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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkräfte.
zu rechnen, giebt uns die Erfahrung viel wahrscheinlichere
Gründe, woraus sich die Nervenkraft des innern sinnli-
chen Eindrucks im Gehirne, der nicht von Vorstellungen
kömmt, erkennen läßt. Wenn bey Vollblütigen das Ge-
hirn zu sehr mit Blute überhäufet, und dadurch die kleine
Pulsader im Augennerven zu stark ausgedehnet wird, und
diesen Nerven dadurch in seinem Ursprunge, oder ohnweit
desselben im Marke seines Stammes sinnlich reizet, so em-
pfängt er dadurch einen innern sinnlichen Eindruck, den
man oft gar nicht anders, als aus seinen nachherigen Wir-
kungen empfindet, und der also von keiner Vorstellung her-
rühret. Er kann z. E. vom Niederbücken des Kopfs, oder
von einer zu fest geschnürten Halsbinde entstehen. Dieser
innere sinnliche Eindruck im Gehirne pflanzet sich nieder-
wärts durch den Augennerven fort, §. 31. machet am En-
de desselben im Auge einen äußern sinnlichen Eindruck, der
aufwärts zurückgeht, §. 31. und der Seele eine unächte
äußere Empfindung giebt, §. 148. und diese unächte äu-
ßere Empfindung von allerley falschen Erscheinungen vor
den Augen, ist hier ein offenbarer Beweis, daß durchs
Gehirn innere sinnliche Eindrücke, die nicht von Vorstel-
lungen herrühren, sich in die Nerven eben so fortpflanzen,
und gleiche Wirkungen haben, wie die, welche von Vor-
stellungen herrühren: denn eben so, wie die lebhaftesten
Einbildungen oder Leidenschaften unächte äußere Empfin-
dungen von allerley Erscheinungen vor den Augen, als See-
lenwirkungen verursachen, §. 148. so thut es hier ein Druck
des Bluts beym Ursprunge des Augennerven im Gehirne,
als eine Nervenwirkung, und man sieht davon Funken,
mancherley Bilder und Bewegungen vor Augen, als ob sie
wirklich vorhanden wären. Da nun der Augennerve im
Gehirne ist, einen Theil desselben ausmachet, und sich sehr
wenig daraus entfernet, so kann man diese Erfahrung als
einen Beweis einer im Hirnmarke selbst wohnenden Ner-
venkraft annehmen, die eben dieselben thierischen Wirkun-
gen hervorbringt, als wenn eine Vorstellung diese Stelle

des

II Th. Nervenkraͤfte.
zu rechnen, giebt uns die Erfahrung viel wahrſcheinlichere
Gruͤnde, woraus ſich die Nervenkraft des innern ſinnli-
chen Eindrucks im Gehirne, der nicht von Vorſtellungen
koͤmmt, erkennen laͤßt. Wenn bey Vollbluͤtigen das Ge-
hirn zu ſehr mit Blute uͤberhaͤufet, und dadurch die kleine
Pulsader im Augennerven zu ſtark ausgedehnet wird, und
dieſen Nerven dadurch in ſeinem Urſprunge, oder ohnweit
deſſelben im Marke ſeines Stammes ſinnlich reizet, ſo em-
pfaͤngt er dadurch einen innern ſinnlichen Eindruck, den
man oft gar nicht anders, als aus ſeinen nachherigen Wir-
kungen empfindet, und der alſo von keiner Vorſtellung her-
ruͤhret. Er kann z. E. vom Niederbuͤcken des Kopfs, oder
von einer zu feſt geſchnuͤrten Halsbinde entſtehen. Dieſer
innere ſinnliche Eindruck im Gehirne pflanzet ſich nieder-
waͤrts durch den Augennerven fort, §. 31. machet am En-
de deſſelben im Auge einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, der
aufwaͤrts zuruͤckgeht, §. 31. und der Seele eine unaͤchte
aͤußere Empfindung giebt, §. 148. und dieſe unaͤchte aͤu-
ßere Empfindung von allerley falſchen Erſcheinungen vor
den Augen, iſt hier ein offenbarer Beweis, daß durchs
Gehirn innere ſinnliche Eindruͤcke, die nicht von Vorſtel-
lungen herruͤhren, ſich in die Nerven eben ſo fortpflanzen,
und gleiche Wirkungen haben, wie die, welche von Vor-
ſtellungen herruͤhren: denn eben ſo, wie die lebhafteſten
Einbildungen oder Leidenſchaften unaͤchte aͤußere Empfin-
dungen von allerley Erſcheinungen vor den Augen, als See-
lenwirkungen verurſachen, §. 148. ſo thut es hier ein Druck
des Bluts beym Urſprunge des Augennerven im Gehirne,
als eine Nervenwirkung, und man ſieht davon Funken,
mancherley Bilder und Bewegungen vor Augen, als ob ſie
wirklich vorhanden waͤren. Da nun der Augennerve im
Gehirne iſt, einen Theil deſſelben ausmachet, und ſich ſehr
wenig daraus entfernet, ſo kann man dieſe Erfahrung als
einen Beweis einer im Hirnmarke ſelbſt wohnenden Ner-
venkraft annehmen, die eben dieſelben thieriſchen Wirkun-
gen hervorbringt, als wenn eine Vorſtellung dieſe Stelle

