Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs- safts von den einsaugenden Organen zu den übri- gen Theilen voraus. In welchen Gefässen und nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be- wegung?
Eine ziemlich allgemein angenommene Mei- nung ist, dass die Rinde das Hauptorgan ist, worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al- lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge- drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich- ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un- gegründet. Die Zellen sind allenthalben mehr Behälter der Säfte, als zuführen- de Organe. Es findet zwar ein Uebergang der Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber dieser geschieht zu langsam, als dass jene Schläu- che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn- ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, dass in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung, nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver- ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile durch Maceration, oder durch mechanische Ge- walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch Scheidewände von einander abgesondert, durch
welche
Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs- safts von den einsaugenden Organen zu den übri- gen Theilen voraus. In welchen Gefäſsen und nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be- wegung?
Eine ziemlich allgemein angenommene Mei- nung ist, daſs die Rinde das Hauptorgan ist, worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al- lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge- drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich- ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un- gegründet. Die Zellen sind allenthalben mehr Behälter der Säfte, als zuführen- de Organe. Es findet zwar ein Uebergang der Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber dieser geschieht zu langsam, als daſs jene Schläu- che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn- ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, daſs in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung, nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver- ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile durch Maceration, oder durch mechanische Ge- walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch Scheidewände von einander abgesondert, durch
welche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0064"n="48"/>
Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs-<lb/>
safts von den einsaugenden Organen zu den übri-<lb/>
gen Theilen voraus. In welchen Gefäſsen und<lb/>
nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be-<lb/>
wegung?</p><lb/><p>Eine ziemlich allgemein angenommene Mei-<lb/>
nung ist, daſs die Rinde das Hauptorgan ist,<lb/>
worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al-<lb/>
lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge-<lb/>
drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter<lb/>
Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich-<lb/>
ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un-<lb/>
gegründet. <hirendition="#g">Die Zellen sind allenthalben<lb/>
mehr Behälter der Säfte, als zuführen-<lb/>
de Organe</hi>. Es findet zwar ein Uebergang der<lb/>
Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber<lb/>
dieser geschieht zu langsam, als daſs jene Schläu-<lb/>
che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu<lb/>
den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn-<lb/>
ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, daſs<lb/>
in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung,<lb/>
nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte<lb/>
statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen<lb/>
körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver-<lb/>
ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile<lb/>
durch Maceration, oder durch mechanische Ge-<lb/>
walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch<lb/>
Scheidewände von einander abgesondert, durch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">welche</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[48/0064]
Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs-
safts von den einsaugenden Organen zu den übri-
gen Theilen voraus. In welchen Gefäſsen und
nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be-
wegung?
Eine ziemlich allgemein angenommene Mei-
nung ist, daſs die Rinde das Hauptorgan ist,
worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al-
lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge-
drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter
Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich-
ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un-
gegründet. Die Zellen sind allenthalben
mehr Behälter der Säfte, als zuführen-
de Organe. Es findet zwar ein Uebergang der
Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber
dieser geschieht zu langsam, als daſs jene Schläu-
che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu
den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn-
ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, daſs
in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung,
nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte
statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen
körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver-
ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile
durch Maceration, oder durch mechanische Ge-
walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch
Scheidewände von einander abgesondert, durch
welche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/64>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.