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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
gung genug ist. Es sind insgesammt die Befriedi-
gungen solcher Begierden oder Verabscheuungen des
Willens, deren Gegenstände die Vorstellungskraft der
Seele eigenmächtig hervorbringen kann, und die zugleich
ihrer Natur nach, in den mechanischen Maschinen sol-
che Bewegungen als Seelenwirkungen äußern. Aus
der Vergleichung dieser Willkührlichkeit des Willens mit
dem natürlichen Zwange bey den sinnlichen Begierden,
Trieben und Leidenschaften, erhellet, warum jene, an
sich betrachtet, ganz sittlich, diese hingegen es entweder
gar nicht, oder doch nur einigermaßen sind. §. 297.
Vergl. d. A. 3 B. S. 523.

§. 337.

Wenn sinnliche Reizungen Bewegungsgründe ver-
anlassen, die einerley Gegenstand betreffen; oder um-
gekehrt: wenn uns Bewegungsgründe zu sinnlichen Rei-
zungen über einerley Gegenstand leiten, und beyde ihn
als angenehm, oder beyde ihn als unangenehm vorstel-
len; so stimmet der Wille mit der Sinnlichkeit überein,
und es gesellen sich zu den Seelenwirkungen der sinnli-
chen Begierden die freywilligen Bewegungen, die der
Begriff des Gegenstandes zu wirken vermag. So treibt
einen Verliebten der Wille, zur Geliebten zu gehen,
da zugleich der Trieb auf seine Befriedigung arbeitet,
und die dazu gehörigen Seelenwirkungen (§. 289.) her-
vorbringt. Wird hingegen in dergleichen Fällen der
Gegenstand einer Seits verabscheuet, und andrer Seits
begehret, so entsteht ein Streit der Sinnlichkeit und
des Willens, (des Fleisches, §. 88. wider den
Geist,)
wo denn die beyderseitigen Seelenwirkungen
einander widerstreiten und endlich die Befriedigung, der
Sieg,
gemeiniglich auf die Seite der Sinnlichkeit aus-
schlägt, weil ihre Triebfedern stärker sind. §. 251. Wenn
z. E. der Trieb uns in eine Person verliebt machet, de-

ren

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
gung genug iſt. Es ſind insgeſammt die Befriedi-
gungen ſolcher Begierden oder Verabſcheuungen des
Willens, deren Gegenſtaͤnde die Vorſtellungskraft der
Seele eigenmaͤchtig hervorbringen kann, und die zugleich
ihrer Natur nach, in den mechaniſchen Maſchinen ſol-
che Bewegungen als Seelenwirkungen aͤußern. Aus
der Vergleichung dieſer Willkuͤhrlichkeit des Willens mit
dem natuͤrlichen Zwange bey den ſinnlichen Begierden,
Trieben und Leidenſchaften, erhellet, warum jene, an
ſich betrachtet, ganz ſittlich, dieſe hingegen es entweder
gar nicht, oder doch nur einigermaßen ſind. §. 297.
Vergl. d. A. 3 B. S. 523.

§. 337.

Wenn ſinnliche Reizungen Bewegungsgruͤnde ver-
anlaſſen, die einerley Gegenſtand betreffen; oder um-
gekehrt: wenn uns Bewegungsgruͤnde zu ſinnlichen Rei-
zungen uͤber einerley Gegenſtand leiten, und beyde ihn
als angenehm, oder beyde ihn als unangenehm vorſtel-
len; ſo ſtimmet der Wille mit der Sinnlichkeit uͤberein,
und es geſellen ſich zu den Seelenwirkungen der ſinnli-
chen Begierden die freywilligen Bewegungen, die der
Begriff des Gegenſtandes zu wirken vermag. So treibt
einen Verliebten der Wille, zur Geliebten zu gehen,
da zugleich der Trieb auf ſeine Befriedigung arbeitet,
und die dazu gehoͤrigen Seelenwirkungen (§. 289.) her-
vorbringt. Wird hingegen in dergleichen Faͤllen der
Gegenſtand einer Seits verabſcheuet, und andrer Seits
begehret, ſo entſteht ein Streit der Sinnlichkeit und
des Willens, (des Fleiſches, §. 88. wider den
Geiſt,)
wo denn die beyderſeitigen Seelenwirkungen
einander widerſtreiten und endlich die Befriedigung, der
Sieg,
gemeiniglich auf die Seite der Sinnlichkeit aus-
ſchlaͤgt, weil ihre Triebfedern ſtaͤrker ſind. §. 251. Wenn
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[330/0354] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. gung genug iſt. Es ſind insgeſammt die Befriedi- gungen ſolcher Begierden oder Verabſcheuungen des Willens, deren Gegenſtaͤnde die Vorſtellungskraft der Seele eigenmaͤchtig hervorbringen kann, und die zugleich ihrer Natur nach, in den mechaniſchen Maſchinen ſol- che Bewegungen als Seelenwirkungen aͤußern. Aus der Vergleichung dieſer Willkuͤhrlichkeit des Willens mit dem natuͤrlichen Zwange bey den ſinnlichen Begierden, Trieben und Leidenſchaften, erhellet, warum jene, an ſich betrachtet, ganz ſittlich, dieſe hingegen es entweder gar nicht, oder doch nur einigermaßen ſind. §. 297. Vergl. d. A. 3 B. S. 523. §. 337. Wenn ſinnliche Reizungen Bewegungsgruͤnde ver- anlaſſen, die einerley Gegenſtand betreffen; oder um- gekehrt: wenn uns Bewegungsgruͤnde zu ſinnlichen Rei- zungen uͤber einerley Gegenſtand leiten, und beyde ihn als angenehm, oder beyde ihn als unangenehm vorſtel- len; ſo ſtimmet der Wille mit der Sinnlichkeit uͤberein, und es geſellen ſich zu den Seelenwirkungen der ſinnli- chen Begierden die freywilligen Bewegungen, die der Begriff des Gegenſtandes zu wirken vermag. So treibt einen Verliebten der Wille, zur Geliebten zu gehen, da zugleich der Trieb auf ſeine Befriedigung arbeitet, und die dazu gehoͤrigen Seelenwirkungen (§. 289.) her- vorbringt. Wird hingegen in dergleichen Faͤllen der Gegenſtand einer Seits verabſcheuet, und andrer Seits begehret, ſo entſteht ein Streit der Sinnlichkeit und des Willens, (des Fleiſches, §. 88. wider den Geiſt,) wo denn die beyderſeitigen Seelenwirkungen einander widerſtreiten und endlich die Befriedigung, der Sieg, gemeiniglich auf die Seite der Sinnlichkeit aus- ſchlaͤgt, weil ihre Triebfedern ſtaͤrker ſind. §. 251. Wenn z. E. der Trieb uns in eine Perſon verliebt machet, de- ren

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/354>, abgerufen am 20.05.2024.