Nervenpaar entspringende und blos unter dessen Einfluss stehende Fäden, doch zweifelhaft bleibt, ob solche Fäden nicht Nerven des Tastsinns der Zunge sind, von dem sich mit mehr Recht als von dem Geschmackssinn behaupten lässt, dass er vorne an der Zunge am zartesten ist.
Es lässt sich also nach allen bisherigen Gründen der Sitz des Geschmacks in keinen der beyden gedachten Nerven allein setzen. Aber auch dem Zungenschlundkopfnerven lässt sich eine unmittelbare Funktion beym Schmek- ken nicht absprechen. Sömmerringd) verfolgte ihn beym Menschen bis in die abgestumpften Zungenwärzchen. Bey den Vögeln giebt, wie Tiedemanne) bemerkt und wie ich ebenfalls bey der Gans und bey der Ente gefunden habe, der dritte Ast des fünften Nervenpaars über- haupt keinen Zweig an die Zunge, sondern blos an die Gaumenwärzchen. Der Zungenschlund- kopfnerve aber läuft bey dem Specht, dem Wendehals und ähnlichen Vögeln, die ihre Zunge weit aus dem Munde hervorstrecken, in der häutigen Scheide, welche dieses Organ um- giebt, bis zur pfeilartigen Spitze desselben fort, wo er sich in der Haut endigt, indem er zu- gleich während seines Verlaufs feine Fäden an
die
d) A. a. O. S. 5.
e) Anatomie u. Nat. Gesch. der Vögel. B. 1. S. 31.
Nervenpaar entspringende und blos unter dessen Einfluſs stehende Fäden, doch zweifelhaft bleibt, ob solche Fäden nicht Nerven des Tastsinns der Zunge sind, von dem sich mit mehr Recht als von dem Geschmackssinn behaupten läſst, daſs er vorne an der Zunge am zartesten ist.
Es läſst sich also nach allen bisherigen Gründen der Sitz des Geschmacks in keinen der beyden gedachten Nerven allein setzen. Aber auch dem Zungenschlundkopfnerven läſst sich eine unmittelbare Funktion beym Schmek- ken nicht absprechen. Sömmerringd) verfolgte ihn beym Menschen bis in die abgestumpften Zungenwärzchen. Bey den Vögeln giebt, wie Tiedemanne) bemerkt und wie ich ebenfalls bey der Gans und bey der Ente gefunden habe, der dritte Ast des fünften Nervenpaars über- haupt keinen Zweig an die Zunge, sondern blos an die Gaumenwärzchen. Der Zungenschlund- kopfnerve aber läuft bey dem Specht, dem Wendehals und ähnlichen Vögeln, die ihre Zunge weit aus dem Munde hervorstrecken, in der häutigen Scheide, welche dieses Organ um- giebt, bis zur pfeilartigen Spitze desselben fort, wo er sich in der Haut endigt, indem er zu- gleich während seines Verlaufs feine Fäden an
die
d) A. a. O. S. 5.
e) Anatomie u. Nat. Gesch. der Vögel. B. 1. S. 31.
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Nervenpaar entspringende und blos unter dessen
Einfluſs stehende Fäden, doch zweifelhaft bleibt,
ob solche Fäden nicht Nerven des Tastsinns der
Zunge sind, von dem sich mit mehr Recht als
von dem Geschmackssinn behaupten läſst, daſs
er vorne an der Zunge am zartesten ist.
Es läſst sich also nach allen bisherigen
Gründen der Sitz des Geschmacks in keinen
der beyden gedachten Nerven allein setzen.
Aber auch dem Zungenschlundkopfnerven läſst
sich eine unmittelbare Funktion beym Schmek-
ken nicht absprechen. Sömmerring d) verfolgte
ihn beym Menschen bis in die abgestumpften
Zungenwärzchen. Bey den Vögeln giebt, wie
Tiedemann e) bemerkt und wie ich ebenfalls
bey der Gans und bey der Ente gefunden habe,
der dritte Ast des fünften Nervenpaars über-
haupt keinen Zweig an die Zunge, sondern blos
an die Gaumenwärzchen. Der Zungenschlund-
kopfnerve aber läuft bey dem Specht, dem
Wendehals und ähnlichen Vögeln, die ihre
Zunge weit aus dem Munde hervorstrecken, in
der häutigen Scheide, welche dieses Organ um-
giebt, bis zur pfeilartigen Spitze desselben fort,
wo er sich in der Haut endigt, indem er zu-
gleich während seines Verlaufs feine Fäden an
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d) A. a. O. S. 5.
e) Anatomie u. Nat. Gesch. der Vögel. B. 1. S. 31.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/256>, abgerufen am 21.11.2024.
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