Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Schrecken schwächt sowohl die Empfänglichkeit
für Reitze, als das Rückwirkungsvermögen; durch
Furcht, Kummer und Gram wird dieses eben-
falls geschwächt, jene aber oft erhöht. Die Wir-
kungen des Schreckens auf die Bewegung des
Herzens haben eine merkwürdige Aehnlichkeit
mit dem Einfluss, den das plötzliche Einstossen
eines Griffels in das Rückenmark auf diese Be-
wegung äussert. Von der erstern sowohl als
der letztern Ursache ist der Erfolg erst Hem-
mung des Herzschlags, und dann Abnahme der
Stärke desselhen.

Nach dieser Analogie zu schliessen würde
die Einwirkung der Affekten auf die hämatodi-
schen und anapnoischen Bewegungen von den
Nerven unmittelbar auf die Reitzbarkeit der
zur Hervorbringung dieser Bewegung dienenden
Muskeln geschehen. Zum Theil findet eine sol-
che unmittelbare Veränderung auch wohl statt.
Doch zum Theil scheint jene Einwirkung mit-
telbar als Folge einer Abweichung der bildenden
Kraft des Bluts und der übrigen thierischen Säfte
von ihrer regelmässigen Thätigkeit einzutreten.
Diese steht ohne allen Zweifel unter dem di-
rekten Einfluss der Gemüthsbewegungen. Von
dem Zorn, dem Aerger und Verdruss wird die
Absonderung der Galle, von der Wuth die des
Speichels, von der Traurigkeit die der Thränen,

und

Schrecken schwächt sowohl die Empfänglichkeit
für Reitze, als das Rückwirkungsvermögen; durch
Furcht, Kummer und Gram wird dieses eben-
falls geschwächt, jene aber oft erhöht. Die Wir-
kungen des Schreckens auf die Bewegung des
Herzens haben eine merkwürdige Aehnlichkeit
mit dem Einfluſs, den das plötzliche Einstoſsen
eines Griffels in das Rückenmark auf diese Be-
wegung äuſsert. Von der erstern sowohl als
der letztern Ursache ist der Erfolg erst Hem-
mung des Herzschlags, und dann Abnahme der
Stärke desselhen.

Nach dieser Analogie zu schlieſsen würde
die Einwirkung der Affekten auf die hämatodi-
schen und anapnoischen Bewegungen von den
Nerven unmittelbar auf die Reitzbarkeit der
zur Hervorbringung dieser Bewegung dienenden
Muskeln geschehen. Zum Theil findet eine sol-
che unmittelbare Veränderung auch wohl statt.
Doch zum Theil scheint jene Einwirkung mit-
telbar als Folge einer Abweichung der bildenden
Kraft des Bluts und der übrigen thierischen Säfte
von ihrer regelmäſsigen Thätigkeit einzutreten.
Diese steht ohne allen Zweifel unter dem di-
rekten Einfluſs der Gemüthsbewegungen. Von
dem Zorn, dem Aerger und Verdruſs wird die
Absonderung der Galle, von der Wuth die des
Speichels, von der Traurigkeit die der Thränen,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0072" n="60"/>
Schrecken schwächt sowohl die Empfänglichkeit<lb/>
für Reitze, als das Rückwirkungsvermögen; durch<lb/>
Furcht, Kummer und Gram wird dieses eben-<lb/>
falls geschwächt, jene aber oft erhöht. Die Wir-<lb/>
kungen des Schreckens auf die Bewegung des<lb/>
Herzens haben eine merkwürdige Aehnlichkeit<lb/>
mit dem Einflu&#x017F;s, den das plötzliche Einsto&#x017F;sen<lb/>
eines Griffels in das Rückenmark auf diese Be-<lb/>
wegung äu&#x017F;sert. Von der erstern sowohl als<lb/>
der letztern Ursache ist der Erfolg erst Hem-<lb/>
mung des Herzschlags, und dann Abnahme der<lb/>
Stärke desselhen.</p><lb/>
            <p>Nach dieser Analogie zu schlie&#x017F;sen würde<lb/>
die Einwirkung der Affekten auf die hämatodi-<lb/>
schen und anapnoischen Bewegungen von den<lb/>
Nerven unmittelbar auf die Reitzbarkeit der<lb/>
zur Hervorbringung dieser Bewegung dienenden<lb/>
Muskeln geschehen. Zum Theil findet eine sol-<lb/>
che unmittelbare Veränderung auch wohl statt.<lb/>
Doch zum Theil scheint jene Einwirkung mit-<lb/>
telbar als Folge einer Abweichung der bildenden<lb/>
Kraft des Bluts und der übrigen thierischen Säfte<lb/>
von ihrer regelmä&#x017F;sigen Thätigkeit einzutreten.<lb/>
Diese steht ohne allen Zweifel unter dem di-<lb/>
rekten Einflu&#x017F;s der Gemüthsbewegungen. Von<lb/>
dem Zorn, dem Aerger und Verdru&#x017F;s wird die<lb/>
Absonderung der Galle, von der Wuth die des<lb/>
Speichels, von der Traurigkeit die der Thränen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0072] Schrecken schwächt sowohl die Empfänglichkeit für Reitze, als das Rückwirkungsvermögen; durch Furcht, Kummer und Gram wird dieses eben- falls geschwächt, jene aber oft erhöht. Die Wir- kungen des Schreckens auf die Bewegung des Herzens haben eine merkwürdige Aehnlichkeit mit dem Einfluſs, den das plötzliche Einstoſsen eines Griffels in das Rückenmark auf diese Be- wegung äuſsert. Von der erstern sowohl als der letztern Ursache ist der Erfolg erst Hem- mung des Herzschlags, und dann Abnahme der Stärke desselhen. Nach dieser Analogie zu schlieſsen würde die Einwirkung der Affekten auf die hämatodi- schen und anapnoischen Bewegungen von den Nerven unmittelbar auf die Reitzbarkeit der zur Hervorbringung dieser Bewegung dienenden Muskeln geschehen. Zum Theil findet eine sol- che unmittelbare Veränderung auch wohl statt. Doch zum Theil scheint jene Einwirkung mit- telbar als Folge einer Abweichung der bildenden Kraft des Bluts und der übrigen thierischen Säfte von ihrer regelmäſsigen Thätigkeit einzutreten. Diese steht ohne allen Zweifel unter dem di- rekten Einfluſs der Gemüthsbewegungen. Von dem Zorn, dem Aerger und Verdruſs wird die Absonderung der Galle, von der Wuth die des Speichels, von der Traurigkeit die der Thränen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/72
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/72>, abgerufen am 24.11.2024.