Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.Wie bey dem Thier, so treten ferner auch Wie t) Des Taubgebornen, der in spätern Jahren plötzlich
das Gehör erhielt und dessen Geschichte in der Hi- stoire de l'Acad. des sc. de Paris (A. 1703. p. 22. der Octav-Ausgabe) von Felibien erzählt ist, be- mächtigten sich gleich, nachdem seine Genesung be- kannt geworden war, die Geistlichen und prüften ihn über Gott, die Seele, die Moralität der Hand- lungen u. dergl. Man fand aber bald, dass er gar keine Begriffe von diesen Sachen hatte, obgleich es ihm nicht an Geist fehlte und die Gebräuche der katholischen Kirche von ihm mechanisch mit- gemacht waren. Der Wie bey dem Thier, so treten ferner auch Wie t) Des Taubgebornen, der in spätern Jahren plötzlich
das Gehör erhielt und dessen Geschichte in der Hi- stoire de l’Acad. des sc. de Paris (A. 1703. p. 22. der Octav-Ausgabe) von Felibien erzählt ist, be- mächtigten sich gleich, nachdem seine Genesung be- kannt geworden war, die Geistlichen und prüften ihn über Gott, die Seele, die Moralität der Hand- lungen u. dergl. Man fand aber bald, daſs er gar keine Begriffe von diesen Sachen hatte, obgleich es ihm nicht an Geist fehlte und die Gebräuche der katholischen Kirche von ihm mechanisch mit- gemacht waren. Der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0034" n="22"/> <p>Wie bey dem Thier, so treten ferner auch<lb/> bey dem Menschen manche Wirkungen des selbst-<lb/> thätigen Princips nur im Zustande des geselligen<lb/> Lebens hervor. Der isolirte Mensch würde nie<lb/> eine Sprache erlangt haben. Diese kann nur in<lb/> gesellschaftlicher Verbindung entstanden seyn, ob-<lb/> gleich der gesellige Mensch so wenig als der iso-<lb/> lirte sie erfinden konnte und Niemand die Art<lb/> ihrer Entstehung anzugeben im Stande ist. Sie<lb/> steht in naher Verbindung mit dem moralischen<lb/> Gefühl, welches ebenfalls nur in der Gesellig-<lb/> keit sich ganz entwickelt und wovon selbst in<lb/> die wildesten der Thiere zuweilen Funken von<lb/> ihm überzugehen scheinen, sobald sie durch<lb/> Wohlthaten an ihn gefesselt sind und Genossen<lb/> seiner Wohnung werden <note xml:id="seg2pn_2_1" next="#seg2pn_2_2" place="foot" n="t)">Des Taubgebornen, der in spätern Jahren plötzlich<lb/> das Gehör erhielt und dessen Geschichte in der Hi-<lb/> stoire de l’Acad. des sc. de Paris (A. 1703. p. 22.<lb/> der Octav-Ausgabe) von <hi rendition="#k">Felibien</hi> erzählt ist, be-<lb/> mächtigten sich gleich, nachdem seine Genesung be-<lb/> kannt geworden war, die Geistlichen und prüften<lb/> ihn über Gott, die Seele, die Moralität der Hand-<lb/> lungen u. dergl. Man fand aber bald, daſs er gar<lb/> keine Begriffe von diesen Sachen hatte, obgleich<lb/> es ihm nicht an Geist fehlte und die Gebräuche<lb/> der katholischen Kirche von ihm mechanisch mit-<lb/> gemacht waren.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0034]
Wie bey dem Thier, so treten ferner auch
bey dem Menschen manche Wirkungen des selbst-
thätigen Princips nur im Zustande des geselligen
Lebens hervor. Der isolirte Mensch würde nie
eine Sprache erlangt haben. Diese kann nur in
gesellschaftlicher Verbindung entstanden seyn, ob-
gleich der gesellige Mensch so wenig als der iso-
lirte sie erfinden konnte und Niemand die Art
ihrer Entstehung anzugeben im Stande ist. Sie
steht in naher Verbindung mit dem moralischen
Gefühl, welches ebenfalls nur in der Gesellig-
keit sich ganz entwickelt und wovon selbst in
die wildesten der Thiere zuweilen Funken von
ihm überzugehen scheinen, sobald sie durch
Wohlthaten an ihn gefesselt sind und Genossen
seiner Wohnung werden t).
Wie
t) Des Taubgebornen, der in spätern Jahren plötzlich
das Gehör erhielt und dessen Geschichte in der Hi-
stoire de l’Acad. des sc. de Paris (A. 1703. p. 22.
der Octav-Ausgabe) von Felibien erzählt ist, be-
mächtigten sich gleich, nachdem seine Genesung be-
kannt geworden war, die Geistlichen und prüften
ihn über Gott, die Seele, die Moralität der Hand-
lungen u. dergl. Man fand aber bald, daſs er gar
keine Begriffe von diesen Sachen hatte, obgleich
es ihm nicht an Geist fehlte und die Gebräuche
der katholischen Kirche von ihm mechanisch mit-
gemacht waren.
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