Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

3 Abschn. der Nerven. sinnliche Lust und Unlust.
das Selbstgefühl,) nennt. B. M. §. 396. Hierdurch ist
ihr, unter Bedingungen, die die Seelenlehrer erklären,
B. M. §. 478. manche Vorstellung angenehm, manche
unangenehm, oder, welches gleichviel ist, manche ge-
fällt ihr, vergnügt sie, sie hat Lust daran;
manche
misfällt ihr, sie hat Unlust, Misvergnügen daran.
Dieses Gefühl ist eine Beschaffenheit der Vorstellungen der
Seele, und kann eine Beschaffenheit Aller seyn. Die
Vorstellungen sind es, welche gefallen, oder misfallen;
das Gefällige oder Widrige ist ein Merkmal in ihnen, das
die Seele zugleich mit erkennt. Da aber keine Vorstel-
lung zugleich gefällt und misfällt, außer in so fern sie von
einer andern Seite betrachtet, das ist, eine andre Vorstel-
lung wird; so ist eine Angenehme von einer andern Art,
als eine Unangenehme, und jede macht demnach einen Ein-
druck von andrer Art in dem Orte der materiellen Jdee die-
ser Vorstellung im Gehirne, §. 25. welcher also auch sei-
nen besondern und unterschiedenen Einfluß in die thierische
Oeconomie haben kann. §. 26. Man nenne ihn den
Eindruck der Lust oder Unlust.

Diese Verschiedenheit der Eindrücke einer angenehmen
und einer unangenehmen Vorstellung in den Ursprung der
Nerven, setzet bey den äußern Empfindungen, das ist, bey
der Lust und Unlust der äußern Sinne, auch einen ver-
schiedenen äußern sinnlichen Eindruck in die Nerven vor-
aus, der ihn, als seine materielle Jdee, im Gehirne bildet.
§. 25. Eine sehr starke Lust der äußern Sinne heißt ein
Ritzel; eine sehr starke Unlust der äußern Sinne heißt
Schmerz. Beyde sind also äußere Empfindungen von ver-
schiedener Beschaffenheit, und machen verschiedene materielle
Empfindungen im Ursprunge des Nerven, der empfindet.

Die Lust oder Unlust, welche die eigentlichen sinnlichen
Vorstellungen (§. 66.) verursachen, heißt eine sinnliche Lust
oder Unlust,
worunter man doch zum öftern auch die Lust
oder Unlust der Sinnen mit begreift. Je sinnlicher die ei-
genmächtigen Vorstellungen sind, desto mehr kömmt ihre

Lust
F 5

3 Abſchn. der Nerven. ſinnliche Luſt und Unluſt.
das Selbſtgefuͤhl,) nennt. B. M. §. 396. Hierdurch iſt
ihr, unter Bedingungen, die die Seelenlehrer erklaͤren,
B. M. §. 478. manche Vorſtellung angenehm, manche
unangenehm, oder, welches gleichviel iſt, manche ge-
faͤllt ihr, vergnuͤgt ſie, ſie hat Luſt daran;
manche
misfaͤllt ihr, ſie hat Unluſt, Misvergnuͤgen daran.
Dieſes Gefuͤhl iſt eine Beſchaffenheit der Vorſtellungen der
Seele, und kann eine Beſchaffenheit Aller ſeyn. Die
Vorſtellungen ſind es, welche gefallen, oder misfallen;
das Gefaͤllige oder Widrige iſt ein Merkmal in ihnen, das
die Seele zugleich mit erkennt. Da aber keine Vorſtel-
lung zugleich gefaͤllt und misfaͤllt, außer in ſo fern ſie von
einer andern Seite betrachtet, das iſt, eine andre Vorſtel-
lung wird; ſo iſt eine Angenehme von einer andern Art,
als eine Unangenehme, und jede macht demnach einen Ein-
druck von andrer Art in dem Orte der materiellen Jdee die-
ſer Vorſtellung im Gehirne, §. 25. welcher alſo auch ſei-
nen beſondern und unterſchiedenen Einfluß in die thieriſche
Oeconomie haben kann. §. 26. Man nenne ihn den
Eindruck der Luſt oder Unluſt.

