durch die Zusammenziehung eines Muskels, dass er in dessen Antagonisten die ihr entgegenwirken- de Spannung aufhebt? So dachte sich der, der Welt und den Wissenschaften zu früh entrissene L. H. C. Niemeyeri) die Entstehung der willkühr- lichen Bewegungen. Allein so scharfsinnig und folgerecht diese Meinung von ihm durchgeführt ist, so beruhen doch die Beweise, die er für sie, und die Einwendungen, die er gegen die gewöhn- liche Theorie anführt; ganz auf der einseitigen Brownschen Erregungslehre, und es steht seiner Hypothese entgegen, dass der Wille noch in einem Muskel, dessen Antagonist durchschnitten ist, Ver- kürzungen zu bewirken vermag, auch dass das System der willkührlichen Muskeln im Schlaf bey aufgehobenem Einfluss des Willens sich nicht in einem gespannten, sondern in einem turgesciren- den Zustand befindet.
Wenn indess auch der Wille allerdings als unmittelbare Ursache der Muskelbewegung betrach- tet werden muss, so giebt es doch andere veran- lassende Ursachen automatischer Bewegungen, de- ren Wirkungsart sich nicht bestimmen lässt, so lange nicht die innern Bedingungen dieser Bewe- gungen aufgeklärt sind. Wir werden uns daher zuvörderst hierüber Licht zu verschaffen suchen.
Die
i) Materialien zur Erregungstheorie. Göttingen. 1800. S. 3 fg.
durch die Zusammenziehung eines Muskels, daſs er in dessen Antagonisten die ihr entgegenwirken- de Spannung aufhebt? So dachte sich der, der Welt und den Wissenschaften zu früh entrissene L. H. C. Niemeyeri) die Entstehung der willkühr- lichen Bewegungen. Allein so scharfsinnig und folgerecht diese Meinung von ihm durchgeführt ist, so beruhen doch die Beweise, die er für sie, und die Einwendungen, die er gegen die gewöhn- liche Theorie anführt; ganz auf der einseitigen Brownschen Erregungslehre, und es steht seiner Hypothese entgegen, daſs der Wille noch in einem Muskel, dessen Antagonist durchschnitten ist, Ver- kürzungen zu bewirken vermag, auch daſs das System der willkührlichen Muskeln im Schlaf bey aufgehobenem Einfluſs des Willens sich nicht in einem gespannten, sondern in einem turgesciren- den Zustand befindet.
Wenn indeſs auch der Wille allerdings als unmittelbare Ursache der Muskelbewegung betrach- tet werden muſs, so giebt es doch andere veran- lassende Ursachen automatischer Bewegungen, de- ren Wirkungsart sich nicht bestimmen läſst, so lange nicht die innern Bedingungen dieser Bewe- gungen aufgeklärt sind. Wir werden uns daher zuvörderst hierüber Licht zu verschaffen suchen.
Die
i) Materialien zur Erregungstheorie. Göttingen. 1800. S. 3 fg.
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de Spannung aufhebt? So dachte sich der, der
Welt und den Wissenschaften zu früh entrissene
L. H. C. Niemeyer i) die Entstehung der willkühr-
lichen Bewegungen. Allein so scharfsinnig und
folgerecht diese Meinung von ihm durchgeführt
ist, so beruhen doch die Beweise, die er für sie,
und die Einwendungen, die er gegen die gewöhn-
liche Theorie anführt; ganz auf der einseitigen
Brownschen Erregungslehre, und es steht seiner
Hypothese entgegen, daſs der Wille noch in einem
Muskel, dessen Antagonist durchschnitten ist, Ver-
kürzungen zu bewirken vermag, auch daſs das
System der willkührlichen Muskeln im Schlaf bey
aufgehobenem Einfluſs des Willens sich nicht in
einem gespannten, sondern in einem turgesciren-
den Zustand befindet.
Wenn indeſs auch der Wille allerdings als
unmittelbare Ursache der Muskelbewegung betrach-
tet werden muſs, so giebt es doch andere veran-
lassende Ursachen automatischer Bewegungen, de-
ren Wirkungsart sich nicht bestimmen läſst, so
lange nicht die innern Bedingungen dieser Bewe-
gungen aufgeklärt sind. Wir werden uns daher
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Die
i) Materialien zur Erregungstheorie. Göttingen. 1800.
S. 3 fg.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/292>, abgerufen am 22.11.2024.
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