Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die I. Anmerckung. (a) ex Natura, als auch ex Revelatione klar undoffenbahr. Allein derer Atheorum practi-aber viel Athei pra- ctici sind, corum giebt es leider! mehr als zu viel. Einige unter diesen haben eine vortreffliche Erkäntniß von GOttes Wesen und Wil-die nur ei- ne Gehirn- Erkäntniß, von GOtt haben; len, es ist aber solche nur in dem Gehirn, in das Hertz ist wenig oder nichts davon gekommen. Sie haben einen Glauben, der aber todt ist, weil ihm die guten Wer- cke, als die rechten Früchte, mangeln. Da- her leben sie in den Tag hinein, lassen ih- ren bösen Begierden den vollen Zügel, und fallen aus einer Sünde in die andere, biß sie endlich in dem Habitu zu sündigen so weit kommen, daß sie entweder die Bestrafung ihres eigenen Gewissens nicht mehr nachdrücklich empfinden; oder, da es je zuweilen bey ihnen aufwachet, sie solches durch allerhand Lustbarkeiten und Diverti- cula einzuschläfern; oder durch Bier, Wein und anderes hitziges Geträncke zu ersäuf- fen; oder diesem bellenden Hunde, durch Ausübung fleischlicher Lüste, das Maul zu stopffen; oder durch Vermehrung ihrer Wollust des Fleisches, den in ihnen meistens erstorbenen Geist vollends zu tödten su- chen. Andere haben auch ziemliche Wort- Erkäntniß von ihrer Religion; Sie wol-vor Esprits forts in der Welt passi- ren wol- len; len aber gern in der Welt vor Esprits forts passiren, und eine sonderliche Weißheit vor andern besitzen. Daher nehmen sie An- A 3
Die I. Anmerckung. (a) ex Natura, als auch ex Revelatione klar undoffenbahr. Allein derer Atheorum practi-aber viel Athei pra- ctici ſind, corum giebt es leider! mehr als zu viel. Einige unter dieſen haben eine vortreffliche Erkaͤntniß von GOttes Weſen und Wil-die nur ei- ne Gehirn- Erkaͤntniß, von GOtt haben; len, es iſt aber ſolche nur in dem Gehirn, in das Hertz iſt wenig oder nichts davon gekommen. Sie haben einen Glauben, der aber todt iſt, weil ihm die guten Wer- cke, als die rechten Fruͤchte, mangeln. Da- her leben ſie in den Tag hinein, laſſen ih- ren boͤſen Begierden den vollen Zuͤgel, und fallen aus einer Suͤnde in die andere, biß ſie endlich in dem Habitu zu ſuͤndigen ſo weit kommen, daß ſie entweder die Beſtrafung ihres eigenen Gewiſſens nicht mehr nachdruͤcklich empfinden; oder, da es je zuweilen bey ihnen aufwachet, ſie ſolches durch allerhand Luſtbarkeiten und Diverti- cula einzuſchlaͤfern; oder durch Bier, Wein und anderes hitziges Getraͤncke zu erſaͤuf- fen; oder dieſem bellenden Hunde, durch Ausuͤbung fleiſchlicher Luͤſte, das Maul zu ſtopffen; oder durch Vermehrung ihrer Wolluſt des Fleiſches, den in ihnen meiſtens erſtorbenen Geiſt vollends zu toͤdten ſu- chen. Andere haben auch ziemliche Wort- Erkaͤntniß von ihrer Religion; Sie wol-vor Eſprits forts in der Welt paſſi- ren wol- len; len aber gern in der Welt vor Eſprits forts paſſiren, und eine ſonderliche Weißheit vor andern beſitzen. Daher nehmen ſie An- A 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="na" prev="#za" place="end" n="(a)"><pb facs="#f0027" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">I.</hi> Anmerckung. <hi rendition="#aq">(a)</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">ex Natura,</hi> als auch <hi rendition="#aq">ex Revelatione</hi> klar und<lb/> offenbahr. Allein derer <hi rendition="#aq">Atheorum practi-</hi><note place="right">aber viel<lb/><hi rendition="#aq">Athei pra-<lb/> ctici</hi> ſind,</note><lb/><hi rendition="#aq">corum</hi> giebt es leider! mehr als zu viel.