Dieſe Verſchiedenheit der Eindruͤcke einer angenehmen
und einer unangenehmen Vorſtellung in den Urſprung der
Nerven, ſetzet bey den aͤußern Empfindungen, das iſt, bey
der Luſt und Unluſt der aͤußern Sinne, auch einen ver-
ſchiedenen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven vor-
aus, der ihn, als ſeine materielle Jdee, im Gehirne bildet.
§. 25. Eine ſehr ſtarke Luſt der aͤußern Sinne heißt ein
Ritzel; eine ſehr ſtarke Unluſt der aͤußern Sinne heißt
Schmerz. Beyde ſind alſo aͤußere Empfindungen von ver-
ſchiedener Beſchaffenheit, und machen verſchiedene materielle
Empfindungen im Urſprunge des Nerven, der empfindet.

Die Luſt oder Unluſt, welche die eigentlichen ſinnlichen
Vorſtellungen (§. 66.) verurſachen, heißt eine ſinnliche Luſt
oder Unluſt,
worunter man doch zum oͤftern auch die Luſt
oder Unluſt der Sinnen mit begreift. Je ſinnlicher die ei-
genmaͤchtigen Vorſtellungen ſind, deſto mehr koͤmmt ihre

Luſt
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0113" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">3 Ab&#x017F;chn. der Nerven. &#x017F;innliche Lu&#x017F;t und Unlu&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
das <hi rendition="#fr">Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl,</hi>) nennt. <hi rendition="#aq">B. M.</hi> §. 396. Hierdurch i&#x017F;t<lb/>
ihr, unter Bedingungen, die die Seelenlehrer erkla&#x0364;ren,<lb/><hi rendition="#aq">B. M.</hi> §. 478. manche Vor&#x017F;tellung <hi rendition="#fr">angenehm,</hi> manche<lb/><hi rendition="#fr">unangenehm,</hi> oder, welches gleichviel i&#x017F;t, manche <hi rendition="#fr">ge-<lb/>
fa&#x0364;llt ihr, vergnu&#x0364;gt &#x017F;ie, &#x017F;ie hat Lu&#x017F;t daran;</hi> manche<lb/><hi rendition="#fr">misfa&#x0364;llt ihr, &#x017F;ie hat Unlu&#x017F;t, Misvergnu&#x0364;gen daran.</hi><lb/>
Die&#x017F;es Gefu&#x0364;hl i&#x017F;t eine Be&#x017F;chaffenheit der Vor&#x017F;tellungen der<lb/>
Seele, und kann eine Be&#x017F;chaffenheit Aller &#x017F;eyn. Die<lb/>
Vor&#x017F;tellungen &#x017F;ind es, welche gefallen, oder misfallen;<lb/>
das Gefa&#x0364;llige oder Widrige i&#x017F;t ein Merkmal in ihnen, das<lb/>
die Seele zugleich mit erkennt. Da aber keine Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung zugleich gefa&#x0364;llt und misfa&#x0364;llt, außer in &#x017F;o fern &#x017F;ie von<lb/>
einer andern Seite betrachtet, das i&#x017F;t, eine andre Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung wird; &#x017F;o i&#x017F;t eine Angenehme von einer andern Art,<lb/>
als eine Unangenehme, und jede macht demnach einen Ein-<lb/>
druck von andrer Art in dem Orte der materiellen Jdee die-<lb/>
&#x017F;er Vor&#x017F;tellung im Gehirne, §. 25. welcher al&#x017F;o auch &#x017F;ei-<lb/>
nen be&#x017F;ondern und unter&#x017F;chiedenen Einfluß in die thieri&#x017F;che<lb/>
Oeconomie haben kann. §. 26. Man nenne ihn den<lb/><hi rendition="#fr">Eindruck der Lu&#x017F;t oder Unlu&#x017F;t.</hi></p><lb/>
                <p>Die&#x017F;e Ver&#x017F;chiedenheit der Eindru&#x0364;cke einer angenehmen<lb/>
und einer unangenehmen Vor&#x017F;tellung in den Ur&#x017F;prung der<lb/>
Nerven, &#x017F;etzet bey den a&#x0364;ußern Empfindungen, das i&#x017F;t, bey<lb/>
der <hi rendition="#fr">Lu&#x017F;t und Unlu&#x017F;t der a&#x0364;ußern Sinne,</hi> auch einen ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindruck in die Nerven vor-<lb/>
