Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. bracht werden, und diese Leidenschaften besonders mit cha-racterisiren, sind eine Beschleunigung der Ergießung der Galle, oft auch eine Entzündung der Leber, eine Erhitzung der Galle, die sie so sehr verdirbt, daß sie bald den Magen entzündet, bald ein faulendes Gallenfieber erreget, und eine besondre Vergiftung des Speichels, wodurch er nicht nur dem Zornigen selbst, der ihn verschlingt, schädlich wird, son- dern auch, wenn er mit dem Blute eines andern vermischt, oder an seine Nerven gebracht worden, denselben vergiftet, in Wuth setzet, und das ganze System seiner Nerven zer- rüttet. Dieser besondre, nicht zu erklärende, Einfluß des Zorns in die Leber, Gallenblase, Galle und den Speichel, findet nicht nur bey dieser Leidenschaft, sondern auch beym Wehrtriebe vieler Thiere und ihrer Rachgier, in so fern sie nur ein Affektentrieb ist, Statt, §. 301. und wenn Thiere von der Natur angewiesen sind, sich durch Beißen zu weh- ren, so haben sie entweder einen besondern giftigen Saft, den sie beym Bisse zugleich in die Wunde bringen, oder ihr Speichel vergiftet sich auf obige Weise bey jedem Aus- bruche des Wehrtriebes und der Rachgier. Hiervon ent- stehen die entsetzlichen Wirkungen des Bisses zorniger und wütender Thiere und Menschen: denn die Wuth ist nichts anders als eine solche Krankheit, worinn ein Thier von den geringsten Veranlassungen zum Zorne gereizet wird, und sein Körper in dem Zustande anhaltend bleibt, in den ihn der äußerste Grad des Zorns und der Rachgier verse- tzen könnte. Alle Arten des Zorns, ein gereizter Haß und Neid, die Aergerniß, u. s. w. haben einen merklichen Ein- fluß in die Leber und Galle, wovon die Gelbsucht, Versto- pfungen der Leber, das galligte Erbrechen, dergleichen Durchläufe und andre bey diesen Leidenschaften gewöhnliche Zufälle zeugen. Bey vielen Thieren und beym Menschen selbst bemerket man auch, daß vom Zorne und den Trieben zur Wehr und Rache die Haare sich aufrichten und sträu- ben, welches auch bey den Vögeln an ihren Federn bemer- ket wird. §. 326.
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. bracht werden, und dieſe Leidenſchaften beſonders mit cha-racteriſiren, ſind eine Beſchleunigung der Ergießung der Galle, oft auch eine Entzuͤndung der Leber, eine Erhitzung der Galle, die ſie ſo ſehr verdirbt, daß ſie bald den Magen entzuͤndet, bald ein faulendes Gallenfieber erreget, und eine beſondre Vergiftung des Speichels, wodurch er nicht nur dem Zornigen ſelbſt, der ihn verſchlingt, ſchaͤdlich wird, ſon- dern auch, wenn er mit dem Blute eines andern vermiſcht, oder an ſeine Nerven gebracht worden, denſelben vergiftet, in Wuth ſetzet, und das ganze Syſtem ſeiner Nerven zer- ruͤttet. Dieſer beſondre, nicht zu erklaͤrende, Einfluß des Zorns in die Leber, Gallenblaſe, Galle und den Speichel, findet nicht nur bey dieſer Leidenſchaft, ſondern auch beym Wehrtriebe vieler Thiere und ihrer Rachgier, in ſo fern ſie nur ein Affektentrieb iſt, Statt, §. 301. und wenn Thiere von der Natur angewieſen ſind, ſich durch Beißen zu weh- ren, ſo haben ſie entweder einen beſondern giftigen Saft, den ſie beym Biſſe zugleich in die Wunde bringen, oder ihr Speichel vergiftet ſich auf obige Weiſe bey jedem Aus- bruche des Wehrtriebes und der Rachgier. Hiervon ent- ſtehen die entſetzlichen Wirkungen des Biſſes zorniger und wuͤtender Thiere und Menſchen: denn die Wuth iſt nichts anders als eine ſolche Krankheit, worinn ein Thier von den geringſten Veranlaſſungen zum Zorne gereizet wird, und ſein Koͤrper in dem Zuſtande anhaltend bleibt, in den ihn der aͤußerſte Grad des Zorns und der Rachgier verſe- tzen koͤnnte. Alle Arten des Zorns, ein gereizter Haß und Neid, die Aergerniß, u. ſ. w. haben einen merklichen Ein- fluß in die Leber und Galle, wovon die Gelbſucht, Verſto- pfungen der Leber, das galligte Erbrechen, dergleichen Durchlaͤufe und andre bey dieſen Leidenſchaften gewoͤhnliche Zufaͤlle zeugen. Bey vielen Thieren und beym Menſchen ſelbſt bemerket man auch, daß vom Zorne und den Trieben zur Wehr und Rache die Haare ſich aufrichten und ſtraͤu- ben, welches auch bey den Voͤgeln an ihren Federn bemer- ket wird. §. 326.
