des Antagonismus. Auf jenem beruhet die Aehn- lichkeit zwischen dem erzeugten Individuum und dem erzeugenden; auf diesem die Abnahme des letztern bey der Bildung des erstern. Hier se- hen wir also zwey, dem Scheine nach ganz ver- schiedene Phänomene auf einerley Gesetze zu- rückgeführt, und wir dürfen nicht mehr zwei- feln, dass mit Auffindung der Ursachen des einen auch die des andern entdeckt seyn werden.
Eine zweyte Folgerung aus den erwähnten Gesetzen ist, dass Reproduktion eine partielle
Erzeu-
Aus den Gesetzen des 9ten und 11ten § zo- gen wir den Schluſs, daſs Fortpflanzung des Geschlechts, Wachsthum und Reproduktion Wir- kungen einer und derselben, nur auf verschie- dene Art sich äussernden Kraft sind. Hieraus folgt weiter, daſs Fortpflanzung des Geschlechts ein fortgesetztes Wachsthum ist, und daſs wir jeden lebenden Körper mit seinen Nachkommen als einen einzigen Organismus betrachten kön- nen, dessen Stamm abstirbt, so wie sich seine äussersten Zweige entwickeln.
Ist dieser Gesichtspunkt der richtige, so müssen die allgemeinern Gesetze des Wachs- thums auch die der Erzeugung seyn, und so verhält es sich wirklich. Diese allgemeinern Gesetze waren das der Sympathie und das des Antagonismus. Auf jenem beruhet die Aehn- lichkeit zwischen dem erzeugten Individuum und dem erzeugenden; auf diesem die Abnahme des letztern bey der Bildung des erstern. Hier se- hen wir also zwey, dem Scheine nach ganz ver- schiedene Phänomene auf einerley Gesetze zu- rückgeführt, und wir dürfen nicht mehr zwei- feln, daſs mit Auffindung der Ursachen des einen auch die des andern entdeckt seyn werden.
Eine zweyte Folgerung aus den erwähnten Gesetzen ist, daſs Reproduktion eine partielle
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Aus den Gesetzen des 9ten und 11ten § zo-
gen wir den Schluſs, daſs Fortpflanzung des
Geschlechts, Wachsthum und Reproduktion Wir-
kungen einer und derselben, nur auf verschie-
dene Art sich äussernden Kraft sind. Hieraus
folgt weiter, daſs Fortpflanzung des Geschlechts
ein fortgesetztes Wachsthum ist, und daſs wir
jeden lebenden Körper mit seinen Nachkommen
als einen einzigen Organismus betrachten kön-
nen, dessen Stamm abstirbt, so wie sich seine
äussersten Zweige entwickeln.
Ist dieser Gesichtspunkt der richtige, so
müssen die allgemeinern Gesetze des Wachs-
thums auch die der Erzeugung seyn, und so
verhält es sich wirklich. Diese allgemeinern
Gesetze waren das der Sympathie und das des
Antagonismus. Auf jenem beruhet die Aehn-
lichkeit zwischen dem erzeugten Individuum und
dem erzeugenden; auf diesem die Abnahme des
letztern bey der Bildung des erstern. Hier se-
hen wir also zwey, dem Scheine nach ganz ver-
schiedene Phänomene auf einerley Gesetze zu-
rückgeführt, und wir dürfen nicht mehr zwei-
feln, daſs mit Auffindung der Ursachen des einen
auch die des andern entdeckt seyn werden.
Eine zweyte Folgerung aus den erwähnten
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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