je grösser diese Neigung und je ausgedehnter die Fläche des Trommelfells ist. So allgemein ausgedrückt lässt sich aber dieser Satz nicht vertheidigen. Der Neigungswinkel jener Ebene steht mit der Lebensweise jedes Thiers in Be- ziehung. Bey Thieren, die vorzüglich auf Töne zu horchen haben, welche von unten kommen, oder sich längs dem Erdboden fortpflanzen, liegt das Trommelfell mehr horizontal als bey andern; ihr Gehör ist aber darum nicht immer feiner als bey den letztern. Durch ein grösseres Trommelfell kann die Schärfe des Gehörs nur insoweit bedingt seyn, als damit ein weiterer äusserer Gehörgang verbunden ist. Mehr Ein- fluss auf das Gehör hat die Neigung der Ebene des Trommelfells gegen die Axe des äussern Gehörgangs. Bey einerley Weite des letztern und einerley Grösse jener Haut wird der näm- liche Schall einen desto stärkern Eindruck ma- chen, je mehr sich der Einfallswinkel der Schallschwingungen auf das Trommelfell dem rechten Winkel nähert. Die Natur hat jedoch Einrichtungen getroffen, vermöge welcher da, wo jener Winkel sehr spitz seyn musste, der Eindruck des Schalls erhöht wird. Beym Maul- wurf z. B., dessen Trommelfell sehr schief gegen die Axe des äussern Gehörgangs liegt, erweitert sich dieser Gang nach innen zu einer knöchernen Blase, wodurch die Schallschwin-
gun-
B b 2
je gröſser diese Neigung und je ausgedehnter die Fläche des Trommelfells ist. So allgemein ausgedrückt läſst sich aber dieser Satz nicht vertheidigen. Der Neigungswinkel jener Ebene steht mit der Lebensweise jedes Thiers in Be- ziehung. Bey Thieren, die vorzüglich auf Töne zu horchen haben, welche von unten kommen, oder sich längs dem Erdboden fortpflanzen, liegt das Trommelfell mehr horizontal als bey andern; ihr Gehör ist aber darum nicht immer feiner als bey den letztern. Durch ein gröſseres Trommelfell kann die Schärfe des Gehörs nur insoweit bedingt seyn, als damit ein weiterer äuſserer Gehörgang verbunden ist. Mehr Ein- fluſs auf das Gehör hat die Neigung der Ebene des Trommelfells gegen die Axe des äuſsern Gehörgangs. Bey einerley Weite des letztern und einerley Gröſse jener Haut wird der näm- liche Schall einen desto stärkern Eindruck ma- chen, je mehr sich der Einfallswinkel der Schallschwingungen auf das Trommelfell dem rechten Winkel nähert. Die Natur hat jedoch Einrichtungen getroffen, vermöge welcher da, wo jener Winkel sehr spitz seyn muſste, der Eindruck des Schalls erhöht wird. Beym Maul- wurf z. B., dessen Trommelfell sehr schief gegen die Axe des äuſsern Gehörgangs liegt, erweitert sich dieser Gang nach innen zu einer knöchernen Blase, wodurch die Schallschwin-
gun-
B b 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0399"n="381"/>
je gröſser diese Neigung und je ausgedehnter<lb/>
die Fläche des Trommelfells ist. So allgemein<lb/>
ausgedrückt läſst sich aber dieser Satz nicht<lb/>
vertheidigen. Der Neigungswinkel jener Ebene<lb/>
steht mit der Lebensweise jedes Thiers in Be-<lb/>
ziehung. Bey Thieren, die vorzüglich auf Töne<lb/>
zu horchen haben, welche von unten kommen,<lb/>
oder sich längs dem Erdboden fortpflanzen,<lb/>
liegt das Trommelfell mehr horizontal als bey<lb/>
andern; ihr Gehör ist aber darum nicht immer<lb/>
feiner als bey den letztern. Durch ein gröſseres<lb/>
Trommelfell kann die Schärfe des Gehörs nur<lb/>
insoweit bedingt seyn, als damit ein weiterer<lb/>
äuſserer Gehörgang verbunden ist. Mehr Ein-<lb/>
fluſs auf das Gehör hat die Neigung der Ebene<lb/>
des Trommelfells gegen die Axe des äuſsern<lb/>
Gehörgangs. Bey einerley Weite des letztern<lb/>
und einerley Gröſse jener Haut wird der näm-<lb/>
liche Schall einen desto stärkern Eindruck ma-<lb/>
chen, je mehr sich der Einfallswinkel der<lb/>
Schallschwingungen auf das Trommelfell dem<lb/>
rechten Winkel nähert. Die Natur hat jedoch<lb/>
Einrichtungen getroffen, vermöge welcher da,<lb/>
wo jener Winkel sehr spitz seyn muſste, der<lb/>
Eindruck des Schalls erhöht wird. Beym Maul-<lb/>
wurf z. B., dessen Trommelfell sehr schief<lb/>
gegen die Axe des äuſsern Gehörgangs liegt,<lb/>
erweitert sich dieser Gang nach innen zu einer<lb/>
knöchernen Blase, wodurch die Schallschwin-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">gun-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[381/0399]
je gröſser diese Neigung und je ausgedehnter
die Fläche des Trommelfells ist. So allgemein
ausgedrückt läſst sich aber dieser Satz nicht
vertheidigen. Der Neigungswinkel jener Ebene
steht mit der Lebensweise jedes Thiers in Be-
ziehung. Bey Thieren, die vorzüglich auf Töne
zu horchen haben, welche von unten kommen,
oder sich längs dem Erdboden fortpflanzen,
liegt das Trommelfell mehr horizontal als bey
andern; ihr Gehör ist aber darum nicht immer
feiner als bey den letztern. Durch ein gröſseres
Trommelfell kann die Schärfe des Gehörs nur
insoweit bedingt seyn, als damit ein weiterer
äuſserer Gehörgang verbunden ist. Mehr Ein-
fluſs auf das Gehör hat die Neigung der Ebene
des Trommelfells gegen die Axe des äuſsern
Gehörgangs. Bey einerley Weite des letztern
und einerley Gröſse jener Haut wird der näm-
liche Schall einen desto stärkern Eindruck ma-
chen, je mehr sich der Einfallswinkel der
Schallschwingungen auf das Trommelfell dem
rechten Winkel nähert. Die Natur hat jedoch
Einrichtungen getroffen, vermöge welcher da,
wo jener Winkel sehr spitz seyn muſste, der
Eindruck des Schalls erhöht wird. Beym Maul-
wurf z. B., dessen Trommelfell sehr schief
gegen die Axe des äuſsern Gehörgangs liegt,
erweitert sich dieser Gang nach innen zu einer
knöchernen Blase, wodurch die Schallschwin-
gun-
B b 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/399>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.