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
bracht werden, und dieſe Leidenſchaften beſonders mit cha-
racteriſiren, ſind eine Beſchleunigung der Ergießung der
Galle, oft auch eine Entzuͤndung der Leber, eine Erhitzung
der Galle, die ſie ſo ſehr verdirbt, daß ſie bald den Magen
entzuͤndet, bald ein faulendes Gallenfieber erreget, und eine
beſondre Vergiftung des Speichels, wodurch er nicht nur
dem Zornigen ſelbſt, der ihn verſchlingt, ſchaͤdlich wird, ſon-
dern auch, wenn er mit dem Blute eines andern vermiſcht,
oder an ſeine Nerven gebracht worden, denſelben vergiftet,
in Wuth ſetzet, und das ganze Syſtem ſeiner Nerven zer-
ruͤttet. Dieſer beſondre, nicht zu erklaͤrende, Einfluß des
Zorns in die Leber, Gallenblaſe, Galle und den Speichel,
findet nicht nur bey dieſer Leidenſchaft, ſondern auch beym
Wehrtriebe vieler Thiere und ihrer Rachgier, in ſo fern ſie
nur ein Affektentrieb iſt, Statt, §. 301. und wenn Thiere
von der Natur angewieſen ſind, ſich durch Beißen zu weh-
ren, ſo haben ſie entweder einen beſondern giftigen Saft,
den ſie beym Biſſe zugleich in die Wunde bringen, oder
ihr Speichel vergiftet ſich auf obige Weiſe bey jedem Aus-
bruche des Wehrtriebes und der Rachgier. Hiervon ent-
ſtehen die entſetzlichen Wirkungen des Biſſes zorniger und
wuͤtender Thiere und Menſchen: denn die Wuth iſt nichts
anders als eine ſolche Krankheit, worinn ein Thier von
den geringſten Veranlaſſungen zum Zorne gereizet wird,
und ſein Koͤrper in dem Zuſtande anhaltend bleibt, in den
ihn der aͤußerſte Grad des Zorns und der Rachgier verſe-
tzen koͤnnte. Alle Arten des Zorns, ein gereizter Haß und
Neid, die Aergerniß, u. ſ. w. haben einen merklichen Ein-
fluß in die Leber und Galle, wovon die Gelbſucht, Verſto-
pfungen der Leber, das galligte Erbrechen, dergleichen
Durchlaͤufe und andre bey dieſen Leidenſchaften gewoͤhnliche
Zufaͤlle zeugen. Bey vielen Thieren und beym Menſchen
ſelbſt bemerket man auch, daß vom Zorne und den Trieben
zur Wehr und Rache die Haare ſich aufrichten und ſtraͤu-
ben, welches auch bey den Voͤgeln an ihren Federn bemer-
ket wird.
§. 326.
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