leblosen aber die, deren Leben entlehnt ist, so sieht man leicht ein, dass alle in der Einlei- tung aufgestellte Sätze völlig ungeändert bleiben.
Unter diesen Sätzen verdienen hier vorzüg- lich die beyden folgenden unsere Aufmerksam- keit:
1) Es giebt kein absolutes Leben des Indivi- duums. Alles Leben des Einzelnen ist be- schränkt, alle Reaktionen desselben gegen ungleichförmige Einwirkungen der Aussen- welt sind nur innerhalb gewisser Schranken gleichförmig.
2) Das lebende Individuum ist abhängig von der Art, die Art von dem Geschlechte, die- ses von der ganzen lebenden Natur, und die letztere vom Organismus der Erde. Das In- dividuum besitzt zwar ein eigenthümliches Leben, und bildet in so fern eine eigene Welt. Aber eben weil das Leben desselben beschränkt ist, so macht es doch zugleich auch ein Organ in dem allgemeinen Organis- mus aus. Jeder lebende Körper besteht durch das Universum; aber das Universum besteht auch gegenseitig durch ihn. Ein höherer Verstand würde aus der gegebenen Organisa- tion eines einzigen lebenden Individuums die Organisation der ganzen übrigen Welt ab-
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leblosen aber die, deren Leben entlehnt ist, so sieht man leicht ein, daſs alle in der Einlei- tung aufgestellte Sätze völlig ungeändert bleiben.
Unter diesen Sätzen verdienen hier vorzüg- lich die beyden folgenden unsere Aufmerksam- keit:
1) Es giebt kein absolutes Leben des Indivi- duums. Alles Leben des Einzelnen ist be- schränkt, alle Reaktionen desselben gegen ungleichförmige Einwirkungen der Aussen- welt sind nur innerhalb gewisser Schranken gleichförmig.
2) Das lebende Individuum ist abhängig von der Art, die Art von dem Geschlechte, die- ses von der ganzen lebenden Natur, und die letztere vom Organismus der Erde. Das In- dividuum besitzt zwar ein eigenthümliches Leben, und bildet in so fern eine eigene Welt. Aber eben weil das Leben desselben beschränkt ist, so macht es doch zugleich auch ein Organ in dem allgemeinen Organis- mus aus. Jeder lebende Körper besteht durch das Universum; aber das Universum besteht auch gegenseitig durch ihn. Ein höherer Verstand würde aus der gegebenen Organisa- tion eines einzigen lebenden Individuums die Organisation der ganzen übrigen Welt ab-
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leblosen aber die, deren Leben entlehnt ist, so
sieht man leicht ein, daſs alle in der Einlei-
tung aufgestellte Sätze völlig ungeändert bleiben.
Unter diesen Sätzen verdienen hier vorzüg-
lich die beyden folgenden unsere Aufmerksam-
keit:
1) Es giebt kein absolutes Leben des Indivi-
duums. Alles Leben des Einzelnen ist be-
schränkt, alle Reaktionen desselben gegen
ungleichförmige Einwirkungen der Aussen-
welt sind nur innerhalb gewisser Schranken
gleichförmig.
2) Das lebende Individuum ist abhängig von
der Art, die Art von dem Geschlechte, die-
ses von der ganzen lebenden Natur, und die
letztere vom Organismus der Erde. Das In-
dividuum besitzt zwar ein eigenthümliches
Leben, und bildet in so fern eine eigene
Welt. Aber eben weil das Leben desselben
beschränkt ist, so macht es doch zugleich
auch ein Organ in dem allgemeinen Organis-
mus aus. Jeder lebende Körper besteht durch
das Universum; aber das Universum besteht
auch gegenseitig durch ihn. Ein höherer
Verstand würde aus der gegebenen Organisa-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/562>, abgerufen am 24.06.2024.
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