Da die Menschen selbst einen Wehrtrieb haben, der ih- nen den Affektentrieb der Rachgier erreget, §. 301. und Triebe und Affektentriebe sehr wenig in unsrer Gewalt ste- hen, §. 292. 297. so haben wir auch wenig Mittel, uns vor denselben zu schützen, obgleich der wahre Zorn, als Lei- denschaft, allerdings mehr in unsrer Gewalt steht. §. 296. Jnzwischen sind die Seelenwirkungen jener eben dieselben, wie des Zorns, und ist uns also wenig dadurch geholfen. Die Erregung gegentheiliger Vorstellungen, Triebe und Leidenschaften, die Zerstreuung des Gemüths, und die Ab- straktion sind die nachdrücklichsten psychologischen Mittel, den Zorn zu verhüten. Unter den physiologischen würde das eins seyn, was die starke Ergießung und die Erhitzung der Galle hinderte; §. 325. denn in der That sind die Thiere am wenigsten zornig, streitsüchtig und rachgierig, die wenig Galle haben. Vergl. d. A. 3 B. 107 St.
§. 327.
Die Sehnsucht (§. 309.) ist eine gemäßigtere Leiden- schaft, als die bisher betrachteten unangenehmen: gleich- wohl ist ihre Seelenwirkung, als die von der sinnlichen Un- lust, der Gesundheit merklich nachtheilig: §. 259. denn sie besteht in Herzklopfen, Beängstigung, Seufzen, Weinen, u. s. w. wodurch mancherley Zufälle veranlasset werden. Jhre Vorhersehung drücket im Körper den Zustand dessel- ben bey ihrer Erfüllung unvollständig aus. §. 257. Wer sich nach einer Umarmung sehnet, der strecket oft in der Sehnsucht seine Arme schon aus, um seinen Gegenstand zu umfangen, und wer sich nach einer Unterredung sehnet, spricht oft laut mit sich selbst das, was er sagen würde, wenn sie wirklich erfolgete. Diese Leidenschaft hat auch ihre besondern Wirkungen in der thierischen Oeconomie, die durch den Zusammenhang aller übrigen mit den thierischen Seelenkräften, aus ihren Seelenwirkungen folgen, nämlich daß sie das Fett verzehret, mithin mager machet, und ver- muthlich hierdurch den Augen ein Ansehen, als ob sie ein-
gefalle-
der Leidenſchaften.
§. 326.
Da die Menſchen ſelbſt einen Wehrtrieb haben, der ih- nen den Affektentrieb der Rachgier erreget, §. 301. und Triebe und Affektentriebe ſehr wenig in unſrer Gewalt ſte- hen, §. 292. 297. ſo haben wir auch wenig Mittel, uns vor denſelben zu ſchuͤtzen, obgleich der wahre Zorn, als Lei- denſchaft, allerdings mehr in unſrer Gewalt ſteht. §. 296. Jnzwiſchen ſind die Seelenwirkungen jener eben dieſelben, wie des Zorns, und iſt uns alſo wenig dadurch geholfen. Die Erregung gegentheiliger Vorſtellungen, Triebe und Leidenſchaften, die Zerſtreuung des Gemuͤths, und die Ab- ſtraktion ſind die nachdruͤcklichſten pſychologiſchen Mittel, den Zorn zu verhuͤten. Unter den phyſiologiſchen wuͤrde das eins ſeyn, was die ſtarke Ergießung und die Erhitzung der Galle hinderte; §. 325. denn in der That ſind die Thiere am wenigſten zornig, ſtreitſuͤchtig und rachgierig, die wenig Galle haben. Vergl. d. A. 3 B. 107 St.
§. 327.
