gewesen. Ja es flattiren sich die Mar- tis Söhne: Daß keine feindliche Ku- gel oder Schwerdt selbige entleiben kön- ne, bevor ihr Lebens-Ziel nicht zuge- gen u. s. w.
Nun ist zwar nicht zu läugnen,und beant- wortet wer- den. daß der allmächtige Schöpffer, dem Le- ben aller Menschen, allerdings ein ge- wisses Ziel gesetzet; Allein es ist auch dieses wahr, daß unter zehn tausend Menschen kaum zwey selbiges erlangen; sondern der allermeiste Theil gehet mehr durch einen gewaltsamen Tod, und also für dem ihnen in der Natur von GOtt gesetzten Ziel, zu Grabe. Wie dann von keinem Menschen, welcher an einer schmertzhafften oder andern Kranckheit stirbet, gesaget werden kan, daß er eines natürlichen Todes gestor- ben sey, und zwar respectu marcoris senilis, oder der natürlichen Auflösung eines Cörpers, allwo nehmlich ein Mensch, aus hohem Alter nach und nach, und zwar ohne Passion oder würckliche Kranckheit zu empfinden, sich verzehret, auch endlich wie ein Licht ver- löschet. Dergleichen Exempel man
zwar
X
von Anno 1722.
geweſen. Ja es flattiren ſich die Mar- tis Soͤhne: Daß keine feindliche Ku- gel oder Schwerdt ſelbige entleiben koͤn- ne, bevor ihr Lebens-Ziel nicht zuge- gen u. ſ. w.
Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen,und beant- wortet weꝛ- den. daß der allmaͤchtige Schoͤpffer, dem Le- ben aller Menſchen, allerdings ein ge- wiſſes Ziel geſetzet; Allein es iſt auch dieſes wahr, daß unter zehn tauſend Menſchen kaum zwey ſelbiges erlangen; ſondern der allermeiſte Theil gehet mehr durch einen gewaltſamen Tod, und alſo fuͤr dem ihnen in der Natur von GOtt geſetzten Ziel, zu Grabe. Wie dann von keinem Menſchen, welcher an einer ſchmertzhafften oder andern Kranckheit ſtirbet, geſaget werden kan, daß er eines natuͤrlichen Todes geſtor- ben ſey, und zwar reſpectu marcoris ſenilis, oder der natuͤrlichen Aufloͤſung eines Coͤrpers, allwo nehmlich ein Menſch, aus hohem Alter nach und nach, und zwar ohne Paſſion oder wuͤrckliche Kranckheit zu empfinden, ſich verzehret, auch endlich wie ein Licht ver- loͤſchet. Dergleichen Exempel man
zwar
X
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0343"n="321"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von <hirendition="#aq">Anno</hi> 1722.</hi></fw><lb/>
geweſen. Ja es <hirendition="#aq">flatti</hi>ren ſich die <hirendition="#aq">Mar-<lb/>
tis</hi> Soͤhne: Daß keine feindliche Ku-<lb/>
gel oder Schwerdt ſelbige entleiben koͤn-<lb/>
ne, bevor ihr Lebens-Ziel nicht zuge-<lb/>
gen u. ſ. w.</p><lb/><p>Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen,<noteplace="right">und beant-<lb/>
wortet weꝛ-<lb/>
den.</note><lb/>
daß der allmaͤchtige Schoͤpffer, dem Le-<lb/>
ben aller Menſchen, allerdings ein ge-<lb/>
wiſſes Ziel geſetzet; Allein es iſt auch<lb/>
dieſes wahr, daß unter zehn tauſend<lb/>
Menſchen kaum zwey ſelbiges erlangen;<lb/>ſondern der allermeiſte Theil gehet<lb/>
mehr durch einen gewaltſamen Tod,<lb/>
und alſo fuͤr dem ihnen in der Natur von<lb/>
GOtt geſetzten Ziel, zu Grabe. Wie<lb/>
dann von keinem Menſchen, welcher an<lb/>
einer ſchmertzhafften oder andern<lb/>
Kranckheit ſtirbet, geſaget werden kan,<lb/>
daß er eines natuͤrlichen Todes geſtor-<lb/>
ben ſey, und zwar <hirendition="#aq">reſpectu marcoris<lb/>ſenilis,</hi> oder der natuͤrlichen Aufloͤſung<lb/>
eines Coͤrpers, allwo nehmlich ein<lb/>
Menſch, aus hohem Alter nach und<lb/>
nach, und zwar ohne <hirendition="#aq">Paſſion</hi> oder<lb/>
wuͤrckliche Kranckheit zu empfinden, ſich<lb/>
verzehret, auch endlich wie ein Licht ver-<lb/>
loͤſchet. Dergleichen Exempel man<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X</fw><fwplace="bottom"type="catch">zwar</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[321/0343]
von Anno 1722.
geweſen. Ja es flattiren ſich die Mar-
tis Soͤhne: Daß keine feindliche Ku-
gel oder Schwerdt ſelbige entleiben koͤn-
ne, bevor ihr Lebens-Ziel nicht zuge-
gen u. ſ. w.
Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen,
daß der allmaͤchtige Schoͤpffer, dem Le-
ben aller Menſchen, allerdings ein ge-
wiſſes Ziel geſetzet; Allein es iſt auch
dieſes wahr, daß unter zehn tauſend
Menſchen kaum zwey ſelbiges erlangen;
ſondern der allermeiſte Theil gehet
mehr durch einen gewaltſamen Tod,
und alſo fuͤr dem ihnen in der Natur von
GOtt geſetzten Ziel, zu Grabe. Wie
dann von keinem Menſchen, welcher an
einer ſchmertzhafften oder andern
Kranckheit ſtirbet, geſaget werden kan,
daß er eines natuͤrlichen Todes geſtor-
ben ſey, und zwar reſpectu marcoris
ſenilis, oder der natuͤrlichen Aufloͤſung
eines Coͤrpers, allwo nehmlich ein
Menſch, aus hohem Alter nach und
nach, und zwar ohne Paſſion oder
wuͤrckliche Kranckheit zu empfinden, ſich
verzehret, auch endlich wie ein Licht ver-
loͤſchet. Dergleichen Exempel man
zwar
und beant-
wortet weꝛ-
den.
X
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tschirnhaus_anleitung_1727/343>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.