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Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.

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Cer
wirfft er es niemals ab; wird er
aber durch einen Schuß daselbst
verletzet, so wird er gantz ausser
der Zeit werffen, verecken und
schlagen, auch nicht förmlich, son-
dern nur kurtze und krumme En-
den aufsetzen. Jm Sommer ge-
hen die Hirsche mit dem Wild fleis-
sig in das Getreide, als Erbsen,
Gerste, Wicken, Haber, Flachs-
Knoten, Eichel-Mast, wild Obst,
Kraut, Rüben und dergleichen;
sie halten sich heimlich, und gehen
nicht weit zu Felde, auch nicht
weit zu Holtze, daß sie nicht ver-
rathen werden. Gegen Jacobi
um die Erndte-Zeit, werden sie sehr
feiste, welches man die Hirsch-Fei-
ste nennet. Diese dauert bis zur
Brunst-Zeit. Solche währet oft
lang, gemeiniglich drey bis vier
Wochen, und weil ein Hirsch ze-
hen bis funffzehen Thiere beschicket,
nehmen sie dergestalt dabey ab, daß
fast nichts als Haut und Knochen
an ihnen bleibet. Nach der Brunst-
Zeit begeben sich die Hirsche wie-
der zusammen, und bleiben den
Winter über mehr, als im Som-
mer bey einander, es mögen auch
alsdenn die grossen Hirsche die
kleinen besser leiden, welche sie vor
und in der Brunst-Zeit von sich
jagen, und nicht um sich dulten
können; im Winter aber scharren
sie nach der Heide oder Heide-
Kraut, beissen die Knospen von
jungen Bäumen, Eichen und Bir-
cken, schälen auch die jungen Rin-
den von Aspen und Kiefern, pflü-
cken den Vogel-Kien und Mistel
von Wind-Brüchen ab, suchen
auch die Eichel- und Buch-Mast
unter dem Lande hervor. Sie ver-
bergen sich vor der Kälte in Be-
hältnissen, tieffen Gründen und
Dickigten, suchen in warmen Qvel-
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Cer
len Nahrung von Brunnen-Kresse,
Kräutern und Wurtzeln; wo die
Sonne fein anscheinet, wärmen
sie sich; des Nachts aber, da alles
Wild viel kühner und nicht so für-
sichtig, als am Tage ist, gehen sie
auf der grünen Saat; im harten
Winter und bey tieffem Schnee,
da sie kein Geäse finden können,
werden sie in den Thier-Gärten
und Gehägen, in denen Heu-
Scheunen, oder sonst an gewissen
hierzu beqvemen Plätzen mit noth-
dürfftiger Fütterung versehen.
Des Frühlings, wenn sie sich haa-
ren, treibet ihnen die Natur zwi-
schen Haut und Fleisch, eine solche
Materie, aus deren Fäulung
Würmer wachsen, Enderlinge
genannt, so auch zuweilen durch
den Schlund, Nasen und Maul
heraus gehen, und eine Reinigung
des Geblütes sind, zu Zeiten aber
durch besagten Schlund so starck
treiben, daß das Thier ersticken
muß. Vier Jahr wächset ein Hirsch
in die Höhe, hernachmals leget er
aufs Unschlitt und Feiste, und
wächset in die Breite, Dicke und
Stärcke, so groß er werden soll,
ebenfalls vier Jahr Ein rechter
jagdbarer Hirsch, soll, wie er zu
Boden fället, mit vollem Wanst,
Gescheide und Gehörne, dreyhun-
dert Pfund an Gewichte, und
nicht weniger als zehen Enden ha-
ben. Dahero die Alten zu sagen
pflegen, was dem Hirschen an Ge-
hörn oder Zahl der Enden fehlete,
müste er am Wildpret um so viel
mehr haben. Man muß aber aus
der Grösse und Stärcke eines Hir-
schen keinesweges dessen Alter ju-
diciren, denn man findet Hirsche
von fünff bis sechs Jahren, welche,
wenn sie zumal in der Milch- oder
Sauge-Zeit ihrer Mütter nicht

berau-

[Spaltenumbruch]

