Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
die Einbildungen, als solche, thun. Man sieht ein Ge-
sicht, und erschrickt, daß man blaß wird. Es ist das ähn-
liche Gesicht einer Person, mit der man vor langer Zeit bit-
tern Verdruß gehabt hat. Das Erblassen erfolget schon
ehe wir uns erinnern, wem dieses Gesicht ähnlich sey, al-
so blos durch die wiederholte äußere Empfindung, (Einbil-
dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft höret man
nicht in solchen Fällen sagen: "Dieser Anblick schreckt,
"rühret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es
"muß ein Nebenbegriff daran Schuld seyn, dessen ich mich
"aber nicht erinnere." Wenn uns beym Anblicke dieses
ähnlichen Gesichts auch gleich die Person wieder einfällt,
mit der wir den Verdruß gehabt haben, so erfolget doch,
wie es scheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben
die vorige. Wir erblassen eben so, wie vorhin, nur wissen
wir itzt warum? Es ist also immer nur die Seelenwirkung
der Einbildung, die sich in der Maschine wahrnehmen
läßt, und die Erinnerung derselben scheint sie in Nichts zu
verändern, das ist: das eigentliche Erinnern der Seele ge-
höret unter diejenigen Arten ihrer Vorstellungen, deren
Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate-
rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen
die Vorstellungen, deren man sich wieder erinnert, ohne
Beziehung hierauf, ihre gewöhnlichen Seelenwirkungen
in den mechanischen Maschinen hervorbringen. Die mei-
sten Philosophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen
der Vorstellungen des Gedächtnißes für hieroglyphische
Bilder der Vorstellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.

Wirkungen der sinnlichen Vorhersehungen durch
die Nerven in die mechanischen Maschinen.
§. 239.

Die sinnlichen Vorbersehungen sind künftige äuße-
re Empfindungen, denen der äußere sinnliche Eindruck das
Wahre der äußern Empfindungen geben müßte. §. 73.

Es

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
die Einbildungen, als ſolche, thun. Man ſieht ein Ge-
ſicht, und erſchrickt, daß man blaß wird. Es iſt das aͤhn-
liche Geſicht einer Perſon, mit der man vor langer Zeit bit-
tern Verdruß gehabt hat. Das Erblaſſen erfolget ſchon
ehe wir uns erinnern, wem dieſes Geſicht aͤhnlich ſey, al-
ſo blos durch die wiederholte aͤußere Empfindung, (Einbil-
dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft hoͤret man
nicht in ſolchen Faͤllen ſagen: „Dieſer Anblick ſchreckt,
„ruͤhret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es
„muß ein Nebenbegriff daran Schuld ſeyn, deſſen ich mich
„aber nicht erinnere.“ Wenn uns beym Anblicke dieſes
aͤhnlichen Geſichts auch gleich die Perſon wieder einfaͤllt,
mit der wir den Verdruß gehabt haben, ſo erfolget doch,
wie es ſcheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben
die vorige. Wir erblaſſen eben ſo, wie vorhin, nur wiſſen
wir itzt warum? Es iſt alſo immer nur die Seelenwirkung
der Einbildung, die ſich in der Maſchine wahrnehmen
laͤßt, und die Erinnerung derſelben ſcheint ſie in Nichts zu
veraͤndern, das iſt: das eigentliche Erinnern der Seele ge-
hoͤret unter diejenigen Arten ihrer Vorſtellungen, deren
Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate-
rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen
die Vorſtellungen, deren man ſich wieder erinnert, ohne
Beziehung hierauf, ihre gewoͤhnlichen Seelenwirkungen
in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen. Die mei-
ſten Philoſophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen
der Vorſtellungen des Gedaͤchtnißes fuͤr hieroglyphiſche
Bilder der Vorſtellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.

Wirkungen der ſinnlichen Vorherſehungen durch
die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen.
§. 239.

