zum Sieden. Das Eyweiss gerann in jenem Glase, zu welchem die Luft gar keinen Zutritt hatte, eben so schnell und vollkommen, als in einem offenen Gefäss. Schmidtmüllerl) fand auch, dass Eyweiss in Wasserstoffgas eben so wohl als in der atmosphärischen Luft gerinnt.
Diese Erfahrungen beweisen, dass beym Ge- rinnen des Eyweiss etwas Ähnliches wie bey der Weingährung statt findet. Wie die letztere bloss aus dem Einfluss entsteht, den die Bestandtheile des Mostes gegenseitig auf einander äussern, so muss auch jene von Zersetzungen und Zusam- mensetzungen herrühren, die unter den Bestand- theilen des Eyweiss selber vorgehen. Man muss also voraussetzen, dass nur ein Theil dieser Substanz beym Gerinnen in den Zustand der Fes- tigkeit übergeht, der übrige aber sich als Flüs- sigkeit von jenem trennt. Bey dem durch Hitze verursachten Coaguliren tritt zwar eine solche Trennung nicht ein; hier nimmt der gerinnende Theil den flüssigen in sich auf. Aber bey der Wirkung von Säuren auf das Eyweiss zeigt sich eine Absonderung beyder Bestandtheile. Ich ver- mischte einen Theil Eyweiss mit drey Theilen concentrirten Essigs. Ein Theil des Eyweiss blieb in der Mitte der Flüssigkeit als eine gelbliche Wolke schweben; der grössere Theil verband
sich
l) Commentat. de lympha. Erlang. 1801.
zum Sieden. Das Eyweiſs gerann in jenem Glase, zu welchem die Luft gar keinen Zutritt hatte, eben so schnell und vollkommen, als in einem offenen Gefäſs. Schmidtmüllerl) fand auch, daſs Eyweiſs in Wasserstoffgas eben so wohl als in der atmosphärischen Luft gerinnt.
Diese Erfahrungen beweisen, daſs beym Ge- rinnen des Eyweiſs etwas Ähnliches wie bey der Weingährung statt findet. Wie die letztere bloſs aus dem Einfluſs entsteht, den die Bestandtheile des Mostes gegenseitig auf einander äussern, so muſs auch jene von Zersetzungen und Zusam- mensetzungen herrühren, die unter den Bestand- theilen des Eyweiſs selber vorgehen. Man muſs also voraussetzen, daſs nur ein Theil dieser Substanz beym Gerinnen in den Zustand der Fes- tigkeit übergeht, der übrige aber sich als Flüs- sigkeit von jenem trennt. Bey dem durch Hitze verursachten Coaguliren tritt zwar eine solche Trennung nicht ein; hier nimmt der gerinnende Theil den flüssigen in sich auf. Aber bey der Wirkung von Säuren auf das Eyweiſs zeigt sich eine Absonderung beyder Bestandtheile. Ich ver- mischte einen Theil Eyweiſs mit drey Theilen concentrirten Essigs. Ein Theil des Eyweiſs blieb in der Mitte der Flüssigkeit als eine gelbliche Wolke schweben; der gröſsere Theil verband
sich
l) Commentat. de lympha. Erlang. 1801.
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zum Sieden. Das Eyweiſs gerann in jenem Glase,
zu welchem die Luft gar keinen Zutritt hatte,
eben so schnell und vollkommen, als in einem
offenen Gefäſs. Schmidtmüller l) fand auch,
daſs Eyweiſs in Wasserstoffgas eben so wohl als
in der atmosphärischen Luft gerinnt.
Diese Erfahrungen beweisen, daſs beym Ge-
rinnen des Eyweiſs etwas Ähnliches wie bey der
Weingährung statt findet. Wie die letztere bloſs
aus dem Einfluſs entsteht, den die Bestandtheile
des Mostes gegenseitig auf einander äussern, so
muſs auch jene von Zersetzungen und Zusam-
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also voraussetzen, daſs nur ein Theil dieser
Substanz beym Gerinnen in den Zustand der Fes-
tigkeit übergeht, der übrige aber sich als Flüs-
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Trennung nicht ein; hier nimmt der gerinnende
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Wirkung von Säuren auf das Eyweiſs zeigt sich
eine Absonderung beyder Bestandtheile. Ich ver-
mischte einen Theil Eyweiſs mit drey Theilen
concentrirten Essigs. Ein Theil des Eyweiſs blieb
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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