Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

Bild:
<< vorherige Seite

geschnittene Theil auf irgend eine Weise erleidet,
man mag ihn hinlegen oder aufhängen, die Fort-
pflanzung der Erregungen von den ursprünglich
gereitzten Fasern nach andern und von diesen
wieder nach jenen u. s. w.

Man hat hieraus geschlossen, dass alle auto-
matische Bewegungen unter den Gesetzen der
Reitzbarkeit stehen, und diese Folgerung seit
Haller's Zeit auf alle Erscheinungen des Lebens
übertragen. Hierin ist man, wie wir im folgen-
den Buch sehen werden, zu weit gegangen. Von
den automatischen Bewegungen scheint sie frey-
lich zu gelten. Nur ist es sehr unrichtig, unter
der Benennung Reitz die verschiedenartigsten
Einflüsse zu begreifen. Die Ursache, die in ei-
nem Theil Anschwellungen hervorbringt, ist ge-
wiss von ganz anderer Art als die, welche in ihm
Zusammenziehungen erregt. Es kann Eindrücke
geben, die nur dadurch Reaktionen veranlassen,
dass sie das Hinderniss der Einwirkung eines, vor-
her schon statt findenden Reitzes entfernen. Diese
und ähnliche Fälle bedürfen einer nähern Unter-
suchung, ehe sich über die Wirkungsart der Reitze
etwas bestimmen lässt.

Ein grosser Theil des Muskelsystems wird
durch den Willen in Bewegung gesetzt. Hierbey
aber findet schon gleich die erwähnte Schwürig-
keit statt. Veranlasst der Wille nicht vielleicht da-

durch
S 4

geschnittene Theil auf irgend eine Weise erleidet,
man mag ihn hinlegen oder aufhängen, die Fort-
pflanzung der Erregungen von den ursprünglich
gereitzten Fasern nach andern und von diesen
wieder nach jenen u. s. w.

Man hat hieraus geschlossen, daſs alle auto-
matische Bewegungen unter den Gesetzen der
Reitzbarkeit stehen, und diese Folgerung seit
Haller’s Zeit auf alle Erscheinungen des Lebens
übertragen. Hierin ist man, wie wir im folgen-
den Buch sehen werden, zu weit gegangen. Von
den automatischen Bewegungen scheint sie frey-
lich zu gelten. Nur ist es sehr unrichtig, unter
der Benennung Reitz die verschiedenartigsten
Einflüsse zu begreifen. Die Ursache, die in ei-
nem Theil Anschwellungen hervorbringt, ist ge-
wiſs von ganz anderer Art als die, welche in ihm
Zusammenziehungen erregt. Es kann Eindrücke
geben, die nur dadurch Reaktionen veranlassen,
daſs sie das Hinderniſs der Einwirkung eines, vor-
her schon statt findenden Reitzes entfernen. Diese
und ähnliche Fälle bedürfen einer nähern Unter-
suchung, ehe sich über die Wirkungsart der Reitze
etwas bestimmen läſst.

Ein groſser Theil des Muskelsystems wird
durch den Willen in Bewegung gesetzt. Hierbey
aber findet schon gleich die erwähnte Schwürig-
keit statt. Veranlaſst der Wille nicht vielleicht da-

durch
S 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0291" n="279"/>
geschnittene Theil auf irgend eine Weise erleidet,<lb/>
man mag ihn hinlegen oder aufhängen, die Fort-<lb/>
pflanzung der Erregungen von den ursprünglich<lb/>
gereitzten Fasern nach andern und von diesen<lb/>
wieder nach jenen u. s. w.</p><lb/>
            <p>Man hat hieraus geschlossen, da&#x017F;s alle auto-<lb/>
matische Bewegungen unter den Gesetzen der<lb/>
Reitzbarkeit stehen, und diese Folgerung seit<lb/><hi rendition="#k">Haller</hi>&#x2019;s Zeit auf alle Erscheinungen des Lebens<lb/>
übertragen. Hierin ist man, wie wir im folgen-<lb/>
den Buch sehen werden, zu weit gegangen. Von<lb/>
den automatischen Bewegungen scheint sie frey-<lb/>
lich zu gelten. Nur ist es sehr unrichtig, unter<lb/>
der Benennung <hi rendition="#g">Reitz</hi> die verschiedenartigsten<lb/>
Einflüsse zu begreifen. Die Ursache, die in ei-<lb/>
nem Theil Anschwellungen hervorbringt, ist ge-<lb/>
wi&#x017F;s von ganz anderer Art als die, welche in ihm<lb/>
Zusammenziehungen erregt. Es kann Eindrücke<lb/>
geben, die nur dadurch Reaktionen veranlassen,<lb/>
da&#x017F;s sie das Hinderni&#x017F;s der Einwirkung eines, vor-<lb/>
her schon statt findenden Reitzes entfernen. Diese<lb/>
und ähnliche Fälle bedürfen einer nähern Unter-<lb/>
suchung, ehe sich über die Wirkungsart der Reitze<lb/>
etwas bestimmen lä&#x017F;st.</p><lb/>
            <p>Ein gro&#x017F;ser Theil des Muskelsystems wird<lb/>
durch den Willen in Bewegung gesetzt. Hierbey<lb/>
aber findet schon gleich die erwähnte Schwürig-<lb/>
keit statt. Veranla&#x017F;st der Wille nicht vielleicht da-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0291] geschnittene Theil auf irgend eine Weise erleidet, man mag ihn hinlegen oder aufhängen, die Fort- pflanzung der Erregungen von den ursprünglich gereitzten Fasern nach andern und von diesen wieder nach jenen u. s. w. Man hat hieraus geschlossen, daſs alle auto- matische Bewegungen unter den Gesetzen der Reitzbarkeit stehen, und diese Folgerung seit Haller’s Zeit auf alle Erscheinungen des Lebens übertragen. Hierin ist man, wie wir im folgen- den Buch sehen werden, zu weit gegangen. Von den automatischen Bewegungen scheint sie frey- lich zu gelten. Nur ist es sehr unrichtig, unter der Benennung Reitz die verschiedenartigsten Einflüsse zu begreifen. Die Ursache, die in ei- nem Theil Anschwellungen hervorbringt, ist ge- wiſs von ganz anderer Art als die, welche in ihm Zusammenziehungen erregt. Es kann Eindrücke geben, die nur dadurch Reaktionen veranlassen, daſs sie das Hinderniſs der Einwirkung eines, vor- her schon statt findenden Reitzes entfernen. Diese und ähnliche Fälle bedürfen einer nähern Unter- suchung, ehe sich über die Wirkungsart der Reitze etwas bestimmen läſst. Ein groſser Theil des Muskelsystems wird durch den Willen in Bewegung gesetzt. Hierbey aber findet schon gleich die erwähnte Schwürig- keit statt. Veranlaſst der Wille nicht vielleicht da- durch S 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/291
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/291>, abgerufen am 31.10.2024.