Cer
wirfft er es niemals ab; wird er
aber durch einen Schuß daſelbſt
verletzet, ſo wird er gantz auſſer
der Zeit werffen, verecken und
ſchlagen, auch nicht foͤrmlich, ſon-
dern nur kurtze und krumme En-
den aufſetzen. Jm Sommer ge-
hen die Hirſche mit dem Wild fleiſ-
ſig in das Getreide, als Erbſen,
Gerſte, Wicken, Haber, Flachs-
Knoten, Eichel-Maſt, wild Obſt,
Kraut, Ruͤben und dergleichen;
ſie halten ſich heimlich, und gehen
nicht weit zu Felde, auch nicht
weit zu Holtze, daß ſie nicht ver-
rathen werden. Gegen Jacobi
um die Erndte-Zeit, werden ſie ſehr
feiſte, welches man die Hirſch-Fei-
ſte nennet. Dieſe dauert bis zur
Brunſt-Zeit. Solche waͤhret oft
lang, gemeiniglich drey bis vier
Wochen, und weil ein Hirſch ze-
hen bis funffzehen Thiere beſchicket,
nehmen ſie dergeſtalt dabey ab, daß
faſt nichts als Haut und Knochen
an ihnen bleibet. Nach der Brunſt-
Zeit begeben ſich die Hirſche wie-
der zuſammen, und bleiben den
Winter uͤber mehr, als im Som-
mer bey einander, es moͤgen auch
alsdenn die groſſen Hirſche die
kleinen beſſer leiden, welche ſie vor
und in der Brunſt-Zeit von ſich
jagen, und nicht um ſich dulten
koͤnnen; im Winter aber ſcharren
ſie nach der Heide oder Heide-
Kraut, beiſſen die Knoſpen von
jungen Baͤumen, Eichen und Bir-
cken, ſchaͤlen auch die jungen Rin-
den von Aſpen und Kiefern, pfluͤ-
cken den Vogel-Kien und Miſtel
von Wind-Bruͤchen ab, ſuchen
auch die Eichel- und Buch-Maſt
unter dem Lande hervor. Sie ver-
bergen ſich vor der Kaͤlte in Be-
haͤltniſſen, tieffen Gruͤnden und
Dickigten, ſuchen in warmen Qvel-
[Spaltenumbruch]
Cer
len Nahrung von Brunnen-Kreſſe,
Kraͤutern und Wurtzeln; wo die
Sonne fein anſcheinet, waͤrmen
ſie ſich; des Nachts aber, da alles
Wild viel kuͤhner und nicht ſo fuͤr-
ſichtig, als am Tage iſt, gehen ſie
auf der gruͤnen Saat; im harten
Winter und bey tieffem Schnee,
da ſie kein Geaͤſe finden koͤnnen,
werden ſie in den Thier-Gaͤrten
und Gehaͤgen, in denen Heu-
Scheunen, oder ſonſt an gewiſſen
hierzu beqvemen Plaͤtzen mit noth-
duͤrfftiger Fuͤtterung verſehen.
Des Fruͤhlings, wenn ſie ſich haa-
ren, treibet ihnen die Natur zwi-
ſchen Haut und Fleiſch, eine ſolche
Materie, aus deren Faͤulung
Wuͤrmer wachſen, Enderlinge
genannt, ſo auch zuweilen durch
den Schlund, Naſen und Maul
heraus gehen, und eine Reinigung
des Gebluͤtes ſind, zu Zeiten aber
durch beſagten Schlund ſo ſtarck
treiben, daß das Thier erſticken
muß. Vier Jahr waͤchſet ein Hirſch
in die Hoͤhe, hernachmals leget er
aufs Unſchlitt und Feiſte, und
waͤchſet in die Breite, Dicke und
Staͤrcke, ſo groß er werden ſoll,
ebenfalls vier Jahr Ein rechter
jagdbarer Hirſch, ſoll, wie er zu
Boden faͤllet, mit vollem Wanſt,
Geſcheide und Gehoͤrne, dreyhun-
dert Pfund an Gewichte, und
nicht weniger als zehen Enden ha-
ben. Dahero die Alten zu ſagen
pflegen, was dem Hirſchen an Ge-
hoͤrn oder Zahl der Enden fehlete,
muͤſte er am Wildpret um ſo viel
mehr haben. Man muß aber aus
der Groͤſſe und Staͤrcke eines Hir-
ſchen keinesweges deſſen Alter ju-
diciren, denn man findet Hirſche
von fuͤnff bis ſechs Jahren, welche,
wenn ſie zumal in der Milch- oder
Sauge-Zeit ihrer Muͤtter nicht

