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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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und seinen unsichern Flug, dass ihm die Be-
deutung des Sichtbaren noch nicht klar gewor-
den ist. Es giebt eine prästabilirte Harmonie
jedes Sinns mit allen übrigen. Aber durch sie
kann nicht das nie Gekannte unmittelbar be-
griffen, sondern nur bewusstlos auf schon Er-
kanntes bezogen werden. Diese Operation setzt
den ursprünglich ungeschwächten Gebrauch der
Geisteskräfte voraus. Haslam a) erzählt von
einem siebenjährigen Knaben, der von seiner
Geburt an verrückt war, dass derselbe die Ent-
fernungen der Dinge, vorzüglich derer, die sich
in der Höhe befanden, nicht zu schätzen im
Stande war, und z. B. nach einem Nagel an
der Decke, oder nach dem Monde griff.

Wie bey manchen Menschen, so kann es
auch bey den Thieren ein vollkommeneres
und unvollkommeneres Sehen geben. Der nie-
drigste Grad wird das blosse Wahrnehmungs-
vermögen des Lichts seyn. Auf den höhern
Stufen wird der Gesichtssinn diejenigen Eigen-
schaften der Körper, woraus deren räumliche
Verhältnisse erkannt werden, und auf noch
höhern mit diesen auch die Farben derselben
vorstellen. Sind wirklich solche Abstufungen
im Thierreiche vorhanden, so muss ihnen eine

voll-
a) Observat. on madness and melancholy. Ed. 2. p. 187.
VI. Bd. E e

und seinen unsichern Flug, daſs ihm die Be-
deutung des Sichtbaren noch nicht klar gewor-
den ist. Es giebt eine prästabilirte Harmonie
jedes Sinns mit allen übrigen. Aber durch sie
kann nicht das nie Gekannte unmittelbar be-
griffen, sondern nur bewuſstlos auf schon Er-
kanntes bezogen werden. Diese Operation setzt
den ursprünglich ungeschwächten Gebrauch der
Geisteskräfte voraus. Haslam a) erzählt von
einem siebenjährigen Knaben, der von seiner
Geburt an verrückt war, daſs derselbe die Ent-
fernungen der Dinge, vorzüglich derer, die sich
in der Höhe befanden, nicht zu schätzen im
Stande war, und z. B. nach einem Nagel an
der Decke, oder nach dem Monde griff.

Wie bey manchen Menschen, so kann es
auch bey den Thieren ein vollkommeneres
und unvollkommeneres Sehen geben. Der nie-
drigste Grad wird das bloſse Wahrnehmungs-
vermögen des Lichts seyn. Auf den höhern
Stufen wird der Gesichtssinn diejenigen Eigen-
schaften der Körper, woraus deren räumliche
Verhältnisse erkannt werden, und auf noch
höhern mit diesen auch die Farben derselben
vorstellen. Sind wirklich solche Abstufungen
im Thierreiche vorhanden, so muſs ihnen eine

voll-
a) Observat. on madneſs and melancholy. Ed. 2. p. 187.
VI. Bd. E e
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[427/0445] und seinen unsichern Flug, daſs ihm die Be- deutung des Sichtbaren noch nicht klar gewor- den ist. Es giebt eine prästabilirte Harmonie jedes Sinns mit allen übrigen. Aber durch sie kann nicht das nie Gekannte unmittelbar be- griffen, sondern nur bewuſstlos auf schon Er- kanntes bezogen werden. Diese Operation setzt den ursprünglich ungeschwächten Gebrauch der Geisteskräfte voraus. Haslam a) erzählt von einem siebenjährigen Knaben, der von seiner Geburt an verrückt war, daſs derselbe die Ent- fernungen der Dinge, vorzüglich derer, die sich in der Höhe befanden, nicht zu schätzen im Stande war, und z. B. nach einem Nagel an der Decke, oder nach dem Monde griff. Wie bey manchen Menschen, so kann es auch bey den Thieren ein vollkommeneres und unvollkommeneres Sehen geben. Der nie- drigste Grad wird das bloſse Wahrnehmungs- vermögen des Lichts seyn. Auf den höhern Stufen wird der Gesichtssinn diejenigen Eigen- schaften der Körper, woraus deren räumliche Verhältnisse erkannt werden, und auf noch höhern mit diesen auch die Farben derselben vorstellen. Sind wirklich solche Abstufungen im Thierreiche vorhanden, so muſs ihnen eine voll- a) Observat. on madneſs and melancholy. Ed. 2. p. 187. VI. Bd. E e

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/445>, abgerufen am 22.11.2024.