Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Der König denkt: "was muß ich sehn? Das ist ein sondrer Brauch." Doch weil er's ruhig läßt geschehn, So lassen's die Andern auch. Es stund nur an eine kleine Weil', Klein Roland kehrt in den Saal. Er tritt zum König hin mit Eil' Und faßt seinen Goldpokal. "Heida! halt an, du kecker Wicht!" Der König ruft es laut. Klein Roland läßt den Becher nicht, Zum König auf er schaut. Der König erst gar finster sah, Doch lachen mußt' er bald. "Du trittst in die goldne Halle da Wie in den grünen Wald. Du nimmst die Schüssel von Königs Tisch Wie man Aepfel bricht vom Baum; Du holst wie aus dem Bronnen frisch Meines rothen Weines Schaum." "Die Bäurin schöpft aus dem Bronnen frisch, Die bricht die Aepfel vom Baum; Meiner Mutter ziemet Wildbrät und Fisch, Ihr rothen Weines Schaum." Der König denkt: „was muß ich ſehn? Das iſt ein ſondrer Brauch.“ Doch weil er’s ruhig läßt geſchehn, So laſſen’s die Andern auch. Es ſtund nur an eine kleine Weil’, Klein Roland kehrt in den Saal. Er tritt zum König hin mit Eil’ Und faßt ſeinen Goldpokal. „Heida! halt an, du kecker Wicht!“ Der König ruft es laut. Klein Roland läßt den Becher nicht, Zum König auf er ſchaut. Der König erſt gar finſter ſah, Doch lachen mußt’ er bald. „Du trittſt in die goldne Halle da Wie in den grünen Wald. Du nimmſt die Schüſſel von Königs Tiſch Wie man Aepfel bricht vom Baum; Du holſt wie aus dem Bronnen friſch Meines rothen Weines Schaum.“ „Die Bäurin ſchöpft aus dem Bronnen friſch, Die bricht die Aepfel vom Baum; Meiner Mutter ziemet Wildbrät und Fiſch, Ihr rothen Weines Schaum.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0301" n="295"/> <lg n="12"> <l>Der König denkt: „was muß ich ſehn?</l><lb/> <l>Das iſt ein ſondrer Brauch.“</l><lb/> <l>Doch weil er’s ruhig läßt geſchehn,</l><lb/> <l>So laſſen’s die Andern auch.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Es ſtund nur an eine kleine Weil’,</l><lb/> <l>Klein Roland kehrt in den Saal.</l><lb/> <l>Er tritt zum König hin mit Eil’</l><lb/> <l>Und faßt ſeinen Goldpokal.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>„Heida! halt an, du kecker Wicht!“</l><lb/> <l>Der König ruft es laut.</l><lb/> <l>Klein Roland läßt den Becher nicht,</l><lb/> <l>Zum König auf er ſchaut.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Der König erſt gar finſter ſah,</l><lb/> <l>Doch lachen mußt’ er bald.</l><lb/> <l>„Du trittſt in die goldne Halle da</l><lb/> <l>Wie in den grünen Wald.</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Du nimmſt die Schüſſel von Königs Tiſch</l><lb/> <l>Wie man Aepfel bricht vom Baum;</l><lb/> <l>Du holſt wie aus dem Bronnen friſch</l><lb/> <l>Meines rothen Weines Schaum.“</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>„Die Bäurin ſchöpft aus dem Bronnen friſch,</l><lb/> <l>Die bricht die Aepfel vom Baum;</l><lb/> <l>Meiner Mutter ziemet Wildbrät und Fiſch,</l><lb/> <l>Ihr rothen Weines Schaum.“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0301]
Der König denkt: „was muß ich ſehn?
Das iſt ein ſondrer Brauch.“
Doch weil er’s ruhig läßt geſchehn,
So laſſen’s die Andern auch.
Es ſtund nur an eine kleine Weil’,
Klein Roland kehrt in den Saal.
Er tritt zum König hin mit Eil’
Und faßt ſeinen Goldpokal.
„Heida! halt an, du kecker Wicht!“
Der König ruft es laut.
Klein Roland läßt den Becher nicht,
Zum König auf er ſchaut.
Der König erſt gar finſter ſah,
Doch lachen mußt’ er bald.
„Du trittſt in die goldne Halle da
Wie in den grünen Wald.
Du nimmſt die Schüſſel von Königs Tiſch
Wie man Aepfel bricht vom Baum;
Du holſt wie aus dem Bronnen friſch
Meines rothen Weines Schaum.“
„Die Bäurin ſchöpft aus dem Bronnen friſch,
Die bricht die Aepfel vom Baum;
Meiner Mutter ziemet Wildbrät und Fiſch,
Ihr rothen Weines Schaum.“
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