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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das VI. Capitul
Die Vater-Liebe kan des Sohnes Hertz verbinden;
Beym Knechte muß alsbald der Widersinn verschwinden,
Wenn ihm ein kluger Herr vor Prügel Liebe zeigt,
Und sich also mit Gunst zu seinem Knechte neigt.
Auch bey verbotner Lieb' ist grosse Krafft zu spüren,
Kan des Cupido Pfeil nur eines Hertze rühren,
So weiset sich darinn die übergrosse Krafft,
Die offtermahls viel Schmach und Ungelücke schafft.
Ein Venus-Sclave laufft (Amasien zu dienen)
Wohl durch viel Meilen hin, und ist sie ihm erschienen,
Ach! was vor starcke Krafft zeigt sein verliebter Geist,
Daß er wohl gar nicht weiß, wie er mit Namen heist.
Kein Fluß ist ihm zu schnell, den er nicht überschwimme,
Wie offt erhebet er beym Sternen-Licht die Stimme
Und singt ein Liebes Lied; wie manche schöne Nacht
Wird von dem Corydon mit Wachen zugebracht.
Will ihm ein anderer in sein Gehege gehen,
Ach! wie erbost pflegt er bey solchem darzusteheu,
Der Stab und Degen muß alsbald gezucket seyn,
Er schläget, hau't und sticht, und hat vielfache Pein.
Jm Ehestande zeigt sich recht der Liebe Stärcke,
Die Eheleute thun aus Liebe solche Wercke,
Die auch der stärckeste sonst kaum verrichten kan,
Streckt er gleich gantz erhitzt die besten Kräffte dran.
Man kunte dazumahl fast mehr, als Wunder, schauen,
Da den Belägerten * und meist gefangnen Frauen
Vom Feind' erlaubet ward, das lieblichste zu thun,
Jedwede ließ den Mann auf ihren Schultern ruhn,
Und trug denselbigen aus den beschloßnen Mauren,
Sie ließ sich solchen Fleiß auch nachmahls gar nicht dauren,
Blieb gleich ihr grosser Schatz in der geplagten Stadt,
Den der Belagerer hinweg geraubet hat.
Ein treues Ehe-Weib geht mit dem Ehegatten,
Wohl ins Gefängniß hin, ** und läßt den finstern Schatten
Jhr
* Jn der Belagerung Weinsberg Anno 1139.
** Wie A. 1616. die Gemahlin des Printzens v. Conde that.
Das VI. Capitul
Die Vater-Liebe kan des Sohnes Hertz verbinden;
Beym Knechte muß alsbald der Widerſinn verſchwinden,
Wenn ihm ein kluger Herr vor Pruͤgel Liebe zeigt,
Und ſich alſo mit Gunſt zu ſeinem Knechte neigt.
Auch bey verbotner Lieb’ iſt groſſe Krafft zu ſpuͤren,
Kan des Cupido Pfeil nur eines Hertze ruͤhren,
So weiſet ſich darinn die uͤbergroſſe Krafft,
Die offtermahls viel Schmach und Ungeluͤcke ſchafft.
Ein Venus-Sclave laufft (Amaſien zu dienen)
Wohl durch viel Meilen hin, und iſt ſie ihm erſchienen,
Ach! was vor ſtarcke Krafft zeigt ſein verliebter Geiſt,
Daß er wohl gar nicht weiß, wie er mit Namen heiſt.
Kein Fluß iſt ihm zu ſchnell, den er nicht uͤberſchwimme,
Wie offt erhebet er beym Sternen-Licht die Stimme
Und ſingt ein Liebes Lied; wie manche ſchoͤne Nacht
Wird von dem Corydon mit Wachen zugebracht.
Will ihm ein anderer in ſein Gehege gehen,
Ach! wie erboſt pflegt er bey ſolchem darzuſteheu,
Der Stab und Degen muß alsbald gezucket ſeyn,
Er ſchlaͤget, hau’t und ſticht, und hat vielfache Pein.
