eindrücke, von der Selbstthätigkeit des Senso- rium ableiten: denn bey ihr sind nicht gleich- artige Eindrücke zu vereinigen, sondern Gegen- sätze aufzuheben. Die Macht der Gewohnheit kann diese Aufhebung nicht bewirken. Bey keinem Blindgebornen, der in spätern Jahren den Gebrauch der Augen erhielt, bemerkte man eine Disharmonie zwischen dem Gesicht und Getast. Diese würde sich aber gewiss ge- zeigt haben, wenn man einen solchen gleich nach erlangtem Gesicht die Gegenstände durch optische Vorrichtungen in der entgegengesetzten Stellung, worin sie dem blossen Auge erschei- nen, hätte sehen lassen. Gegen zwey neuere Erklärungen des Sehens, von welchen die eine voraussetzt, nicht die Netzhaut, sondern die Hornhaut, auf welcher sich die Bilder der äussern Gegenstände aufrecht spiegeln, sey das wahre Organ des Sehens v), die andere das auf die Oberfläche des Gegenstandes durch die "glatte" Membran des Glaskörpers zurückge- worfene Bild für das eigentliche Objekt des Sehens annimmt w), lässt sich zwar nicht ein- wenden, dass durch sie diese Schwierigkeit nicht gehoben wird, wohl aber, dass es schwer
hält
v) Annals of Philosophy. Y. 1820. April. p. 260.
w)Meckel's Archiv f. d. Physiol. B. 5. S. 97.
O o 4
eindrücke, von der Selbstthätigkeit des Senso- rium ableiten: denn bey ihr sind nicht gleich- artige Eindrücke zu vereinigen, sondern Gegen- sätze aufzuheben. Die Macht der Gewohnheit kann diese Aufhebung nicht bewirken. Bey keinem Blindgebornen, der in spätern Jahren den Gebrauch der Augen erhielt, bemerkte man eine Disharmonie zwischen dem Gesicht und Getast. Diese würde sich aber gewiſs ge- zeigt haben, wenn man einen solchen gleich nach erlangtem Gesicht die Gegenstände durch optische Vorrichtungen in der entgegengesetzten Stellung, worin sie dem bloſsen Auge erschei- nen, hätte sehen lassen. Gegen zwey neuere Erklärungen des Sehens, von welchen die eine voraussetzt, nicht die Netzhaut, sondern die Hornhaut, auf welcher sich die Bilder der äuſsern Gegenstände aufrecht spiegeln, sey das wahre Organ des Sehens v), die andere das auf die Oberfläche des Gegenstandes durch die “glatte” Membran des Glaskörpers zurückge- worfene Bild für das eigentliche Objekt des Sehens annimmt w), läſst sich zwar nicht ein- wenden, daſs durch sie diese Schwierigkeit nicht gehoben wird, wohl aber, daſs es schwer
hält
v) Annals of Philosophy. Y. 1820. April. p. 260.
w)Meckel’s Archiv f. d. Physiol. B. 5. S. 97.
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eindrücke, von der Selbstthätigkeit des Senso-
rium ableiten: denn bey ihr sind nicht gleich-
artige Eindrücke zu vereinigen, sondern Gegen-
sätze aufzuheben. Die Macht der Gewohnheit
kann diese Aufhebung nicht bewirken. Bey
keinem Blindgebornen, der in spätern Jahren
den Gebrauch der Augen erhielt, bemerkte
man eine Disharmonie zwischen dem Gesicht
und Getast. Diese würde sich aber gewiſs ge-
zeigt haben, wenn man einen solchen gleich
nach erlangtem Gesicht die Gegenstände durch
optische Vorrichtungen in der entgegengesetzten
Stellung, worin sie dem bloſsen Auge erschei-
nen, hätte sehen lassen. Gegen zwey neuere
Erklärungen des Sehens, von welchen die eine
voraussetzt, nicht die Netzhaut, sondern die
Hornhaut, auf welcher sich die Bilder der
äuſsern Gegenstände aufrecht spiegeln, sey das
wahre Organ des Sehens v), die andere das
auf die Oberfläche des Gegenstandes durch die
“glatte” Membran des Glaskörpers zurückge-
worfene Bild für das eigentliche Objekt des
Sehens annimmt w), läſst sich zwar nicht ein-
wenden, daſs durch sie diese Schwierigkeit
nicht gehoben wird, wohl aber, daſs es schwer
hält
v) Annals of Philosophy. Y. 1820. April. p. 260.
w) Meckel’s Archiv f. d. Physiol. B. 5. S. 97.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/599>, abgerufen am 24.11.2024.
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