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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und glühender; in dieser verschwiegnen Stunde war es auch, wo die Hände der Liebenden in einander ruhten, wo zum erstenmal Kuß um Kuß die stürmende Empfindung befriedigte, das verzehrende Feuer kühlte.

Eines Morgens betrat Scholastika die Galerie und hörte zwei Männerstimmen im Gespräch. Sie hielt ihren Schritt hinter einem Säulenvorsprunge an, und indem sie forschend ihre Blicke auf das Gerüst richtete sah sie einen jungen Mann auf demselben in nachlässiger Stellung sitzend und dem Madonnenbilde, das gerade auf der Staffelei stand, den Rücken zukehrend. Er war elegant gekleidet, ein Stock, mit einem Goldknopf und einem schimmernden Edelstein geziert, diente in seiner Hand zum Spielwerk, er schlug mit demselben bald an die Spitze der glänzenden Stiefeln, bald klopfte er zerstreut auf die Gemälde und Kisten, die umherstanden. Das Antlitz zeigte Jugend und eine feine Grazie des Spottes und der Ungezwungenheit; ein zierlicher Bart und blonde Locken schmückten Haupt und Lippen. Vor ihm saß Dimitri und war beschäftigt, die Farben auf der Palette zu ordnen. Das Gespräch der Beiden wurde sehr laut geführt, und da es überdies noch stark im Gewölbe schallte, so entging der Nonne keines der Worte; aber deren Sinn war ihr öfters unverständlich.

Ich wiederhole dir, hob der Jüngere an, daß mich das Leben hier langweilt. Ich habe bereits alle Narren der Umgegend studirt, die in Quart sowohl, als die in Folio. Ich habe mir zum Uebermaß vor Alter ver-

und glühender; in dieser verschwiegnen Stunde war es auch, wo die Hände der Liebenden in einander ruhten, wo zum erstenmal Kuß um Kuß die stürmende Empfindung befriedigte, das verzehrende Feuer kühlte.

Eines Morgens betrat Scholastika die Galerie und hörte zwei Männerstimmen im Gespräch. Sie hielt ihren Schritt hinter einem Säulenvorsprunge an, und indem sie forschend ihre Blicke auf das Gerüst richtete sah sie einen jungen Mann auf demselben in nachlässiger Stellung sitzend und dem Madonnenbilde, das gerade auf der Staffelei stand, den Rücken zukehrend. Er war elegant gekleidet, ein Stock, mit einem Goldknopf und einem schimmernden Edelstein geziert, diente in seiner Hand zum Spielwerk, er schlug mit demselben bald an die Spitze der glänzenden Stiefeln, bald klopfte er zerstreut auf die Gemälde und Kisten, die umherstanden. Das Antlitz zeigte Jugend und eine feine Grazie des Spottes und der Ungezwungenheit; ein zierlicher Bart und blonde Locken schmückten Haupt und Lippen. Vor ihm saß Dimitri und war beschäftigt, die Farben auf der Palette zu ordnen. Das Gespräch der Beiden wurde sehr laut geführt, und da es überdies noch stark im Gewölbe schallte, so entging der Nonne keines der Worte; aber deren Sinn war ihr öfters unverständlich.

Ich wiederhole dir, hob der Jüngere an, daß mich das Leben hier langweilt. Ich habe bereits alle Narren der Umgegend studirt, die in Quart sowohl, als die in Folio. Ich habe mir zum Uebermaß vor Alter ver-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/60>, abgerufen am 24.11.2024.