aus, der ihn, als &#x017F;eine materielle Jdee, im Gehirne bildet.<lb/>
§. 25. Eine &#x017F;ehr &#x017F;tarke Lu&#x017F;t der a&#x0364;ußern Sinne heißt ein<lb/><hi rendition="#fr">Ritzel;</hi> eine &#x017F;ehr &#x017F;tarke Unlu&#x017F;t der a&#x0364;ußern Sinne heißt<lb/><hi rendition="#fr">Schmerz.</hi> Beyde &#x017F;ind al&#x017F;o a&#x0364;ußere Empfindungen von ver-<lb/>
&#x017F;chiedener Be&#x017F;chaffenheit, und machen ver&#x017F;chiedene materielle<lb/>
Empfindungen im Ur&#x017F;prunge des Nerven, der empfindet.</p><lb/>
                <p>Die Lu&#x017F;t oder Unlu&#x017F;t, welche die eigentlichen &#x017F;innlichen<lb/>
Vor&#x017F;tellungen (§. 66.) verur&#x017F;achen, heißt eine <hi rendition="#fr">&#x017F;innliche Lu&#x017F;t<lb/>
oder Unlu&#x017F;t,</hi> worunter man doch zum o&#x0364;ftern auch die Lu&#x017F;t<lb/>
oder Unlu&#x017F;t der Sinnen mit begreift. Je &#x017F;innlicher die ei-<lb/>
genma&#x0364;chtigen Vor&#x017F;tellungen &#x017F;ind, de&#x017F;to mehr ko&#x0364;mmt ihre<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Lu&#x017F;t</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0113] 3 Abſchn. der Nerven. ſinnliche Luſt und Unluſt. das Selbſtgefuͤhl,) nennt. B. M. §. 396. Hierdurch iſt ihr, unter Bedingungen, die die Seelenlehrer erklaͤren, B. M. §. 478. manche Vorſtellung angenehm, manche unangenehm, oder, welches gleichviel iſt, manche ge- faͤllt ihr, vergnuͤgt ſie, ſie hat Luſt daran; manche misfaͤllt ihr, ſie hat Unluſt, Misvergnuͤgen daran. Dieſes Gefuͤhl iſt eine Beſchaffenheit der Vorſtellungen der Seele, und kann eine Beſchaffenheit Aller ſeyn. Die Vorſtellungen ſind es, welche gefallen, oder misfallen; das Gefaͤllige oder Widrige iſt ein Merkmal in ihnen, das die Seele zugleich mit erkennt. Da aber keine Vorſtel- lung zugleich gefaͤllt und misfaͤllt, außer in ſo fern ſie von einer andern Seite betrachtet, das iſt, eine andre Vorſtel- lung wird; ſo iſt eine Angenehme von einer andern Art, als eine Unangenehme, und jede macht demnach einen Ein- druck von andrer Art in dem Orte der materiellen Jdee die- ſer Vorſtellung im Gehirne, §. 25. welcher alſo auch ſei- nen beſondern und unterſchiedenen Einfluß in die thieriſche Oeconomie haben kann. §. 26. Man nenne ihn den Eindruck der Luſt oder Unluſt. Dieſe Verſchiedenheit der Eindruͤcke einer angenehmen und einer unangenehmen Vorſtellung in den Urſprung der Nerven, ſetzet bey den aͤußern Empfindungen, das iſt, bey der Luſt und Unluſt der aͤußern Sinne, auch einen ver- ſchiedenen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven vor- aus, der ihn, als ſeine materielle Jdee, im Gehirne bildet. §. 25. Eine ſehr ſtarke Luſt der aͤußern Sinne heißt ein Ritzel; eine ſehr ſtarke Unluſt der aͤußern Sinne heißt Schmerz. Beyde ſind alſo aͤußere Empfindungen von ver- ſchiedener Beſchaffenheit, und machen verſchiedene materielle Empfindungen im Urſprunge des Nerven, der empfindet. Die Luſt oder Unluſt, welche die eigentlichen ſinnlichen Vorſtellungen (§. 66.) verurſachen, heißt eine ſinnliche Luſt oder Unluſt, worunter man doch zum oͤftern auch die Luſt oder Unluſt der Sinnen mit begreift. Je ſinnlicher die ei- genmaͤchtigen Vorſtellungen ſind, deſto mehr koͤmmt ihre Luſt F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/113
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/113>, abgerufen am 12.05.2024.