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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814.

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weissen, häutigen Concretionen wiederholt mit
Wasser abspühlte. Concentrirter Essig und ver-
dünnte Salpetersäure lösten nur wenig von diesem
Faserstoff auf. In dem Essig wurde der letztere
etwas erweicht; das salpetersaure Wasser wurde
etwas milchig. Der Essig nahm, auch bis zum
Kochen erhitzt, nicht viel mehr als in der Kälte
auf. Fest geronnenes Eyweiss verhielt sich eben
so gegen jene Säuren. Durch anhaltendes Ko-
chen wird zwar der Faserstoff wie der Eyweiss-
stoff in mineralischen Säuren aufgelöst, aber nur
indem beyde in ihrer Mischung gänzlich verän-
dert werden. Ich glaube also, dass der Faser-
stoff nichts anders als geronnener Eyweissstoff ist.
Zur weitern Rechtfertigung meiner Meinung
muss ich mich über das Gerinnen des Eyweiss-
stoffs und über die verschiedenen Modifikationen
desselben ausführlicher erklären.

Das Gerinnen des Eyweissstoffs ist eine bis
jetzt unerklärte Erscheinung. Fourcroy leitete
dasselbe vom Zutritt des Sauerstoffs der Atmo-
sphäre ab k). Aber diese Meinung wird dadurch
widerlegt, dass das Coaguliren auch ohne den
Zutritt der atmosphärischen Luft eintritt. Ich
füllte ein Glas mit Eyweiss und ausgekochtem
Wasser an, stürzte dasselbe in einer Schaale voll
ausgekochten Wassers um, und brachte dieses

zum
k) Annales de Chimie. T. 7. p. 146.

weiſsen, häutigen Concretionen wiederholt mit
Wasser abspühlte. Concentrirter Essig und ver-
dünnte Salpetersäure lösten nur wenig von diesem
Faserstoff auf. In dem Essig wurde der letztere
etwas erweicht; das salpetersaure Wasser wurde
etwas milchig. Der Essig nahm, auch bis zum
Kochen erhitzt, nicht viel mehr als in der Kälte
auf. Fest geronnenes Eyweiſs verhielt sich eben
so gegen jene Säuren. Durch anhaltendes Ko-
chen wird zwar der Faserstoff wie der Eyweiſs-
stoff in mineralischen Säuren aufgelöst, aber nur
indem beyde in ihrer Mischung gänzlich verän-
dert werden. Ich glaube also, daſs der Faser-
stoff nichts anders als geronnener Eyweiſsstoff ist.
Zur weitern Rechtfertigung meiner Meinung
muſs ich mich über das Gerinnen des Eyweiſs-
stoffs und über die verschiedenen Modifikationen
desselben ausführlicher erklären.

Das Gerinnen des Eyweiſsstoffs ist eine bis
jetzt unerklärte Erscheinung. Fourcroy leitete
dasselbe vom Zutritt des Sauerstoffs der Atmo-
sphäre ab k). Aber diese Meinung wird dadurch
widerlegt, daſs das Coaguliren auch ohne den
Zutritt der atmosphärischen Luft eintritt. Ich
füllte ein Glas mit Eyweiſs und ausgekochtem
Wasser an, stürzte dasselbe in einer Schaale voll
ausgekochten Wassers um, und brachte dieses

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k) Annales de Chimie. T. 7. p. 146.
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[559/0575] weiſsen, häutigen Concretionen wiederholt mit Wasser abspühlte. Concentrirter Essig und ver- dünnte Salpetersäure lösten nur wenig von diesem Faserstoff auf. In dem Essig wurde der letztere etwas erweicht; das salpetersaure Wasser wurde etwas milchig. Der Essig nahm, auch bis zum Kochen erhitzt, nicht viel mehr als in der Kälte auf. Fest geronnenes Eyweiſs verhielt sich eben so gegen jene Säuren. Durch anhaltendes Ko- chen wird zwar der Faserstoff wie der Eyweiſs- stoff in mineralischen Säuren aufgelöst, aber nur indem beyde in ihrer Mischung gänzlich verän- dert werden. Ich glaube also, daſs der Faser- stoff nichts anders als geronnener Eyweiſsstoff ist. Zur weitern Rechtfertigung meiner Meinung muſs ich mich über das Gerinnen des Eyweiſs- stoffs und über die verschiedenen Modifikationen desselben ausführlicher erklären. Das Gerinnen des Eyweiſsstoffs ist eine bis jetzt unerklärte Erscheinung. Fourcroy leitete dasselbe vom Zutritt des Sauerstoffs der Atmo- sphäre ab k). Aber diese Meinung wird dadurch widerlegt, daſs das Coaguliren auch ohne den Zutritt der atmosphärischen Luft eintritt. Ich füllte ein Glas mit Eyweiſs und ausgekochtem Wasser an, stürzte dasselbe in einer Schaale voll ausgekochten Wassers um, und brachte dieses zum k) Annales de Chimie. T. 7. p. 146.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/575>, abgerufen am 22.11.2024.