Die ſinnlichen Vorberſehungen ſind kuͤnftige aͤuße-
re Empfindungen, denen der aͤußere ſinnliche Eindruck das
Wahre der aͤußern Empfindungen geben muͤßte. §. 73.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0242" n="218"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.</hi></fw><lb/>
die Einbildungen, als &#x017F;olche, thun. Man &#x017F;ieht ein Ge-<lb/>
&#x017F;icht, und er&#x017F;chrickt, daß man blaß wird. Es i&#x017F;t das a&#x0364;hn-<lb/>
liche Ge&#x017F;icht einer Per&#x017F;on, mit der man vor langer Zeit bit-<lb/>
tern Verdruß gehabt hat. Das Erbla&#x017F;&#x017F;en erfolget &#x017F;chon<lb/>
ehe wir uns erinnern, wem die&#x017F;es Ge&#x017F;icht a&#x0364;hnlich &#x017F;ey, al-<lb/>
&#x017F;o blos durch die wiederholte a&#x0364;ußere Empfindung, (Einbil-<lb/>
dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft ho&#x0364;ret man<lb/>
nicht in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen &#x017F;agen: &#x201E;Die&#x017F;er Anblick &#x017F;chreckt,<lb/>
&#x201E;ru&#x0364;hret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es<lb/>
&#x201E;muß ein Nebenbegriff daran Schuld &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en ich mich<lb/>
&#x201E;aber nicht erinnere.&#x201C; Wenn uns beym Anblicke die&#x017F;es<lb/>
a&#x0364;hnlichen Ge&#x017F;ichts auch gleich die Per&#x017F;on wieder einfa&#x0364;llt,<lb/>
mit der wir den Verdruß gehabt haben, &#x017F;o erfolget doch,<lb/>
wie es &#x017F;cheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben<lb/>
die vorige. Wir erbla&#x017F;&#x017F;en eben &#x017F;o, wie vorhin, nur wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wir itzt warum? Es i&#x017F;t al&#x017F;o immer nur die Seelenwirkung<lb/>
der Einbildung, die &#x017F;ich in der Ma&#x017F;chine wahrnehmen<lb/>
la&#x0364;ßt, und die Erinnerung der&#x017F;elben &#x017F;cheint &#x017F;ie in Nichts zu<lb/>
vera&#x0364;ndern, das i&#x017F;t: das eigentliche Erinnern der Seele ge-<lb/>
ho&#x0364;ret unter diejenigen Arten ihrer Vor&#x017F;tellungen, deren<lb/>
Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate-<lb/>
rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen<lb/>
die Vor&#x017F;tellungen, deren man &#x017F;ich wieder erinnert, ohne<lb/>
Beziehung hierauf, ihre gewo&#x0364;hnlichen Seelenwirkungen<lb/>
in den mechani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen hervorbringen. Die mei-<lb/>
&#x017F;ten Philo&#x017F;ophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen<lb/>
der Vor&#x017F;tellungen des Geda&#x0364;chtnißes fu&#x0364;r hieroglyphi&#x017F;che<lb/>
Bilder der Vor&#x017F;tellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Wirkungen der &#x017F;innlichen Vorher&#x017F;ehungen durch<lb/>
die Nerven in die mechani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen.</hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 239.</head><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#fr">&#x017F;innlichen Vorber&#x017F;ehungen</hi> &#x017F;ind ku&#x0364;nftige a&#x0364;uße-<lb/>
re Empfindungen, denen der a&#x0364;ußere &#x017F;innliche Eindruck das<lb/>
Wahre der a&#x0364;ußern Empfindungen geben mu&#x0364;ßte. §. 73.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0242] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. die Einbildungen, als ſolche, thun. Man ſieht ein Ge- ſicht, und erſchrickt, daß man blaß wird. Es iſt das aͤhn- liche Geſicht einer Perſon, mit der man vor langer Zeit bit- tern Verdruß gehabt hat. Das Erblaſſen erfolget ſchon ehe wir uns erinnern, wem dieſes Geſicht aͤhnlich ſey, al- ſo blos durch die wiederholte aͤußere Empfindung, (Einbil- dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft hoͤret man nicht in ſolchen Faͤllen ſagen: „Dieſer Anblick ſchreckt, „ruͤhret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es „muß ein Nebenbegriff daran Schuld ſeyn, deſſen ich mich „aber nicht erinnere.“ Wenn uns beym Anblicke dieſes aͤhnlichen Geſichts auch gleich die Perſon wieder einfaͤllt, mit der wir den Verdruß gehabt haben, ſo erfolget doch, wie es ſcheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben die vorige. Wir erblaſſen eben ſo, wie vorhin, nur wiſſen wir itzt warum? Es iſt alſo immer nur die Seelenwirkung der Einbildung, die ſich in der Maſchine wahrnehmen laͤßt, und die Erinnerung derſelben ſcheint ſie in Nichts zu veraͤndern, das iſt: das eigentliche Erinnern der Seele ge- hoͤret unter diejenigen Arten ihrer Vorſtellungen, deren Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate- rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen die Vorſtellungen, deren man ſich wieder erinnert, ohne Beziehung hierauf, ihre gewoͤhnlichen Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen. Die mei- ſten Philoſophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen der Vorſtellungen des Gedaͤchtnißes fuͤr hieroglyphiſche Bilder der Vorſtellungen im Gehirne, wovon aber §. 71. Wirkungen der ſinnlichen Vorherſehungen durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen. §. 239. Die ſinnlichen Vorberſehungen ſind kuͤnftige aͤuße- re Empfindungen, denen der aͤußere ſinnliche Eindruck das Wahre der aͤußern Empfindungen geben muͤßte. §. 73. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/242
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/242>, abgerufen am 22.11.2024.