Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

Bild:
<< vorherige Seite

Der vollkommene
wisse von allen zusammen gleich viel/ als
daß er bloß ein guter Reuter/ oder ein zierli-
cher Täntzer sey. Wann eine von diesen
Qualitäten bey ihm nur so viel grösser wäre/
als die andern/ daß sie dieselben verdunckel-
te/ würde ein Cavallier sich offt müssen reuen
lassen/ daß er sie so glücklich gelernet. Dann
wann er sich allzusehr dem Tantzen ergebe/
würde man ihm von nichts/ als von Cou-
ranten
und Balletten schwätzen. Und wann
er seine meiste Lebens-Zeit in der Bereiterey
zubrächte/ würde man von ihm nichts wis-
sen wollen/ als was er von diesem Türcki-
schen oder von diesem Spanischen Pferde
hielte. Unsere Welt wil lieber/ daß ein recht-
schaffener Mensch von vielen Dingen ein
weniges wisse/ als daß er eines allein von
Grunde auß verstehe. Wir haben diese
Meinung nicht allein/ sondern wir können
sehen/ daß die alten Römer damals/ als ih-
re Herrschafft in der besten Blüthe war/ e-
ben solche Einbildung hatten. Gewiß es sa-
get in Terentii Comoedien ein Vatter/ da er
von seines Sohns Lebens-Art redet/ daß
er biß diese Stunde sich über ihn nicht hätte
zubeklagen gehabt/ weil er bemerckt/ daß
der junige Mensch die Jagt/ die Pferde/

und

Der vollkommene
wiſſe von allen zuſammen gleich viel/ als
daß er bloß ein guter Reuter/ oder ein zierli-
cher Taͤntzer ſey. Wann eine von dieſen
Qualitaͤten bey ihm nur ſo viel groͤſſer waͤre/
als die andern/ daß ſie dieſelben verdunckel-
te/ wuͤrde ein Cavallier ſich offt muͤſſen reuen
laſſen/ daß er ſie ſo gluͤcklich gelernet. Dann
wann er ſich allzuſehr dem Tantzen ergebe/
wuͤrde man ihm von nichts/ als von Cou-
ranten
und Balletten ſchwaͤtzen. Und wann
er ſeine meiſte Lebens-Zeit in der Bereiterey
zubraͤchte/ wuͤrde man von ihm nichts wiſ-
ſen wollen/ als was er von dieſem Tuͤrcki-
ſchen oder von dieſem Spaniſchen Pferde
hielte. Unſere Welt wil lieber/ daß ein recht-
ſchaffener Menſch von vielen Dingen ein
weniges wiſſe/ als daß er eines allein von
Grunde auß verſtehe. Wir haben dieſe
Meinung nicht allein/ ſondern wir koͤnnen
ſehen/ daß die alten Roͤmer damals/ als ih-
re Herrſchafft in der beſten Bluͤthe war/ e-
ben ſolche Einbildung hatten. Gewiß es ſa-
get in Terentii Comœdien ein Vatter/ da er
von ſeines Sohns Lebens-Art redet/ daß
er biß dieſe Stunde ſich uͤber ihn nicht haͤtte
zubeklagen gehabt/ weil er bemerckt/ daß
der junige Menſch die Jagt/ die Pferde/

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0162" n="146"/><fw place="top" type="header">Der vollkommene</fw><lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e von allen zu&#x017F;ammen gleich viel/ als<lb/>
daß er bloß ein guter Reuter/ oder ein zierli-<lb/>
cher Ta&#x0364;ntzer &#x017F;ey. Wann eine von die&#x017F;en<lb/>
Qualita&#x0364;ten bey ihm nur &#x017F;o viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wa&#x0364;re/<lb/>
als die andern/ daß &#x017F;ie die&#x017F;elben verdunckel-<lb/>
te/ wu&#x0364;rde ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cavallier</hi></hi> &#x017F;ich offt mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en reuen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ daß er &#x017F;ie &#x017F;o glu&#x0364;cklich gelernet. Dann<lb/>
wann er &#x017F;ich allzu&#x017F;ehr dem Tantzen ergebe/<lb/>
wu&#x0364;rde man ihm von nichts/ als von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cou-<lb/>
ranten</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Balletten</hi></hi> &#x017F;chwa&#x0364;tzen. Und wann<lb/>
er &#x017F;eine mei&#x017F;te Lebens-Zeit in der Bereiterey<lb/>
zubra&#x0364;chte/ wu&#x0364;rde man von ihm nichts wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wollen/ als was er von die&#x017F;em Tu&#x0364;rcki-<lb/>
&#x017F;chen oder von die&#x017F;em Spani&#x017F;chen Pferde<lb/>
hielte. Un&#x017F;ere Welt wil lieber/ daß ein recht-<lb/>
&#x017F;chaffener Men&#x017F;ch von vielen Dingen ein<lb/>
weniges wi&#x017F;&#x017F;e/ als daß er eines allein von<lb/>
Grunde auß ver&#x017F;tehe. Wir haben die&#x017F;e<lb/>
Meinung nicht allein/ &#x017F;ondern wir ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;ehen/ daß die alten Ro&#x0364;mer damals/ als ih-<lb/>
re Herr&#x017F;chafft in der be&#x017F;ten Blu&#x0364;the war/ e-<lb/>
ben &#x017F;olche Einbildung hatten. Gewiß es &#x017F;a-<lb/>
get <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">in Terentii Com&#x0153;dien</hi></hi> ein Vatter/ da er<lb/>
von &#x017F;eines Sohns Lebens-Art redet/ daß<lb/>
er biß die&#x017F;e Stunde &#x017F;ich u&#x0364;ber ihn nicht ha&#x0364;tte<lb/>
zubeklagen gehabt/ weil er bemerckt/ daß<lb/>
der junige Men&#x017F;ch die Jagt/ die Pferde/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0162] Der vollkommene wiſſe von allen zuſammen gleich viel/ als daß er bloß ein guter Reuter/ oder ein zierli- cher Taͤntzer ſey. Wann eine von dieſen Qualitaͤten bey ihm nur ſo viel groͤſſer waͤre/ als die andern/ daß ſie dieſelben verdunckel- te/ wuͤrde ein Cavallier ſich offt muͤſſen reuen laſſen/ daß er ſie ſo gluͤcklich gelernet. Dann wann er ſich allzuſehr dem Tantzen ergebe/ wuͤrde man ihm von nichts/ als von Cou- ranten und Balletten ſchwaͤtzen. Und wann er ſeine meiſte Lebens-Zeit in der Bereiterey zubraͤchte/ wuͤrde man von ihm nichts wiſ- ſen wollen/ als was er von dieſem Tuͤrcki- ſchen oder von dieſem Spaniſchen Pferde hielte. Unſere Welt wil lieber/ daß ein recht- ſchaffener Menſch von vielen Dingen ein weniges wiſſe/ als daß er eines allein von Grunde auß verſtehe. Wir haben dieſe Meinung nicht allein/ ſondern wir koͤnnen ſehen/ daß die alten Roͤmer damals/ als ih- re Herrſchafft in der beſten Bluͤthe war/ e- ben ſolche Einbildung hatten. Gewiß es ſa- get in Terentii Comœdien ein Vatter/ da er von ſeines Sohns Lebens-Art redet/ daß er biß dieſe Stunde ſich uͤber ihn nicht haͤtte zubeklagen gehabt/ weil er bemerckt/ daß der junige Menſch die Jagt/ die Pferde/ und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/162
Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/162>, abgerufen am 21.11.2024.