Die Sehnſucht (§. 309.) iſt eine gemaͤßigtere Leiden- ſchaft, als die bisher betrachteten unangenehmen: gleich- wohl iſt ihre Seelenwirkung, als die von der ſinnlichen Un- luſt, der Geſundheit merklich nachtheilig: §. 259. denn ſie beſteht in Herzklopfen, Beaͤngſtigung, Seufzen, Weinen, u. ſ. w. wodurch mancherley Zufaͤlle veranlaſſet werden. Jhre Vorherſehung druͤcket im Koͤrper den Zuſtand deſſel- ben bey ihrer Erfuͤllung unvollſtaͤndig aus. §. 257. Wer ſich nach einer Umarmung ſehnet, der ſtrecket oft in der Sehnſucht ſeine Arme ſchon aus, um ſeinen Gegenſtand zu umfangen, und wer ſich nach einer Unterredung ſehnet, ſpricht oft laut mit ſich ſelbſt das, was er ſagen wuͤrde, wenn ſie wirklich erfolgete. Dieſe Leidenſchaft hat auch ihre beſondern Wirkungen in der thieriſchen Oeconomie, die durch den Zuſammenhang aller uͤbrigen mit den thieriſchen Seelenkraͤften, aus ihren Seelenwirkungen folgen, naͤmlich daß ſie das Fett verzehret, mithin mager machet, und ver- muthlich hierdurch den Augen ein Anſehen, als ob ſie ein-
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der Leidenſchaften.
§. 326.
Da die Menſchen ſelbſt einen Wehrtrieb haben, der ih-
nen den Affektentrieb der Rachgier erreget, §. 301. und
Triebe und Affektentriebe ſehr wenig in unſrer Gewalt ſte-
hen, §. 292. 297. ſo haben wir auch wenig Mittel, uns
vor denſelben zu ſchuͤtzen, obgleich der wahre Zorn, als Lei-
denſchaft, allerdings mehr in unſrer Gewalt ſteht. §. 296.
Jnzwiſchen ſind die Seelenwirkungen jener eben dieſelben,
wie des Zorns, und iſt uns alſo wenig dadurch geholfen.
Die Erregung gegentheiliger Vorſtellungen, Triebe und
Leidenſchaften, die Zerſtreuung des Gemuͤths, und die Ab-
ſtraktion ſind die nachdruͤcklichſten pſychologiſchen Mittel,
den Zorn zu verhuͤten. Unter den phyſiologiſchen wuͤrde das
eins ſeyn, was die ſtarke Ergießung und die Erhitzung der
Galle hinderte; §. 325. denn in der That ſind die Thiere
am wenigſten zornig, ſtreitſuͤchtig und rachgierig, die wenig
Galle haben. Vergl. d. A. 3 B. 107 St.
§. 327.
Die Sehnſucht (§. 309.) iſt eine gemaͤßigtere Leiden-
ſchaft, als die bisher betrachteten unangenehmen: gleich-
wohl iſt ihre Seelenwirkung, als die von der ſinnlichen Un-
luſt, der Geſundheit merklich nachtheilig: §. 259. denn ſie
beſteht in Herzklopfen, Beaͤngſtigung, Seufzen, Weinen,
u. ſ. w. wodurch mancherley Zufaͤlle veranlaſſet werden.
Jhre Vorherſehung druͤcket im Koͤrper den Zuſtand deſſel-
ben bey ihrer Erfuͤllung unvollſtaͤndig aus. §. 257. Wer
ſich nach einer Umarmung ſehnet, der ſtrecket oft in der
Sehnſucht ſeine Arme ſchon aus, um ſeinen Gegenſtand zu
umfangen, und wer ſich nach einer Unterredung ſehnet,
ſpricht oft laut mit ſich ſelbſt das, was er ſagen wuͤrde,
wenn ſie wirklich erfolgete. Dieſe Leidenſchaft hat auch ihre
beſondern Wirkungen in der thieriſchen Oeconomie, die
durch den Zuſammenhang aller uͤbrigen mit den thieriſchen
Seelenkraͤften, aus ihren Seelenwirkungen folgen, naͤmlich
daß ſie das Fett verzehret, mithin mager machet, und ver-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/343>, abgerufen am 22.11.2024.
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