Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Untreue. Dir ist die Herrschaft längst gegeben In meinem Liede, meinem Leben, Nur diese Nacht, o welch ein Traum! O laß das schwere Herz mich lösen! Es saß ein fremd, verschleiert Wesen Dort unter unsrer Liebe Baum. Wie hält sie meinen Sinn gefangen! Ich nahe mich mit süßem Bangen, Sie aber hebt den Schleier leicht; Da seh' ich -- deine lieben Augen, Ach! deine blauen, trauten Augen, Und jeder fremde Schein entweicht. Untreue. Dir iſt die Herrſchaft längſt gegeben In meinem Liede, meinem Leben, Nur dieſe Nacht, o welch ein Traum! O laß das ſchwere Herz mich löſen! Es ſaß ein fremd, verſchleiert Weſen Dort unter unſrer Liebe Baum. Wie hält ſie meinen Sinn gefangen! Ich nahe mich mit ſüßem Bangen, Sie aber hebt den Schleier leicht; Da ſeh’ ich — deine lieben Augen, Ach! deine blauen, trauten Augen, Und jeder fremde Schein entweicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0046" n="40"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Untreue</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dir iſt die Herrſchaft längſt gegeben</l><lb/> <l>In meinem Liede, meinem Leben,</l><lb/> <l>Nur dieſe Nacht, o welch ein Traum!</l><lb/> <l>O laß das ſchwere Herz mich löſen!</l><lb/> <l>Es ſaß ein fremd, verſchleiert Weſen</l><lb/> <l>Dort unter unſrer Liebe Baum.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie hält ſie meinen Sinn gefangen!</l><lb/> <l>Ich nahe mich mit ſüßem Bangen,</l><lb/> <l>Sie aber hebt den Schleier leicht;</l><lb/> <l>Da ſeh’ ich — deine lieben Augen,</l><lb/> <l>Ach! deine blauen, trauten Augen,</l><lb/> <l>Und jeder fremde Schein entweicht.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [40/0046]
Untreue.
Dir iſt die Herrſchaft längſt gegeben
In meinem Liede, meinem Leben,
Nur dieſe Nacht, o welch ein Traum!
O laß das ſchwere Herz mich löſen!
Es ſaß ein fremd, verſchleiert Weſen
Dort unter unſrer Liebe Baum.
Wie hält ſie meinen Sinn gefangen!
Ich nahe mich mit ſüßem Bangen,
Sie aber hebt den Schleier leicht;
Da ſeh’ ich — deine lieben Augen,
Ach! deine blauen, trauten Augen,
Und jeder fremde Schein entweicht.
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