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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

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"hen. Die Dunkelheit ihrer Distinktionen und
"Principien setzt sie in den Stand, von allen
"Dingen mit der Miene des gründlichen Kenners
"zu reden, verschafft ihnen Mittel, jede ihrer
"Behauptungen zu vertheidigen, und sichert sie
"gegen alle Widerlegungen. Sie gleichen einem
"Blinden, der, um dem Sehenden im Zweykam-
"pfe gleich zu seyn, diesen in ein unterirdisches,
"dunkeles Gemach führt." Dies sey vorläufig für
diejenigen gesagt, die alle Geisteswerke nur nach
ihren Grundsätzen würdigen. Und jetzt zur
Sache.

Leben besteht in der Gleichförmigkeit der
Gegenwirkungen bey ungleichförmigen Einwirkun-
gen der äussern Welt, in Erscheinungen, wel-
che, obgleich veranlasst durch wandelbare Ein-
flüsse, doch bis auf einen gewissen Grad un-
wandelbar sind. Lebend würde z. B. ein beweg-
ter Körper seyn, auf welchen während seiner
Bewegung ungleiche beschleunigende Kräfte wirk-
ten, und welcher dennoch in gleichen Zeiten
gleiche Räume zurücklegte.

Auf den lebenden Körper wirkt innerhalb ge-
wisser Gränzen alles, was auf ihn einen zerstöh-
renden Einfluss hat, zugleich auch erhaltend.
Deswegen ist der Magnet nicht lebend. Der ath-
mosphärischen Luft ausgesetzt, wird er oxydirt,

und

„hen. Die Dunkelheit ihrer Distinktionen und
„Principien setzt sie in den Stand, von allen
„Dingen mit der Miene des gründlichen Kenners
„zu reden, verschafft ihnen Mittel, jede ihrer
„Behauptungen zu vertheidigen, und sichert sie
„gegen alle Widerlegungen. Sie gleichen einem
„Blinden, der, um dem Sehenden im Zweykam-
„pfe gleich zu seyn, diesen in ein unterirdisches,
„dunkeles Gemach führt.” Dies sey vorläufig für
diejenigen gesagt, die alle Geisteswerke nur nach
ihren Grundsätzen würdigen. Und jetzt zur
Sache.

Leben besteht in der Gleichförmigkeit der
Gegenwirkungen bey ungleichförmigen Einwirkun-
gen der äussern Welt, in Erscheinungen, wel-
che, obgleich veranlaſst durch wandelbare Ein-
flüsse, doch bis auf einen gewissen Grad un-
wandelbar sind. Lebend würde z. B. ein beweg-
ter Körper seyn, auf welchen während seiner
Bewegung ungleiche beschleunigende Kräfte wirk-
ten, und welcher dennoch in gleichen Zeiten
gleiche Räume zurücklegte.

Auf den lebenden Körper wirkt innerhalb ge-
wisser Gränzen alles, was auf ihn einen zerstöh-
renden Einfluſs hat, zugleich auch erhaltend.
Deswegen ist der Magnet nicht lebend. Der ath-
mosphärischen Luft ausgesetzt, wird er oxydirt,

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[548/0558] „hen. Die Dunkelheit ihrer Distinktionen und „Principien setzt sie in den Stand, von allen „Dingen mit der Miene des gründlichen Kenners „zu reden, verschafft ihnen Mittel, jede ihrer „Behauptungen zu vertheidigen, und sichert sie „gegen alle Widerlegungen. Sie gleichen einem „Blinden, der, um dem Sehenden im Zweykam- „pfe gleich zu seyn, diesen in ein unterirdisches, „dunkeles Gemach führt.” Dies sey vorläufig für diejenigen gesagt, die alle Geisteswerke nur nach ihren Grundsätzen würdigen. Und jetzt zur Sache. Leben besteht in der Gleichförmigkeit der Gegenwirkungen bey ungleichförmigen Einwirkun- gen der äussern Welt, in Erscheinungen, wel- che, obgleich veranlaſst durch wandelbare Ein- flüsse, doch bis auf einen gewissen Grad un- wandelbar sind. Lebend würde z. B. ein beweg- ter Körper seyn, auf welchen während seiner Bewegung ungleiche beschleunigende Kräfte wirk- ten, und welcher dennoch in gleichen Zeiten gleiche Räume zurücklegte. Auf den lebenden Körper wirkt innerhalb ge- wisser Gränzen alles, was auf ihn einen zerstöh- renden Einfluſs hat, zugleich auch erhaltend. Deswegen ist der Magnet nicht lebend. Der ath- mosphärischen Luft ausgesetzt, wird er oxydirt, und

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/558>, abgerufen am 22.11.2024.