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[0180] Cer Cer wirfft er es niemals ab; wird er aber durch einen Schuß daſelbſt verletzet, ſo wird er gantz auſſer der Zeit werffen, verecken und ſchlagen, auch nicht foͤrmlich, ſon- dern nur kurtze und krumme En- den aufſetzen. Jm Sommer ge- hen die Hirſche mit dem Wild fleiſ- ſig in das Getreide, als Erbſen, Gerſte, Wicken, Haber, Flachs- Knoten, Eichel-Maſt, wild Obſt, Kraut, Ruͤben und dergleichen; ſie halten ſich heimlich, und gehen nicht weit zu Felde, auch nicht weit zu Holtze, daß ſie nicht ver- rathen werden. Gegen Jacobi um die Erndte-Zeit, werden ſie ſehr feiſte, welches man die Hirſch-Fei- ſte nennet. Dieſe dauert bis zur Brunſt-Zeit. Solche waͤhret oft lang, gemeiniglich drey bis vier Wochen, und weil ein Hirſch ze- hen bis funffzehen Thiere beſchicket, nehmen ſie dergeſtalt dabey ab, daß faſt nichts als Haut und Knochen an ihnen bleibet. Nach der Brunſt- Zeit begeben ſich die Hirſche wie- der zuſammen, und bleiben den Winter uͤber mehr, als im Som- mer bey einander, es moͤgen auch alsdenn die groſſen Hirſche die kleinen beſſer leiden, welche ſie vor und in der Brunſt-Zeit von ſich jagen, und nicht um ſich dulten koͤnnen; im Winter aber ſcharren ſie nach der Heide oder Heide- Kraut, beiſſen die Knoſpen von jungen Baͤumen, Eichen und Bir- cken, ſchaͤlen auch die jungen Rin- den von Aſpen und Kiefern, pfluͤ- cken den Vogel-Kien und Miſtel von Wind-Bruͤchen ab, ſuchen auch die Eichel- und Buch-Maſt unter dem Lande hervor. Sie ver- bergen ſich vor der Kaͤlte in Be- haͤltniſſen, tieffen Gruͤnden und Dickigten, ſuchen in warmen Qvel- len Nahrung von Brunnen-Kreſſe, Kraͤutern und Wurtzeln; wo die Sonne fein anſcheinet, waͤrmen ſie ſich; des Nachts aber, da alles Wild viel kuͤhner und nicht ſo fuͤr- ſichtig, als am Tage iſt, gehen ſie auf der gruͤnen Saat; im harten Winter und bey tieffem Schnee, da ſie kein Geaͤſe finden koͤnnen, werden ſie in den Thier-Gaͤrten und Gehaͤgen, in denen Heu- Scheunen, oder ſonſt an gewiſſen hierzu beqvemen Plaͤtzen mit noth- duͤrfftiger Fuͤtterung verſehen. Des Fruͤhlings, wenn ſie ſich haa- ren, treibet ihnen die Natur zwi- ſchen Haut und Fleiſch, eine ſolche Materie, aus deren Faͤulung Wuͤrmer wachſen, Enderlinge genannt, ſo auch zuweilen durch den Schlund, Naſen und Maul heraus gehen, und eine Reinigung des Gebluͤtes ſind, zu Zeiten aber durch beſagten Schlund ſo ſtarck treiben, daß das Thier erſticken muß. Vier Jahr waͤchſet ein Hirſch in die Hoͤhe, hernachmals leget er aufs Unſchlitt und Feiſte, und waͤchſet in die Breite, Dicke und Staͤrcke, ſo groß er werden ſoll, ebenfalls vier Jahr Ein rechter jagdbarer Hirſch, ſoll, wie er zu Boden faͤllet, mit vollem Wanſt, Geſcheide und Gehoͤrne, dreyhun- dert Pfund an Gewichte, und nicht weniger als zehen Enden ha- ben. Dahero die Alten zu ſagen pflegen, was dem Hirſchen an Ge- hoͤrn oder Zahl der Enden fehlete, muͤſte er am Wildpret um ſo viel mehr haben. Man muß aber aus der Groͤſſe und Staͤrcke eines Hir- ſchen keinesweges deſſen Alter ju- diciren, denn man findet Hirſche von fuͤnff bis ſechs Jahren, welche, wenn ſie zumal in der Milch- oder Sauge-Zeit ihrer Muͤtter nicht berau-

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Zitationshilfe: Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742/180>, abgerufen am 21.11.2024.