Jm Eheſtande zeigt ſich recht der Liebe Staͤrcke,
Die Eheleute thun aus Liebe ſolche Wercke,
Die auch der ſtaͤrckeſte ſonſt kaum verrichten kan,
Streckt er gleich gantz erhitzt die beſten Kraͤffte dran.
Man kunte dazumahl faſt mehr, als Wunder, ſchauen,
Da den Belaͤgerten * und meiſt gefangnen Frauen
Vom Feind’ erlaubet ward, das lieblichſte zu thun,
Jedwede ließ den Mann auf ihren Schultern ruhn,
Und trug denſelbigen aus den beſchloßnen Mauren,
Sie ließ ſich ſolchen Fleiß auch nachmahls gar nicht dauren,
Blieb gleich ihr groſſer Schatz in der geplagten Stadt,
Den der Belagerer hinweg geraubet hat.
Ein treues Ehe-Weib geht mit dem Ehegatten,
Wohl ins Gefaͤngniß hin, ** und laͤßt den finſtern Schatten
Jhr
* Jn der Belagerung Weinsberg Anno 1139.
** Wie A. 1616. die Gemahlin des Printzens v. Conde that.
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[126/0130] Das VI. Capitul Die Vater-Liebe kan des Sohnes Hertz verbinden; Beym Knechte muß alsbald der Widerſinn verſchwinden, Wenn ihm ein kluger Herr vor Pruͤgel Liebe zeigt, Und ſich alſo mit Gunſt zu ſeinem Knechte neigt. Auch bey verbotner Lieb’ iſt groſſe Krafft zu ſpuͤren, Kan des Cupido Pfeil nur eines Hertze ruͤhren, So weiſet ſich darinn die uͤbergroſſe Krafft, Die offtermahls viel Schmach und Ungeluͤcke ſchafft. Ein Venus-Sclave laufft (Amaſien zu dienen) Wohl durch viel Meilen hin, und iſt ſie ihm erſchienen, Ach! was vor ſtarcke Krafft zeigt ſein verliebter Geiſt, Daß er wohl gar nicht weiß, wie er mit Namen heiſt. Kein Fluß iſt ihm zu ſchnell, den er nicht uͤberſchwimme, Wie offt erhebet er beym Sternen-Licht die Stimme Und ſingt ein Liebes Lied; wie manche ſchoͤne Nacht Wird von dem Corydon mit Wachen zugebracht. Will ihm ein anderer in ſein Gehege gehen, Ach! wie erboſt pflegt er bey ſolchem darzuſteheu, Der Stab und Degen muß alsbald gezucket ſeyn, Er ſchlaͤget, hau’t und ſticht, und hat vielfache Pein. Jm Eheſtande zeigt ſich recht der Liebe Staͤrcke, Die Eheleute thun aus Liebe ſolche Wercke, Die auch der ſtaͤrckeſte ſonſt kaum verrichten kan, Streckt er gleich gantz erhitzt die beſten Kraͤffte dran. Man kunte dazumahl faſt mehr, als Wunder, ſchauen, Da den Belaͤgerten * und meiſt gefangnen Frauen Vom Feind’ erlaubet ward, das lieblichſte zu thun, Jedwede ließ den Mann auf ihren Schultern ruhn, Und trug denſelbigen aus den beſchloßnen Mauren, Sie ließ ſich ſolchen Fleiß auch nachmahls gar nicht dauren, Blieb gleich ihr groſſer Schatz in der geplagten Stadt, Den der Belagerer hinweg geraubet hat. Ein treues Ehe-Weib geht mit dem Ehegatten, Wohl ins Gefaͤngniß hin, ** und laͤßt den finſtern Schatten Jhr * Jn der Belagerung Weinsberg Anno 1139. ** Wie A. 1616. die Gemahlin des Printzens v. Conde that.

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/130>, abgerufen am 09.11.2024.