sern Einflüssen abhängigen Wirksamkeit zu er- klären, muss gezwungen und höchst unbefriedi- gend ausfallen.
Was sich hier an den einzelnen lebenden Kör- pern zeigt, erhellt auch aus den Bildungsstufen, welche die ganze lebende Natur erstiegen hat. Die Geschichte der Erde lehrt, dass die ersten Organismen derselben aus Zoophyten und Schaal- thieren bestanden; dass diesen Fische und Amphi- bien folgten; dass hierauf erst Säugthiere erzeugt wurden, und dass der Mensch mit den ihm zunächst verwandten Thieren das letzte Produkt der schaffenden Kraft war. Sie lehrt, dass die Art, wie das Individuum, ihre Perioden der Aus- bildung, der Blüthe und des Vergehens hat, und dass das Ganze wie das Einzelne in ewigen Ver- wandlungen begriffen ist w). Diese Veränderun- gen lassen sich keinesweges blos aus der verän- derten Wirkungsart cosmischer Einflüsse erklären; sie müssen in den Gesetzen des Lebens selber ih- ren Grund haben. Die Lebenskraft jedes Einzel- nen, in so fern sie sich als Bildungskraft äussert, ist ein Ausfluss einer gemeinschaftlichen Grund- kraft, die sich, dem im Prisma gebrochenen Lichte gleich, in unzählige Strahlen spaltet, und so gespal- ten die Mannigfaltigkeit der Arten und Individuen des Reichs der lebenden Organismen hervorbringt.
Ver-
w) Biol. B. 3. S. 1 ff.
sern Einflüssen abhängigen Wirksamkeit zu er- klären, muſs gezwungen und höchst unbefriedi- gend ausfallen.
Was sich hier an den einzelnen lebenden Kör- pern zeigt, erhellt auch aus den Bildungsstufen, welche die ganze lebende Natur erstiegen hat. Die Geschichte der Erde lehrt, daſs die ersten Organismen derselben aus Zoophyten und Schaal- thieren bestanden; daſs diesen Fische und Amphi- bien folgten; daſs hierauf erst Säugthiere erzeugt wurden, und daſs der Mensch mit den ihm zunächst verwandten Thieren das letzte Produkt der schaffenden Kraft war. Sie lehrt, daſs die Art, wie das Individuum, ihre Perioden der Aus- bildung, der Blüthe und des Vergehens hat, und daſs das Ganze wie das Einzelne in ewigen Ver- wandlungen begriffen ist w). Diese Veränderun- gen lassen sich keinesweges blos aus der verän- derten Wirkungsart cosmischer Einflüsse erklären; sie müssen in den Gesetzen des Lebens selber ih- ren Grund haben. Die Lebenskraft jedes Einzel- nen, in so fern sie sich als Bildungskraft äussert, ist ein Ausfluſs einer gemeinschaftlichen Grund- kraft, die sich, dem im Prisma gebrochenen Lichte gleich, in unzählige Strahlen spaltet, und so gespal- ten die Mannigfaltigkeit der Arten und Individuen des Reichs der lebenden Organismen hervorbringt.
Ver-
w) Biol. B. 3. S. 1 ff.
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sern Einflüssen abhängigen Wirksamkeit zu er-
klären, muſs gezwungen und höchst unbefriedi-
gend ausfallen.
Was sich hier an den einzelnen lebenden Kör-
pern zeigt, erhellt auch aus den Bildungsstufen,
welche die ganze lebende Natur erstiegen hat.
Die Geschichte der Erde lehrt, daſs die ersten
Organismen derselben aus Zoophyten und Schaal-
thieren bestanden; daſs diesen Fische und Amphi-
bien folgten; daſs hierauf erst Säugthiere erzeugt
wurden, und daſs der Mensch mit den ihm
zunächst verwandten Thieren das letzte Produkt
der schaffenden Kraft war. Sie lehrt, daſs die
Art, wie das Individuum, ihre Perioden der Aus-
bildung, der Blüthe und des Vergehens hat, und
daſs das Ganze wie das Einzelne in ewigen Ver-
wandlungen begriffen ist w). Diese Veränderun-
gen lassen sich keinesweges blos aus der verän-
derten Wirkungsart cosmischer Einflüsse erklären;
sie müssen in den Gesetzen des Lebens selber ih-
ren Grund haben. Die Lebenskraft jedes Einzel-
nen, in so fern sie sich als Bildungskraft äussert,
ist ein Ausfluſs einer gemeinschaftlichen Grund-
kraft, die sich, dem im Prisma gebrochenen Lichte
gleich, in unzählige Strahlen spaltet, und so gespal-
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des Reichs der lebenden Organismen hervorbringt.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/644>, abgerufen am 22.11.2024.
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