<lb/> Einige unter dieſen haben eine vortreffliche<lb/> Erkaͤntniß von GOttes Weſen und Wil-<note place="right">die nur ei-<lb/> ne Gehirn-<lb/> Erkaͤntniß,<lb/> von GOtt<lb/> haben;</note><lb/> len, es iſt aber ſolche nur in dem Gehirn,<lb/> in das Hertz iſt wenig oder nichts davon<lb/> gekommen. Sie haben einen Glauben,<lb/> der aber todt iſt, weil ihm die guten Wer-<lb/> cke, als die rechten Fruͤchte, mangeln. Da-<lb/> her leben ſie in den Tag hinein, laſſen ih-<lb/> ren boͤſen Begierden den vollen Zuͤgel,<lb/> und fallen aus einer Suͤnde in die andere,<lb/> biß ſie endlich in dem <hi rendition="#aq">Habitu</hi> zu ſuͤndigen<lb/> ſo weit kommen, daß ſie entweder die<lb/> Beſtrafung ihres eigenen Gewiſſens nicht<lb/> mehr nachdruͤcklich empfinden; oder, da es<lb/> je zuweilen bey ihnen aufwachet, ſie ſolches<lb/> durch allerhand Luſtbarkeiten und <hi rendition="#aq">Diverti-<lb/> cula</hi> einzuſchlaͤfern; oder durch Bier, Wein<lb/> und anderes hitziges Getraͤncke zu erſaͤuf-<lb/> fen; oder dieſem bellenden Hunde, durch<lb/> Ausuͤbung fleiſchlicher Luͤſte, das Maul zu<lb/> ſtopffen; oder durch Vermehrung ihrer<lb/> Wolluſt des Fleiſches, den in ihnen meiſtens<lb/> erſtorbenen Geiſt vollends zu toͤdten ſu-<lb/> chen. Andere haben auch ziemliche Wort-<lb/> Erkaͤntniß von ihrer Religion; Sie wol-<note place="right">vor <hi rendition="#aq">Eſprits<lb/> forts</hi> in der<lb/> Welt <hi rendition="#aq">paſſi-</hi><lb/> ren wol-<lb/> len;</note><lb/> len aber gern in der Welt vor <hi rendition="#aq">Eſprits forts<lb/> paſſi</hi>ren, und eine ſonderliche Weißheit vor<lb/> andern beſitzen. Daher nehmen ſie An-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">laß,</fw><lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [5/0027]
Die I. Anmerckung. (a)
⁽a⁾
ex Natura, als auch ex Revelatione klar und
offenbahr. Allein derer Atheorum practi-
corum giebt es leider! mehr als zu viel.
Einige unter dieſen haben eine vortreffliche
Erkaͤntniß von GOttes Weſen und Wil-
len, es iſt aber ſolche nur in dem Gehirn,
in das Hertz iſt wenig oder nichts davon
gekommen. Sie haben einen Glauben,
der aber todt iſt, weil ihm die guten Wer-
cke, als die rechten Fruͤchte, mangeln. Da-
her leben ſie in den Tag hinein, laſſen ih-
ren boͤſen Begierden den vollen Zuͤgel,
und fallen aus einer Suͤnde in die andere,
biß ſie endlich in dem Habitu zu ſuͤndigen
ſo weit kommen, daß ſie entweder die
Beſtrafung ihres eigenen Gewiſſens nicht
mehr nachdruͤcklich empfinden; oder, da es
je zuweilen bey ihnen aufwachet, ſie ſolches
durch allerhand Luſtbarkeiten und Diverti-
cula einzuſchlaͤfern; oder durch Bier, Wein
und anderes hitziges Getraͤncke zu erſaͤuf-
fen; oder dieſem bellenden Hunde, durch
Ausuͤbung fleiſchlicher Luͤſte, das Maul zu
ſtopffen; oder durch Vermehrung ihrer
Wolluſt des Fleiſches, den in ihnen meiſtens
erſtorbenen Geiſt vollends zu toͤdten ſu-
chen. Andere haben auch ziemliche Wort-
Erkaͤntniß von ihrer Religion; Sie wol-
len aber gern in der Welt vor Eſprits forts
paſſiren, und eine ſonderliche Weißheit vor
andern beſitzen. Daher nehmen ſie An-
laß,
A 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |