Es fehlen nämlich in jeder sinnlichen Vorhersehung eine Menge Merkmale der äußern Empfindung, deren Vor- stellung der äußere sinnliche Eindruck in die Nerven noth- wendig veranlassen muß, und die sonst die Seele nicht vor- stellet. Die materielle Jdee, welche der äußere sinnliche Eindruck im Gehirne erzeuget, ist die, von einer weit voll- ständigern aus viel mehr Merkmalen bestehenden Jdee, als die, welche die Seele eigenmächtig ins Gehirn eindrü- cken kann, wenn sie dieselbe ohne Beyhülfe des äußern sinn- lichen Eindrucks vorausschafft. §. 53. 73. So wie also die Vorhersehungen nur unvollständige äußere Empfindun- gen, ja noch unvollständiger als die Einbildungen sind, §. 73. so sind auch die materiellen Jdeen der Vorhersehungs- kraft nur Theile der materiellen äußern Empfindungen, die blos der hinzukommende äußere sinnliche Eindruck ergän- zen und vollständig machen kann. Es sind beydes Vor- stellungen und materielle Jdeen von einerley Art, wovon aber die Vorhersehungen viel schwächer und unvollständi- ger sind. §. 73.
§. 240.
1. Die materiellen Jdeen der Vorhersehungen entste- hen in eben denselben Ursprüngen der Nerven im Gehirne, wie die äußern Empfindungen, die vorhergesehen werden. §. 73. 124. Daher müssen sie auch ihre Seelenwirkun- gen außerhalb dem Gehirne in solchen mechanischen Ma- schinen äußern, welche dieselben äußern Empfindungen in Bewegung setzen. §. 129. 130.
2. Die Vorhersehungen machen in diesen Ursprüngen im Gehirne eben dieselbe Art sinnlicher Eindrücke, §. 73. 121. also müssen ihre Seelenwirkungen in den mechani- schen Maschinen auch denen von den zukünftigen äußern Empfindungen ähnlich seyn, und da
3. endlich diese sinnlichen Eindrücke schwächer, als von äußern Empfindungen, und selbst von Einbildungen sind, §. 239. so müssen es die davon herrührenden Seelenwir-
kungen
der Vorherſehungen.
Es fehlen naͤmlich in jeder ſinnlichen Vorherſehung eine Menge Merkmale der aͤußern Empfindung, deren Vor- ſtellung der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven noth- wendig veranlaſſen muß, und die ſonſt die Seele nicht vor- ſtellet. Die materielle Jdee, welche der aͤußere ſinnliche Eindruck im Gehirne erzeuget, iſt die, von einer weit voll- ſtaͤndigern aus viel mehr Merkmalen beſtehenden Jdee, als die, welche die Seele eigenmaͤchtig ins Gehirn eindruͤ- cken kann, wenn ſie dieſelbe ohne Beyhuͤlfe des aͤußern ſinn- lichen Eindrucks vorausſchafft. §. 53. 73. So wie alſo die Vorherſehungen nur unvollſtaͤndige aͤußere Empfindun- gen, ja noch unvollſtaͤndiger als die Einbildungen ſind, §. 73. ſo ſind auch die materiellen Jdeen der Vorherſehungs- kraft nur Theile der materiellen aͤußern Empfindungen, die blos der hinzukommende aͤußere ſinnliche Eindruck ergaͤn- zen und vollſtaͤndig machen kann. Es ſind beydes Vor- ſtellungen und materielle Jdeen von einerley Art, wovon aber die Vorherſehungen viel ſchwaͤcher und unvollſtaͤndi- ger ſind. §. 73.
§. 240.
1. Die materiellen Jdeen der Vorherſehungen entſte- hen in eben denſelben Urſpruͤngen der Nerven im Gehirne, wie die aͤußern Empfindungen, die vorhergeſehen werden. §. 73. 124. Daher muͤſſen ſie auch ihre Seelenwirkun- gen außerhalb dem Gehirne in ſolchen mechaniſchen Ma- ſchinen aͤußern, welche dieſelben aͤußern Empfindungen in Bewegung ſetzen. §. 129. 130.
2. Die Vorherſehungen machen in dieſen Urſpruͤngen im Gehirne eben dieſelbe Art ſinnlicher Eindruͤcke, §. 73. 121. alſo muͤſſen ihre Seelenwirkungen in den mechani- ſchen Maſchinen auch denen von den zukuͤnftigen aͤußern Empfindungen aͤhnlich ſeyn, und da
3. endlich dieſe ſinnlichen Eindruͤcke ſchwaͤcher, als von aͤußern Empfindungen, und ſelbſt von Einbildungen ſind, §. 239. ſo muͤſſen es die davon herruͤhrenden Seelenwir-
kungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0243"n="219"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Vorherſehungen.</hi></fw><lb/>
Es fehlen naͤmlich in jeder ſinnlichen Vorherſehung eine<lb/>
Menge Merkmale der aͤußern Empfindung, deren Vor-<lb/>ſtellung der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven noth-<lb/>
wendig veranlaſſen muß, und die ſonſt die Seele nicht vor-<lb/>ſtellet. Die materielle Jdee, welche der aͤußere ſinnliche<lb/>
Eindruck im Gehirne erzeuget, iſt die, von einer weit voll-<lb/>ſtaͤndigern aus viel mehr Merkmalen beſtehenden Jdee,<lb/>
als die, welche die Seele eigenmaͤchtig ins Gehirn eindruͤ-<lb/>
cken kann, wenn ſie dieſelbe ohne Beyhuͤlfe des aͤußern ſinn-<lb/>
lichen Eindrucks vorausſchafft. §. 53. 73. So wie alſo<lb/>
die Vorherſehungen nur unvollſtaͤndige aͤußere Empfindun-<lb/>
gen, ja noch unvollſtaͤndiger als die Einbildungen ſind, §.<lb/>
73. ſo ſind auch die materiellen Jdeen der Vorherſehungs-<lb/>
kraft nur Theile der materiellen aͤußern Empfindungen, die<lb/>
blos der hinzukommende aͤußere ſinnliche Eindruck ergaͤn-<lb/>
zen und vollſtaͤndig machen kann. Es ſind beydes Vor-<lb/>ſtellungen und materielle Jdeen von einerley Art, wovon<lb/>
aber die Vorherſehungen viel ſchwaͤcher und unvollſtaͤndi-<lb/>
ger ſind. §. 73.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 240.</head><lb/><p>1. Die materiellen Jdeen der Vorherſehungen entſte-<lb/>
hen in eben denſelben Urſpruͤngen der Nerven im Gehirne,<lb/>
wie die aͤußern Empfindungen, die vorhergeſehen werden.<lb/>
§. 73. 124. Daher muͤſſen ſie auch ihre Seelenwirkun-<lb/>
gen außerhalb dem Gehirne in ſolchen mechaniſchen Ma-<lb/>ſchinen aͤußern, welche dieſelben aͤußern Empfindungen in<lb/>
Bewegung ſetzen. §. 129. 130.</p><lb/><p>2. Die Vorherſehungen machen in dieſen Urſpruͤngen<lb/>
im Gehirne eben dieſelbe Art ſinnlicher Eindruͤcke, §. 73.<lb/>
121. alſo muͤſſen ihre Seelenwirkungen in den mechani-<lb/>ſchen Maſchinen auch denen von den zukuͤnftigen aͤußern<lb/>
Empfindungen aͤhnlich ſeyn, und da</p><lb/><p>3. endlich dieſe ſinnlichen Eindruͤcke ſchwaͤcher, als von<lb/>
aͤußern Empfindungen, und ſelbſt von Einbildungen ſind,<lb/>
§. 239. ſo muͤſſen es die davon herruͤhrenden Seelenwir-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kungen</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[219/0243]
der Vorherſehungen.
Es fehlen naͤmlich in jeder ſinnlichen Vorherſehung eine
Menge Merkmale der aͤußern Empfindung, deren Vor-
ſtellung der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven noth-
wendig veranlaſſen muß, und die ſonſt die Seele nicht vor-
ſtellet. Die materielle Jdee, welche der aͤußere ſinnliche
Eindruck im Gehirne erzeuget, iſt die, von einer weit voll-
ſtaͤndigern aus viel mehr Merkmalen beſtehenden Jdee,
als die, welche die Seele eigenmaͤchtig ins Gehirn eindruͤ-
cken kann, wenn ſie dieſelbe ohne Beyhuͤlfe des aͤußern ſinn-
lichen Eindrucks vorausſchafft. §. 53. 73. So wie alſo
die Vorherſehungen nur unvollſtaͤndige aͤußere Empfindun-
gen, ja noch unvollſtaͤndiger als die Einbildungen ſind, §.
73. ſo ſind auch die materiellen Jdeen der Vorherſehungs-
kraft nur Theile der materiellen aͤußern Empfindungen, die
blos der hinzukommende aͤußere ſinnliche Eindruck ergaͤn-
zen und vollſtaͤndig machen kann. Es ſind beydes Vor-
ſtellungen und materielle Jdeen von einerley Art, wovon
aber die Vorherſehungen viel ſchwaͤcher und unvollſtaͤndi-
ger ſind. §. 73.
§. 240.
1. Die materiellen Jdeen der Vorherſehungen entſte-
hen in eben denſelben Urſpruͤngen der Nerven im Gehirne,
wie die aͤußern Empfindungen, die vorhergeſehen werden.
§. 73. 124. Daher muͤſſen ſie auch ihre Seelenwirkun-
gen außerhalb dem Gehirne in ſolchen mechaniſchen Ma-
ſchinen aͤußern, welche dieſelben aͤußern Empfindungen in
Bewegung ſetzen. §. 129. 130.
2. Die Vorherſehungen machen in dieſen Urſpruͤngen
im Gehirne eben dieſelbe Art ſinnlicher Eindruͤcke, §. 73.
121. alſo muͤſſen ihre Seelenwirkungen in den mechani-
ſchen Maſchinen auch denen von den zukuͤnftigen aͤußern
Empfindungen aͤhnlich ſeyn, und da
3. endlich dieſe ſinnlichen Eindruͤcke ſchwaͤcher, als von
aͤußern Empfindungen, und ſelbſt von Einbildungen ſind,
§. 239. ſo muͤſſen es die davon herruͤhrenden Seelenwir-
kungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/243>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.