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[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

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Welt-Mann.
wann ihm entweder der Wein die Ober-
Stube hat eingenommen/ oder wann ihn
die Ungestümigkeit einer gewaltthätigen
Bewegung auff den Esel bringt/ läst gleich
nach/ sich tapffer zuhalten/ sobald er wieder
zu der natürlichen Beschaffenheit seiner
Bluts-Vermischung heim kombt.

Allein lasset uns doch im Vorbeygehen
die berühmte Frage ein wenig mitnehmen/
nemlich/ Ob die Leute so sich selbst den Tod
angethan/ umb ihrem Elende ein End zu-
machen/ recht tapffer gewesen seyn; oder ob
man sagen kan/ daß sie mit einer scheinba-
ren Tapfferkeit ihre warhaffte Zagheit be-
deckt haben. Viel von den Alten haben die-
se Thaten gelobet/ worauß man schliessen
muß/ wie viel Leute sich von dem Glantze
verbländen lassen. Aber mich däucht/ Mar-
tial gibt der Sache einen guten Außschlag/
wann er saget: Wanns übel gehet/ so ists
eine schlechte Kunst/ das Leben verachten:
der ist ein tapffrer Mann/ der elend seyn
kan.

Ja wann man nichts mehr betrachtet
als den Tod/ dem sie in die Arm springen/
so scheinet einem das Ansehen einer herrli-
gen Künheit trefflich in die Augen. Allein

wann

Welt-Mann.
wann ihm entweder der Wein die Ober-
Stube hat eingenommen/ oder wann ihn
die Ungeſtuͤmigkeit einer gewaltthaͤtigen
Bewegung auff den Eſel bringt/ laͤſt gleich
nach/ ſich tapffer zuhalten/ ſobald er wieder
zu der natuͤrlichen Beſchaffenheit ſeiner
Bluts-Vermiſchung heim kombt.

Allein laſſet uns doch im Vorbeygehen
die beruͤhmte Frage ein wenig mitnehmen/
nemlich/ Ob die Leute ſo ſich ſelbſt den Tod
angethan/ umb ihrem Elende ein End zu-
machen/ recht tapffer geweſen ſeyn; oder ob
man ſagen kan/ daß ſie mit einer ſcheinba-
ren Tapfferkeit ihre warhaffte Zagheit be-
deckt haben. Viel von den Alten haben die-
ſe Thaten gelobet/ worauß man ſchlieſſen
muß/ wie viel Leute ſich von dem Glantze
verblaͤnden laſſen. Aber mich daͤucht/ Mar-
tial gibt der Sache einen guten Außſchlag/
wann er ſaget: Wanns uͤbel gehet/ ſo iſts
eine ſchlechte Kunſt/ das Leben verachten:
der iſt ein tapffrer Mann/ der elend ſeyn
kan.

Ja wann man nichts mehr betrachtet
als den Tod/ dem ſie in die Arm ſpringen/
ſo ſcheinet einem das Anſehen einer herrli-
gen Kuͤnheit trefflich in die Augen. Allein

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[21/0037] Welt-Mann. wann ihm entweder der Wein die Ober- Stube hat eingenommen/ oder wann ihn die Ungeſtuͤmigkeit einer gewaltthaͤtigen Bewegung auff den Eſel bringt/ laͤſt gleich nach/ ſich tapffer zuhalten/ ſobald er wieder zu der natuͤrlichen Beſchaffenheit ſeiner Bluts-Vermiſchung heim kombt. Allein laſſet uns doch im Vorbeygehen die beruͤhmte Frage ein wenig mitnehmen/ nemlich/ Ob die Leute ſo ſich ſelbſt den Tod angethan/ umb ihrem Elende ein End zu- machen/ recht tapffer geweſen ſeyn; oder ob man ſagen kan/ daß ſie mit einer ſcheinba- ren Tapfferkeit ihre warhaffte Zagheit be- deckt haben. Viel von den Alten haben die- ſe Thaten gelobet/ worauß man ſchlieſſen muß/ wie viel Leute ſich von dem Glantze verblaͤnden laſſen. Aber mich daͤucht/ Mar- tial gibt der Sache einen guten Außſchlag/ wann er ſaget: Wanns uͤbel gehet/ ſo iſts eine ſchlechte Kunſt/ das Leben verachten: der iſt ein tapffrer Mann/ der elend ſeyn kan. Ja wann man nichts mehr betrachtet als den Tod/ dem ſie in die Arm ſpringen/ ſo ſcheinet einem das Anſehen einer herrli- gen Kuͤnheit trefflich in die Augen. Allein wann

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/37>, abgerufen am 28.04.2024.