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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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und Marshal r) als ein Hauptresultat ihrer
Leichenöffnungen von Menschen, die an Ge-
müthskrankheiten verstorben waren, angeben, die
Rinde von bleicherer und das Mark von nicht
so weisser Farbe, wie im natürlichen Zu-
stande.

Ich glaube, die Rinde ist Bedingung jeder
Selbstthätigkeit des Gehirns und Nervensystems
überhaupt und der einzelnen Theile desselben.
Je reiner sie vom Mark abgesondert ist, und je
grösser der Gegensatz zwischen beyden Substan-
zen ist, desto mehr ist diese Selbstthätigkeit
objektiver Art; je mehr hingegen beyde mit ein-
ander vermischt sind, desto mehr ist die letztere
subjektiv. Da alle instinktartige Handlungen ei-
nen mehr subjektiven als objektiven Grund haben,
und da der Instinkt ein allgemeineres Princip
der Selbstthätigkeit bey den Vögeln, Amphibien
und Fischen als bey den Säugthieren, und bey
diesen mehr herrschend als beym Menschen ist,
so lässt sich hieraus erklären, warum das Gehirn
bey den Wirbelthieren der drey niedern Classen
mehr Rinde in Verhältniss zum Mark als bey
den Säugthieren, und bey den letztern mehr als
beym Menschen enthält. Auch ist aus dieser
Hypothese begreiflich, weswegen alle Nerven des

sym-
r) Untersuchungen des Gehirns im Wahnsinn u. s. w.

und Marshal r) als ein Hauptresultat ihrer
Leichenöffnungen von Menschen, die an Ge-
müthskrankheiten verstorben waren, angeben, die
Rinde von bleicherer und das Mark von nicht
so weisser Farbe, wie im natürlichen Zu-
stande.

Ich glaube, die Rinde ist Bedingung jeder
Selbstthätigkeit des Gehirns und Nervensystems
überhaupt und der einzelnen Theile desselben.
Je reiner sie vom Mark abgesondert ist, und je
gröſser der Gegensatz zwischen beyden Substan-
zen ist, desto mehr ist diese Selbstthätigkeit
objektiver Art; je mehr hingegen beyde mit ein-
ander vermischt sind, desto mehr ist die letztere
subjektiv. Da alle instinktartige Handlungen ei-
nen mehr subjektiven als objektiven Grund haben,
und da der Instinkt ein allgemeineres Princip
der Selbstthätigkeit bey den Vögeln, Amphibien
und Fischen als bey den Säugthieren, und bey
diesen mehr herrschend als beym Menschen ist,
so läſst sich hieraus erklären, warum das Gehirn
bey den Wirbelthieren der drey niedern Classen
mehr Rinde in Verhältniſs zum Mark als bey
den Säugthieren, und bey den letztern mehr als
beym Menschen enthält. Auch ist aus dieser
Hypothese begreiflich, weswegen alle Nerven des

sym-
r) Untersuchungen des Gehirns im Wahnsinn u. s. w.
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[166/0182] und Marshal r) als ein Hauptresultat ihrer Leichenöffnungen von Menschen, die an Ge- müthskrankheiten verstorben waren, angeben, die Rinde von bleicherer und das Mark von nicht so weisser Farbe, wie im natürlichen Zu- stande. Ich glaube, die Rinde ist Bedingung jeder Selbstthätigkeit des Gehirns und Nervensystems überhaupt und der einzelnen Theile desselben. Je reiner sie vom Mark abgesondert ist, und je gröſser der Gegensatz zwischen beyden Substan- zen ist, desto mehr ist diese Selbstthätigkeit objektiver Art; je mehr hingegen beyde mit ein- ander vermischt sind, desto mehr ist die letztere subjektiv. Da alle instinktartige Handlungen ei- nen mehr subjektiven als objektiven Grund haben, und da der Instinkt ein allgemeineres Princip der Selbstthätigkeit bey den Vögeln, Amphibien und Fischen als bey den Säugthieren, und bey diesen mehr herrschend als beym Menschen ist, so läſst sich hieraus erklären, warum das Gehirn bey den Wirbelthieren der drey niedern Classen mehr Rinde in Verhältniſs zum Mark als bey den Säugthieren, und bey den letztern mehr als beym Menschen enthält. Auch ist aus dieser Hypothese begreiflich, weswegen alle Nerven des sym- r) Untersuchungen des Gehirns im Wahnsinn u. s. w.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/182>, abgerufen am 21.11.2024.