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[372/0396] II Th. Nervenkraͤfte. zu rechnen, giebt uns die Erfahrung viel wahrſcheinlichere Gruͤnde, woraus ſich die Nervenkraft des innern ſinnli- chen Eindrucks im Gehirne, der nicht von Vorſtellungen koͤmmt, erkennen laͤßt. Wenn bey Vollbluͤtigen das Ge- hirn zu ſehr mit Blute uͤberhaͤufet, und dadurch die kleine Pulsader im Augennerven zu ſtark ausgedehnet wird, und dieſen Nerven dadurch in ſeinem Urſprunge, oder ohnweit deſſelben im Marke ſeines Stammes ſinnlich reizet, ſo em- pfaͤngt er dadurch einen innern ſinnlichen Eindruck, den man oft gar nicht anders, als aus ſeinen nachherigen Wir- kungen empfindet, und der alſo von keiner Vorſtellung her- ruͤhret. Er kann z. E. vom Niederbuͤcken des Kopfs, oder von einer zu feſt geſchnuͤrten Halsbinde entſtehen. Dieſer innere ſinnliche Eindruck im Gehirne pflanzet ſich nieder- waͤrts durch den Augennerven fort, §. 31. machet am En- de deſſelben im Auge einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, der aufwaͤrts zuruͤckgeht, §. 31. und der Seele eine unaͤchte aͤußere Empfindung giebt, §. 148. und dieſe unaͤchte aͤu- ßere Empfindung von allerley falſchen Erſcheinungen vor den Augen, iſt hier ein offenbarer Beweis, daß durchs Gehirn innere ſinnliche Eindruͤcke, die nicht von Vorſtel- lungen herruͤhren, ſich in die Nerven eben ſo fortpflanzen, und gleiche Wirkungen haben, wie die, welche von Vor- ſtellungen herruͤhren: denn eben ſo, wie die lebhafteſten Einbildungen oder Leidenſchaften unaͤchte aͤußere Empfin- dungen von allerley Erſcheinungen vor den Augen, als See- lenwirkungen verurſachen, §. 148. ſo thut es hier ein Druck des Bluts beym Urſprunge des Augennerven im Gehirne, als eine Nervenwirkung, und man ſieht davon Funken, mancherley Bilder und Bewegungen vor Augen, als ob ſie wirklich vorhanden waͤren. Da nun der Augennerve im Gehirne iſt, einen Theil deſſelben ausmachet, und ſich ſehr wenig daraus entfernet, ſo kann man dieſe Erfahrung als einen Beweis einer im Hirnmarke ſelbſt wohnenden Ner- venkraft annehmen, die eben dieſelben thieriſchen Wirkun- gen hervorbringt, als wenn eine Vorſtellung dieſe Stelle des

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/396>, abgerufen am 22.11.2024.